Die Verhaftung des Einbrecherkönigs Johann Breitwieser (1918)

Lesen Sie heute Teil 1 unserer neunteiligen Serie „History & Crime in Rudolfsheim (Fünfhaus) Anno dazumal“ von Barbara Büchner.

Barbara Büchner hat in Archiven recherchiert, dutzende Zeitungsartikel durchforstet und spektakuläre Fälle zusammengetragen, die sich auf dem Gebiet des heutigen 15. Bezirks zugetragen haben oder von Personen handeln, die im heutigen Rudolfsheim-Fünfhaus wohnhaft oder beruflich (oder sonst wie) tätig waren.

Verfolgen Sie heute mit uns die Verhaftung des berühmt-berüchtigten „Einbrecherkönigs“ Johann Breitwieser durch den Postenkommandanten der Sicherheitswache Schmelz – Inspektor Rieß.

Als Quelle dient die „Arbeiter-Zeitung“ vom 8. April 1918 (Auszug).

History & Crime
Handschellen

Johann Breitwieser nach aufregendem Kampf verhaftet

[Transkription Barbara Büchner] „Wie berichtet, ist am Samstagvormittag der berüchtigte Einbrecher Johann Breitwieser auf der Schmelz nach einem aufregenden Kampf verhaftet worden. Seine Anhaltung hat großes Aufsehen erregt, da ihr eine wilde Jagd vorausgegangen ist.

Zwei Polizeiagenten und zwei Soldaten der Militärpolizei Hietzing waren früh auf der Suche nach dem gleichfalls sehr berüchtigten Einbrecher Kerschbaum, der gleichfalls wiederholt entsprungen ist und ein Diebsgenosse Breitwiesers ist.

Sie trafen beim Hause Dreyhausenstraße Nr. 40 statt des Kerschbaum den so eifrig gesuchten Breitwieser an, der auf Kerschbaum wartete. Kaum hatte Breitwieser aus der Ferne gesehen, dass man sich ihm näherte, als er sofort die Flucht ergriff und sich gegen die Schrebergärten am Ameisbach wendete.

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Vielleicht führte die wilde Jagd ja auch beim Schutzhaus Zukunft vorbei.

Er hatte gleich bei den ersten Schritten seinen Revolver gezogen und lief, die Waffe in der Hand, so schnell, als ihn seine Füße trugen. Ein Polizeiagent und ein Korporal der Militärpolizei liefen ihm nach; auch sie hatten die Revolver gezogen. Alsbald fielen Schüsse. Der Flüchtige schoss, sich umwendend, auf seine Verfolger und diese wieder auf den Verbrecher.

In der Lützowgasse stellte sich dem Übeltäter ein Sicherheitswachmann, der durch die Schießerei aufmerksam geworden war, in den Weg; doch Breitwieser schoss auch auf ihn und floh weiter. Die Verfolgung erstreckte sich bis zum Erzherzog Rainer-Landwehrspital (heute Hanusch-Krankenhaus, Anm.d.Red.).

Der Postenkommandant des berittenen Stallpostens der Sicherheitswache Schmelz, Inspektor Rieß, stand, als sich die Vorfälle abspielten, im Ameisbachtal und sah von einer Anhöhe einen laufenden Mann, dem ein Zivilist und ein Soldat folgten. Zugleich hörte er Schüsse.

Polizei berittene
Berittene Sicherheitswacheabteilung in den 1920er-Jahren: Den Höchststand gab es 1913 in Wien mit 318 Polizeipferden. Foto: https://www.bmi.gv.at/magazinfiles/2018/07_08/polizeigeschichte.pdf

Inspektor Rieß ritt im schärfsten Galopp heran. Als er näherkam, rief man ihm zu, dass der Verfolgte Breitwieser sei. Der Verbrecher hatte einen Vorsprung von gut 200 Schritten. Inspektor Rieß jagte im Galopp weiter und zog während der Rittes auch seinen Revolver.

Die Entfernung verringerte sich immer mehr und schließlich war Rieß dem Manne auf etwa fünfzehn Schritte nahegekommen. Breitwieser, der durch den Lauf erschöpft war, blieb stehen und Inspektor Rieß rief ihm zu, er solle den Revolver wegwerfen. Zugleich zielte Rieß auf den Stehenden. Breitwieser gab das Spiel verloren und rief, er werde nicht mehr schießen.“

breitwieser
Hier der Originalartikel aus der Arbeiterzeitung vom 8. April 1918

Nachtrag:

Johann Breitwieser wurde schließlich verhaftet. Der „Ein- und Ausbrecherkönig“ konnte jedoch trotz strenger Sicherheitsvorkehrungen im Dezember 1918 erneut aus dem Gefängnis fliehen und erst im April 1919 wieder aufgespürt werden.

Am 1. April 1919 wurde sein Haus in St. Andrä-Wördern in Niederösterreich von der Polizei umstellt und unter Beschuss genommen. Er wurde schwer verwundet und erlag am darauffolgenden Tag im Inquisitenspital (Gefängniskrankenhaus im heutigen Landesgericht im 8. Bezirk) seinen Verletzungen. Er wurde nur 28 Jahre alt.

Der „Eisenschlitzer“ und „König von Meidling“ Schani Breitwieser („Die Banken, die Pülcher haben eh zu viel, wir haben zu wenig …“) wurde von der Bevölkerung geliebt und beschützt. Die kleinen Leute in Wien sahen in Breitwieser nicht einen skrupellosen, schießwütigen Verbrecher, sondern einen Robin Hood.

Der „Eisenschlitzer“ und „König von Meidling“ Schani Breitwieser wurde von der Bevölkerung geliebt und beschützt. Die kleinen Leute in Wien sahen in Breitwieser nicht einen skrupellosen, schießwütigen Verbrecher, sondern einen Robin Hood.

An seinem Begräbnis nahmen zwischen 20.000 und 40.000 Personen teil, das Grab versank in einem Meer von Kerzen und Blumen. Noch Jahre später fanden sich stets frische Blumen an seinem Grab.

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Johann Breitwieser als junger Mann …
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… und nach einer Verhaftung 1918.

Johann Breitwieser  (auch Braitwieser) (* 18. April 1891 Meidling, † 1. April 1919 (erschossen) Wien (Meidlinger Friedhof), „Einbrecherkönig“. Wuchs mit 15 Geschwistern im Gatterhölzl, das in zeitgenössischen Schilderungen als „Verbrecherschule“ bezeichnet wird, auf und entwickelte sich ab 1905 zum Führer einer berüchtigten Meidlinger Einbrecherbande.

Mehr über sein Leben finden Sie hier.


meine meinung

Ein Robin Hood war der „Schani“ gewiss nicht. Er nahm von den Reichen wie von den Armen und behielt es für sich selbst. Aber die kleinen Leute, bedrückt von den Bankiers, den Reichen, der Obrigkeit, hatten ihr diebische Freude daran, wenn er wieder einmal einen Geldsack „aufgeschlitzt“ hatte, und so ernannten sie den skrupellosen Berufsverbrecher zum edlen Ritter.


Quellen:

Outlawlegend
Wien Wiki
Anno

Hier finden Sie alle Artikel unserer Serie „History & Crime in Rudolfsheim“

Teil 1: Die Verhaftung des Einbrecherkönigs Johann Breitwieser (1918)
Teil 2: Die Hyäne der Armen – Der Kinder-Betrüger Georg Prödinger (1905)
Teil 3: Von einer Greisin erstochen – Das Ende des „Revolvergustl“ (1928)
Teil 4: Der Gattinnenmörder Anton Karner – Eifersucht in der Enge der Proletarierwohnung (1913)
Teil 5: Motorführer Johann Prügl als Dienstmädchenmörder (1905)
Teil 6: Der Raubmörder und der tapfere Wirt (1920)
Teil 7: „Noch 48 Stunden, dann hol ich ihn mir, den Hager“ (1911)
Teil 8: Eine Greisin im Schlaf abgeschlachtet: Der Raubmörder Anton Senekl (1902)
Teil 9: Raubmord an einem Kind – Der Fall Rudolf Kremser (1914)

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In unserer Broschüre „Blut im Beisl. Historische Kriminalfälle in Gasthäusern des 15. Bezirks um 1900“ können Sie weiterschmökern.


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(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828

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5 Kommentare zu „Die Verhaftung des Einbrecherkönigs Johann Breitwieser (1918)

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