#FAQ15/026 In welchem Theater in Rudolfsheim war Max Reinhardt als Schauspieler engagiert?

Was Sie schon immer über Rudolfsheim-Fünfhaus wissen wollten …

Hier erfahren Sie regelmäßig interessante Details aus Vergangenheit & Gegenwart von Rudolfsheim-Fünfhaus, dem 15. Wiener Gemeindebezirk.

Max Reinhardt 1873-1943) war ein österreichischer Theater- und Filmregisseur, Intendant, Theaterproduzent und Theatergründer. Er hat mit seiner Jedermann-Inszenierung am 22. August 1920 die Salzburger Festspiele begründet. Was er mit Rudolfsheim-Fünfhaus zu tun hat erfahren Sie in diesem Beitrag.

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FAQ=Frequently Asked Questions (häufig gestellte Fragen)


Kennen Sie Moses Goldmann?

Max Reinhardt wurde am 9. September als Moses (Max) Goldmann (*) 1873 als ältestes von sieben Kindern geboren (die weiteren Kinder: Edmund, Jenny, Adele, Irene, Siegfried und Leo). Seine Mutter war Rosa Goldmann, geborene Wengraf, sein Vater war der jüdische Textilkaufmann Wilhelm Goldmann. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf.

(*) Max Reinhardts Urgroßvater Wolf Hirsch, ein jüdischer Religionslehrer in Stampfen (Stupava) bei Preßburg (Bratislava), hatte den Familiennamen Goldmann angenommen.

Reinhardt besuchte die Volksschule und danach die Bürgerschule. Er galt als „stiller, sehr scheuer Bub“.

Ab 1888 absolvierte er eine Banklehre und nahm gleichzeitig Schauspielunterricht beim Burgtheater-Statisten Rudolf Perak in Wien.

Debüt am Fürstlich Sulkowsky’schen Privat-Theater

Max Goldmann debütierte im April 1890 an einer Wiener Privatbühne, dem „Fürstlich Sulkowsky’schen Privat-Theater“ in Matzleinsdorf.

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Moses (Max) Goldmann – Max Reinhardt, Bild

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entstehen in Wien mehr und mehr Übungsbühnen, die angehenden jungen Schauspielern und Dilettanten die Möglichkeit bieten, vor Publikum aufzutreten. Älteste und renommierteste dieser Bühnen ist das Fürstlich Sulkowsky’sche Privattheater in der Matzleinsdorferstraße der späteren Wiedner Hauptstraße. Ursprünglich 1837 von Baron Dietrich in seinem Palais als Haustheater eingerichtet und nach dessen Tod an Fürst Sulkowsky vererbt, ist es seit 1861 an Valentin Niklas verpachtet. Unter der Leitung von Niklas, der es nach Tätigkeiten als Schauspieler und Regisseur an Provinzbühnen und verschiedenen Wiener Theatern schließlich zum Inspizienten und Komparseriedirektor am Wiener Burgtheater unter Laube gebracht hatte, hat es sich zu einer populären Übungsbühne entwickelt; einige später berühmt gewordene Künstler, wie Emerich Robert, Sigwart Friedman und – allerdings erst nach Niklas‘ Tod – Max Reinhardt haben am Sulkowsky-Theater ihre ersten Auftritte gehabt.

Münchener Universitätsschriften – Theaterwissenschaft – Band 15 – Judith Eisermann: Josef Kainz zwischen Tradition und Moderne – Der Weg eines epochalen Schauspielers, Herbert Utz Verlag, Dissertation München Universität 2009

1890 nahm Goldmann den Künstlernamen Reinhardt (*) an.

(*) Angeblich ist der alte Reinhardt aus Theodor Storms Novelle Immensee das Vorbild für den Namen gewesen.

1904 wurde der Name der gesamten Familie mit Bewilligung des ungarischen Innenministeriums von Goldmann in Reinhardt geändert.

Bereits als junger Schauspieler stellte Reinhardt gern alte Männer dar, die ihm sehr lagen – „da konnte ich meine Schüchternheit hinter einem langen weißen Bart verstecken.“

Nach seinen ersten Auftritten nahm Reinhardt Privatunterricht bei dem ehemaligen Königlich Sächsischen Hofschauspieler und Konservatoriums-Professor Emil Bürde (1827-1898).

Emil Bürde, Bild

Ich war gerade 19 Jahre alt. Als Schauspieler war ich erst zwei Jahre alt. In diesen zwei Jahren hatte ich stehen, gehen, sitzen gelernt auf der Bühne. Ich konnte auch schon sprechen. Wenigstens bildete ich es mir ein. Theoretisch habe ich es von meinem Lehrer Emil Bürde gelernt und – vom Burgtheater, das für den jungen Schauspieler eine Art Universität war.

Max Reinhardts Erinnerungen, Teilnachlass: Wienbibliothek

Max Reinhardt am Rudolfsheimer Volkstheater

Sein erstes festes Engagement erhielt Max Reinhardt am Rudolfsheimer Volkstheater.

Das Volkstheater Rudolfsheim befand sich im Gebäude von Schwenders Colosseum. Den Theaterbetrieb pachtete der damals sehr bekannte Agent C. A. Sachse.

Das Theater wurde häufig als Versuchsbühne benutzt. Viele hervorragende KünstlerInnen (auch Karl Kraus trat dort als Franz Moor in Schillers „Räuber“ auf) haben dort gespielt. Am 26. April 1897 schloss das Theater seine Pforten.

Es war in Blau und Silber gehalten und zeigte an den Seitenwänden vier prächtige Bilder: Krones als Jugend, Ferdinand Raimund als Aschenmann, Nestroy als Sansquartier und Scholz als Eulenspiegel. Es hatte eine Galerie und vier Logen (siehe WienGeschichteWiki)

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Schwenders Colosseum bestand von 1835-1898

Mit dem Ausbau eines Kuhstalls zum Kaffeehaus im Wiener Vorort Braunhirschengrund fing alles an. Der aus Württemberg stammende Gastronom Carl Schwender legte damit den Grundstein zu seiner berühmten Vergnügungsstätte „Schwenders Colosseum“. Zu den Attraktionen zählte ab 1866 auch ein eigenes Theater, das mit Possen, Tragödien, Operetten und Sozialdramen ein buntes Publikum begeisterte.

Exkurs: Dichtergruppe Jung-Wien

1890 wurde die Dichtergruppe Jung-Wien auf das Volkstheater beim Schwender aufmerksam. Der Essayist und selbsternannte Gründer des Jungen Wien, Hermann Bahr, der als Wunderkind gehandelte Lyriker und Dramatiker Hugo von Hofmannsthal, der Dandy-Poet Richard Beer-Hofmann, der Journalist und Schriftsteller Felix Salten sowie der Literat und Arzt Arthur Schnitzler wollten jenseits des Wiener Linienwalls eine neue Kunst erproben.

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Von links nach rechts: Richard Beer-Hofmann und Hermann Bahr (stehend), Hugo von Hofmannsthal und Arthur Schnitzler (sitzend). Ferrotypie, 1. April 1894 (ÖNB/Wien)

Freie Bühne in Rudolfsheim

Um der Theaterzensur zu entgehen, beteiligte sich das Junge Wien an der Gründung einer Freien Bühne. Die progressiven Theaterabende sollten in Rudolfsheim stattfinden, doch der Verein verstrickte sich in dramenästhetische Grabenkämpfe. Hinzu kamen staatliche Kontrollmaßnahmen, hohe Ausgaben und die Konkurrenz der größeren Theaterhäuser. Die Freie Bühne konnte sich letztlich nicht durchsetzen.

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Volkstheater Rudolfsheim innen, Aquarell von Gustav Zafaurek, um 1880 (Wien Museum)

Debüt von Karl Kraus und erstes festes Engagement von Max Reinhardt am Rudolfsheimer Volkstheater

Seit 1892 war Pauline Czerniawski-Loewe Direktorin am Rudolfsheimer Volkstheater. Sie nahm bauliche Veränderungen vor, gab dem Theater den Zusatz Freie Bühne, blieb dem Repertoire der VorgängerInnen aber weitestgehend treu.

Unter ihrer künstlerischen Leitung schnupperte Karl Kraus erstmals Bühnenluft und Max Reinhardt erhielt sein erstes festes Engagement.

Karl Kraus
Max Reinhardt
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Theaterzettel Die Räuber mit Kraus in der Rolle des Franz Moor und Max Reinhardt als Spiegelberg (Theatermuseum Wien)

Das Rudolfsheimer Volkstheater musste 1897 seine Pforten schließen. Kurz darauf wurde Schwenders Colosseum vollständig abgetragen.

Abschiedsvorstellung „Der Pfarrer von Kirchfeld“

Das Rudolfsheimer Volkstheater musste 1897 seine Pforten schließen. Kurz darauf
wurde Schwenders Colosseum vollständig abgetragen. Die letzte Vorstellung war Ludwig Anzengrubers „Der Pfarrer von Kirchfeld“.

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Theaterzettel der „Abschieds-Festvorstellung“ des Rudolfsheimer Volkstheaters am 20. April 1897

Exkurs Ende

Max Reinhardt: 1893 erstmals in Salzburg

Außerhalb Wiens trat Reinhardt erstmals im September 1893 am Stadttheater Salzburg auf, an dem er während einer Spielzeit insgesamt 49 unterschiedliche Rollen spielte.

1894 vom Rudolfsheimer Volkstheater nach Berlin

1894 sah Otto Brahm, der designierte Direktor des Deutschen Theaters in Berlin, den Schauspieler in Rudolfsheim und bot ihm ein Engagement in Berlin an.

Im Sommer 1920 gründete Reinhardt die Salzburger Festspiele, bei denen er bis 1937 berühmte Aufführungen gestaltete. Besonders bekannt wurde die Inszenierung des „Jedermann“.

1924 erwarb er das Theater in der Josefstadt, baute es um und bildete eine Generation hervorragender SchauspielerInnen heran. 1929 eröffnete er schließlich das noch heute bestehende Max-Reinhardt-Seminar.

1938 musste Max Reinhardt Österreich verlassen und emigrierte über Großbritannien in die USA, wo er schließlich 1943 starb.

Quellen:
Phil – Samu. hrsg. von Archiv Bibliographia Archiv Bibliographia Judaica e.V.
Munzinger.de
Heinzinger Konstanze: Ein Traum von großer Magie
WienGeschichteWiki
Künste im Exil


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(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828

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