#FAQ15/063 Wie verlief das Schauspieldebüt von Karl Kraus im Rudolfsheimer Volkstheater?

Was Sie schon immer über Rudolfsheim-Fünfhaus wissen wollten …

1893 versuchte sich der junge Karl Kraus als Schauspieler. Er debütierte am Volkstheater in Rudolfsheim. Erfahren Sie, wie sein Schauspiel von der Kritik aufgenommen wurde.

Sie interessieren sich für interessante Details aus Vergangenheit & Gegenwart von Rudolfsheim-Fünfhaus, dem 15. Wiener Gemeindebezirk? Dann sind Sie hier richtig beim Blog WIENfünfzehn!

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FAQ=Frequently Asked Questions (häufig gestellte Fragen)

Es war einmal ein Theater in Rudolfsheim …

1867 wurde in Schwenders Colosseum ein Theater eröffnet. Es fasste 500 Personen und bot hauptsächlich „Volksstücke“. Ebenso wurden aber auch andere Theatergenres inszeniert.

Zum Spielplan zählten beispielsweise Stücke von Johann Nestroy und Ferdinand Raimund ebenso wie die Werke Ludwig Anzengrubers. Eine Vielzahl heute kaum mehr bekannter Autor*innen wie Leo Stein, Alois Berla, O. F. Berg, Friedrich Kaiser und Charlotte Birch-Pfeiffer prägten zudem das vielseitige künstlerische Bild des Rudolfsheimer Volkstheaters.

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Volkstheater Rudolfsheim innen, Aquarell von Gustav Zafaurek, um 1880 (Wien Museum)

… ein paar „Junge Wilde“ …

1890 wurde die Dichtergruppe Jung-Wien auf das Volkstheater beim Schwender aufmerksam. Der Essayist und selbsternannte Gründer des Jungen Wien, Hermann Bahr, der als Wunderkind gehandelte Lyriker und Dramatiker Hugo von Hofmannsthal, der Dandy-Poet Richard Beer-Hofmann, der Journalist und Schriftsteller Felix Salten sowie der Literat und Arzt Arthur Schnitzler wollten jenseits des Wiener Linienwalls eine neue Kunst erproben.

Die Gruppe lehnte den Naturalismus ab und nahm unterschiedliche moderne Kunstströmungen (Symbolismus, Impressionismus, Dekadenzdichtung) auf (Quelle).

… und die Freie Bühne

Seit 1892 war Pauline Czerniawski-Loewe Direktorin am Rudolfsheimer Volkstheater. Sie nahm bauliche Veränderungen vor, gab dem Theater den Zusatz Freie Bühne, blieb dem Repertoire der VorgängerInnen aber weitestgehend treu.

Das Theater wurde häufig als Versuchsbühne benutzt. Viele hervorragende Künstler*innen haben dort gespielt.

Der junge Karl Kraus

1893 debütierte der damals 19-jährige Karl Kraus am Volkstheater in Rudolfsheim als Franz Moor in Schillers „Die Räuber“ (Max Reinhardt spielte den Spiegelberg).

„Herr Kraus mauschelte in beängstigender Weise“

Die Kritiken für Karl Kraus im Deutschen Volksblatt waren vernichtend, Max Reinhardt hingegen wurde gelobt.

Deutsches Volksblatt, 17.1.1893, ANNO

Transkript

Volkstheater in Rudolfsheim. Der von uns signalisirte künstlerische Niedergang dieser Bühne scheint sich immer rapider zu vollziehen. Wir bedauern, dies aus dem Grunde constatiren zu müssen, da wir diese Bühne von allen Blättern stets die wärmsten Sympathien entgegen gebracht haben. Es ist wirklich schade, daß das wirklich gute Ensemble, dass aus den engagirten Mitgliedern besteht, durch die miserablen Darbietungen einiger Dilettanten, die den Ehrgeiz – aber nicht das Können eines Schauspielers besitzen, in solcher Weise in der Bevölkerung discreditirt wird, wie dies bei der letzten Aufführung der „Räuber“ der Fall war. Ein Herr Kraus mauschelte in beängstigender Weise den Franz Moor und quälte damit das Publikum und den guten Geschmack – und dies alles, weil er dafür zahlte, ungestraft diese „Leistung“ bieten zu dürfen. Es wäre nur zu wünschen, daß die Direktion endlich einmal zur Einsicht kommen möge, dass man dem Publicum denn doch mehr Rücksicht schuldig sei und daß man um das leidigigen Geldes willen, denn doch nicht den guten Ruf einer Bühne derartig discreditiren dürfe, daß Jedermann lächelt, wenn von den Aufführungen auf dieser Bühne gesprochen wird. – Die Erstaufführung des Volksstückes „F a b r i k u n d W e r k s t a t t“ von B. Erwin errang einen Achtungserfolg. Das Stück enthält, abgesehen von einigen dramatischen Naivetäten und Unbegreiflichkeit, eine recht zeitgemäße Handlung. Es zeigt uns, dass die Reclame in der heutigen Zeit nothwendig ist, um geschäftliche Erfolge zu erringen. Daß natürlich drei Paare im letzten Acte sich die Hand reichen, ist selbstverständlich, In trefflicher Weise kam dem Stücke diesmal die Darstellung zugute. Herr Reinhardt bot als Schlosser Berger in Maske und Spiel eine recht gute Figur. Lachstürme aber erregten der treffliche Komiker des Theaters Herr Bauer und Herr Barth als böhmischer Schneider. Von den Damen thaten die Frl. Seger, Feld und Falk ihr Bestes. Herr Kapellmeister F. Roth hat zu dem Stücke eine recht liebe Musik geschrieben. -r-

Transkript Ende

Auch Arthur Schnitzler war nicht begeistert von Karl Kraus‘ Schauspielkünsten. Er notierte nach der Vorstellung in sein Tagebuch: “[d]er kleine Kraus fürchterlicher als Franz Moor”.

Wer war Karl Kraus?

Karl Kraus, Bild Wikipedia gemeinfrei

Karl Kraus (* 28. April 1874 in Gitschin (Jičín), Böhmen, Österreich-Ungarn; † 12. Juni 1936 in Wien, Österreich) war einer der bedeutendsten österreichischen Schriftsteller des beginnenden 20. Jahrhunderts. Er war Publizist, Satiriker, Lyriker, Aphoristiker, Dramatiker, Förderer junger Autoren, Sprach- und Kulturkritiker sowie vor allem ein scharfer Kritiker der vorherrschenden Presse und des Hetzjournalismus seiner Zeit bzw. – wie er selbst es ausdrückte – der Journaille. (Wikipedia)

Karl Kraus war das neunte Kind des jüdischen Papier- und Ultramarinfabrikanten und Kaufmanns Jacob Kraus (1833–1900) und seiner Frau Ernestine (geborene Kantor). Er studierte an der juristischen und philosophischen Fakultät der Universität Wien und versuchte sich um 1893 als Schauspieler am Rudolfsheimer Volkstheater.

Karl Kraus wurde ein scharfer Kritiker der Künstlergruppe Jung-Wien und bezeichnete ihre Stücke 1897 als “demolirte Literatur”.

1899 gründete er die Zeitschrift “Die Fackel”, welche sich unter anderem gegen einen verlogenen, sensationsheischenden Journalismus, gegen bürgerliche Doppelmoral und skrupellose Kriegstreiberei richtete.

1918 veröffentlichte er sein Drama “Die letzten Tage der Menschheit” über die inhumanität des Ersten Weltkrieges.

Bis zu seinem Tod am 12. Juni 1936 durch einen schweren Herzinfarkt, den er im Wiener Cafe Imperial erlitt, galt er als moralisch-künstlerische Autorität.


Das Volkstheater in Rudolfsheim schloss am 26. April 1897 endgültig seine Pforten.

Damit genug für heute:
Gehaben Sie sich wohl!
Ihre Brigitte Neichl


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Jede Belehrung und Berichtigung, welche in Beziehung auf größere Vervollkommnung und Gemeinnutzmachung dieser Herausgabe beabsichtigt ist, wird mit dem ausgezeichnetsten Danke empfangen.

(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828

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3 Kommentare zu „#FAQ15/063 Wie verlief das Schauspieldebüt von Karl Kraus im Rudolfsheimer Volkstheater?

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