„Ein unmenschlich herzlos Ungeheuer“: Die Frauenmörder Hugo Schenk und Karl Schlossarek

Barbara Büchner recherchiert unermüdlich in Archiven, durchforstet dutzende Zeitungsartikel und trägt für Sie die spektakulärsten Fälle zusammen, die sich auf dem Gebiet des heutigen 15. Bezirks zugetragen haben oder von Personen handeln, die im heutigen Rudolfsheim-Fünfhaus wohnhaft oder beruflich (oder sonst wie) tätig waren.

History & Crime

Teil 1 unserer dreiteiligen Reihe über den Frauenmörder Hugo Schenk.


Morgenpost 4.5.1884

Jegliche Faschingsstimmung verging den Wiener*innen im Jänner 1884, als die „gute alte Zeit“ sich von ihrer hässlichsten Seite zeigte. Die Wiener Polizei hatte soeben einen Mann verhaftet, der sein Einkommen aus mit berufsmäßiger Routine verübten Frauenmorden bezog.

In einer schäbigen Wohnung in Rudolfsheim in der Sturzgasse Nr. 1 beendete eine raffiniert gestellte Falle der Polizei das Treiben eines in der ganzen Monarchie tätigen Berufsverbrechers.

Die Wohnung gehörte Hugo Schenks Komplizen Karl Schlossarek, er selbst besaß im Bezirk noch einen weiteren Unterschlupf in der Goldschlagstraße 19.

So etwa sahen die Altwiener Häuser in der Sperrgasse im Jahr 1884 aus. Bildquelle: BM 15

Sturzgasse (14, Penzing; 15, Rudolfsheim), benannt (1874) nach der örtlichen Gegebenheit (steil „abstürzend“ zur Linzer Straße).

Sperrgasse (15, Fünfhaus), benannt (um 1864/1869) unter Bezugnahme auf den Umstand, dass durch den Bau der Kaiserin-Elisabeth-Westbahn (Eröffnung der Strecke Wien-Linz am 15. Dezember 1867) Fünfhaus (südlich der Trasse) und Neufünfhaus (Anlage nördlich der Trasse) voneinander getrennt („abgesperrt“) wurden (erst 1876 wurde durch die Schmelzbrücke eine Verbindung hergestellt); vorher Feldgasse.

Goldschlagstraße (14., Penzing; 15, Fünfhaus, Rudolfsheim) benannt nach der bereits 1375 erwähnten Weingartenried „Goldschlagen“; Verlängerungen 25. Februar 1898 Stadtrat (Einbeziehung eines Teils der Neubergenstraße) und 19. April 1899 (Stadtrat).

Quelle: Wikipedia, gemeinfrei, Porträt des Serienmörders Hugo Schenk aus der Publikation: Prozess des Mädchenmörders Hugo Schenk und seiner Genossen, verhandelt in Wien im März 1884 vor dem Ausnahmegerichte. Nach authentischen Berichten bearbeitet, Wien 1883

Als angeblicher „erster Wiener Serienmörder“ (er war sicher nicht der erste) hat Schenk einen besonders tiefen Eindruck in der Kriminalgeschichte hinterlassen – vielleicht, weil so viele einsame Frauen den Traum hegten, der durch ihn zum tödlichen Albtraum wurde.

Bald kannte ganz Wien die Ballade „Der Mädchenmörder“: Bänkelsänger trugen sie in Höfen und auf Plätzen vor, und anlässlich seiner öffentlichen Hinrichtung wurden die Texte jeweils um 5 Kreuzer das Stück verkauft.

Bänkelsänger, Quelle: Wikimedia commons

„Vierzig Dienstmädchen sind während der Wirkungszeit der Schenkbande abgängig gemeldet, die Verbrechen erregten ganz Wien.“

So schreibt Christoph Braendle in „Liebe, Freud und schöner Tod“ (S 126f). Später sang Helmut Qualtinger in seiner Ballade von den Mädchenmördern Hugo Schenk und Karl Schlossarek (die auf der oben genannten älteren Moritat beruht):

„Was geschehen, das ist unerhört,
ein unmenschlich herzlos Ungeheuer
weckte frevelhaft der Liebe Feuer,
viele Mädchen hatte er betört…“


Wie viele Mädchen es genau waren, die Schenk „betörte“, weiß man nicht, denn er war ständig unterwegs, wechselte oft Berufsbezeichnung und Namen, und sein „Arbeitsgebiet“ erstreckte sich über die halbe Monarchie. Da er aber die Gewohnheit hatte, jeden vollbrachten Raubmord damit zu feiern, dass er die Nacht mit dem nächsten auserkorenen Opfer verbrachte, dürften es wohl mehr als vier gewesen sein.

Belegt sind die Namen der Ermordeten Josefine Timal und ihrer Tante Katharina Timal, Theresia Ketterl und Rosa Ferenczy.

Das interessante Blatt 17.1.1884: Katharina und Josefine Timal
Das interessante Blatt 17.1.1884: Therese Ketterle und Rosa Ferenczy

Frauenmord als stete, routinemäßig ausgeführte Einnahmsquelle, das war Schenks „Modus operandi“:

Er lockte einsame Dienstmädchen mit gutgefülltem Sparstrumpf an, versprach ihnen die Ehe und ermordete sie bei erster Gelegenheit mit Hilfe seines Komplizen Karl Schlossarek. Als „Feschak“ aus gutbürgerlicher Familie, in den besten Jahren, charmant, mit tadellosen Manieren, hatte er keine Schwierigkeiten damit, romantisch träumenden Mädchen ein Dasein als glückliche Hausfrau im eigenen Heim vorzugaukeln. Hatte er einmal ihre Sparbücher, so dauerte es oft nur Tage, bis er sie erschlug, erwürgte, ertränkte, erschoss …

Eine Josefa Eder blieb nur am Leben, weil sie Schenk durch Diebstähle finanziell über Wasser hielt, lebendig also mehr wert war als tot. Sie wurde später wegen Mittäterschaft zu drei Jahren Kerker verurteilt.

Emilie Höchsmann, mit der er gleichzeitig liiert war, scheint ihm wirklich ans Herz gewachsen zu sein. Jedenfalls schonte er ihr Leben – angeblich heiratete er sie sogar (obwohl er verheiratet war).

Seine rechtmäßig angetraute Frau Wanda Schenk – die vom Vorsitzenden des Prozesses als eine ungemein liebenswürdige, unschuldige Frau beschrieben wird – wusste von alledem nichts.

Der Herr Gemahl war eben oft auf Geschäftsreise, und damals bohrte eine Frau nicht nach, was ihr Mann eigentlich trieb und wovon er lebte. Sie musste schließlich mit abgrundtiefem Entsetzen erfahren, welches Scheusal der von ihr so innig geliebte Hugo, Vater zweier Mädchen, in Wirklichkeit war.

Immerhin: Sein letzter Gedanke unter dem Galgen galt seiner Gattin. „Bitte, grüßen Sie meine Frau“, bat er den Priester.

Wer war Hugo Schenk?

Hugo Schenk wurde am 11. Februar 1849 in Cesky Têsin im heutigen Tschechien geboren. Sein Vater war dort Kreisgerichtsrat, sein Bruder Gemeindearzt, die gesamte Familie hoch angesehen.

Sohn Hugo absolvierte in Olmütz das Gymnasium, trat in die dortige Artillerieschulkompagnie ein und kam 1866 zum Regiment. 1875 nahm er seinen Abschied und widmete sich ganz der Laufbahn, zu der es ihn offenbar im Innersten drängte – als Berufsverbrecher, vorerst nur als Hochstapler und Heiratsschwindler.

Er gab sich als Ingenieur und Chemiker aus, als Fabrikdirektor, Bergwerksunternehmer, sogar als russischer Fürst Wilopolsky.

Am 5. Dezember 1870 wurde er wegen einer Anzahl schwerer Betrügereien zu fünfjährigem schweren Kerker in der Strafanstalt Mürau verurteilt, jedoch bereits nach zwei Jahren begnadigt und entlassen.

Mit 32 Jahren wurde er abermals wegen Heiratsschwindel zu zwei Jahren schwerem Kerker in der Strafanstalt Stein verurteilt.

Im Gefängnis lernte er den wegen Diebstahls eingesperrten Karl Schlossarek kennen, der sein Komplize wurde.

Dass „mehr als vierzig Dienstmädchen verschwunden waren“, mag durchaus stimmen, interessierte die Polizei damals aber kaum. Die einfachen jungen Frauen, vielfach aus den Kronländern nach Wien zugereist, sprachen oft nur wenig deutsch, hatten keine Verwandten und Freunde in der Großstadt, kamen und gingen, wechselten den Posten, kehrten oft auch in ihre Heimatländer zurück.

Niemand forschte ihren Spuren nach. Schenk hätte noch lange ungestört weitermachen können, doch sein Verhängnis wurde die Arbeit des gewitzten Polizeirates Breitenfeld und des Polizeikommissars Stuckart, welche die Presse dann auch nicht genug loben konnte:

Transkript „Das interessante Blatt“ 17. Januar 1884

Durch eine der scharfsinnigsten polizeilichen Kombinationen, welcher in den Annalen der Polizeigeschichte ein hervorragender Rang sicher ist, gelang es, die Spuren Schenks  zu entdecken, und der Leiter der polizeilichen Aktion, Polizeirat Breitenfeld, hat sich diesmal wieder als das bewährt, wofür man ihn mit Recht allgemein hält, als einen der  tüchtigsten Polizeibeamten der Gegenwart in Europa. Es  war kein Werk des Zufalls, der Schenk der Behörde in die Hände spielte, sondern die Frucht wohlüberlegter, ausgezeichneter Arbeit.

Transkript Ende

Leider fehlt es uns hier der Platz, die aufregende Jagd des Polizeirates und seiner Agenten  auf den Berufsmörder zu schildern; sie ist ein Roman für sich! Und sie hatte Erfolg:

Am 10. Januar 1884 wurde Hugo Schenk und nur einen Tag später Karl Schlossarek verhaftet, später auch Hugos geistig behinderter Bruder Karl, der eine mindere Rolle in der „Raub- und Mord-Compagnie“ gespielt hatte.

Morgen-Post 11.1.1884, S. 2, Quelle ANNO

Transkript „Morgen-Post“ 11. Januar 1884

Die „Correspondenz Wilhelm“ (ein damals sehr aktives Korrespondenzbüro, Anm. d. Red.) schildert die Verhaftung  Schenks folgendermaßen:

Hugo Schenk war nicht zu Hause, die polizeilichen Organe zogen sich zurück, ließen aber die Wohnung des Verdächtigen nicht aus den Augen. Mitternacht war längst vorüber, als im Dunkel der Nacht zwei Gestalten sich dem Hause näherten. In die Wohnung Schenks, beziehungsweise Schlossareks, die sich im Erdgeschoß befindet, kann man durch das Haustor von der Sturzgasse aus sowie von der Lerchengasse (nach 1894 Fenzelgasse, Anm. d. Redaktion) aus durch ein Gassengewölbe gelangen. Der letztere Eingang wird nur zur Tageszeit benutzt. Rückwärts der Lerchengasse ziehen sich Felder hin. Da man einen etwaigen Fluchtversuch Schenks verhindern wollte, ließ man die beiden Gestalten, von denen Eine Hugo Schenk, die Andere die seines Bruders, des Bürodieners Karl Schenk, war, an das Haus herantreten. Hugo Schenk zog die Glocke, verabschiedete sich, als das Tor geöffnet war, von seinem Bruder und trat in den Flur des Hauses. Das Tor schloss sich alsbald wieder, und nun traten die Polizeibeamten in Aktion.

 Da zu befürchten stand, Hugo Schenk könne mit Waffen versehen sein und seine Ergreifung mit Gewaltanwendung zu verhindern trachten, ließ man eine volle Stunde verstreichen, ehe man an die Ergreifung des Mörders schritt. Man kalkulierte, dass sich in der Zwischenzeit Hugo Schenk, zu Bette begeben haben und vielleicht eingeschlafen sein werde. In dieser Voraussetzung irrte man sich auch nicht- Als nämlich Ober-Kommissär Boschan mit seiner Begleitung in der Wohnung Schlossareks erschien, es war dies um halb 5 Uhr Früh, lag Schenk, der mit seinem Unterstandsgeber in einem Zimmer schlief, entkleidet in seinem Bette. Das Kommen der behördlichen Organe war mit der größtmöglichen Ruhe in Szene gesetzt worden, nichtsdestoweniger hatte das Geräusch zu so ungewöhnlicher Zeit Schenk aus dem Schlafe gerissen. Er sprang in seinem Bette auf, doch schon standen die Detektive mit Blendlaternen vor demselben und bemächtigten sich Schenks. Bei dem schwachen Lichtscheine, den die Laternen verbreiteten, nahm sich das fahle Gesicht Schenks, der an allen Gliedern zitterte und keines Wortes mächtig war, doppelt schrecklich aus. Hugo Schenk musste sich ankleiden, wurde dann, um für alle Fälle gesichert zu sein, an den Händen gefesselt, und in den nächsten Minuten brachte ein bereit gehaltener Wagen den Arrestanten in das Polizeigefangenenhaus in der Theobaldgasse. Zwei Stunden später erfolgte in Fünfhaus, Sperrgasse Nr. 5, die Verhaftung des Bürodieners Karl Schenk, den man gleichfalls ohne Verzug in das Polizeigefangenhaus eskortierte.

 Beide Arrestanten werden während ihrer Detentierung (Anhaltung, Anm.d.Red) im Polizeihause, die wahrscheinlich länger als gewöhnlich dauern dürfte, scharf überwacht werden. Gestern Vormittags um 11 Uhr, hat Polizeirat Breitenfeld im Polizeigefangenhause Hugo Schenk das erste Mal vernommen.

Transkript Ende

Bild: Originalbericht Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 11. Januar 1884, Quelle: ANNO

Wie heißt es in der Ballade?

„Seht, der freche Unhold ist gefangen
Wird er sicher nächstens wohl gehangen,
denn die Straf´ folgt dem Verbrechen nach …“

Original: Das Vaterland 18. April 1884

Und wie es in der Moritat vorausgesagt wird, geschah es auch. Beide Männer wurden zum Tod durch den Strang verurteilt, der geistig beeinträchtigte und zudem schwer lungenkranke Karl Schenk kam mit einer Haftstrafe davon.

Die Raubmörder wurden am 23. April 1884 im Hof Nr. 1 des Wiener Landesgerichtes nach traditioneller Art mit dem Würgegalgen hingerichtet.

Morgen-Post 27.4.1884

Die Morgenpost vom 23. April 1884 berichtet über die Exekution. Nachzulesen ist der überaus ausführliche Text im ANNO-Archiv, hier ein kurzer Auszug:

Transkript „Die Morgen-Post“ vom 23. April 1884 (Auszug)

Die Hinrichtung der Frauenmörder  Hugo Schenk und Karl Schlossarek.

In dem kleinen, düsteren Spitalhofe des hiesigen Landesgerichtes in Strafsachen vollzog sich heute das entsetzliche Schauspiel der Hinrichtung zweier Menschen, die sich in der schwersten Weise gegen das Gesetz, und die Gesellschaft versündigt hatten.  Die Mädchenmörder Hugo Schenk und Karl Schlossarek waren die Armensünder, an denen Scharfrichter Willenbacher seines Amtes übte.

Die Strafprozessordnung erlaubt, dass auch „achtbare Männer“, so weit es der Raum der Richtstätte gestattet, dem Akte der Justifizierung anwohnen dürfen. Zur Hinrichtung Hugo Schenks und Karl Schlossareks drängten sich heute wohl die achtbarsten Männer der Residenz, sie drängten sich, in des Wortes wahrster Bedeutung, denn schon um 6 Uhr Morgens war das große Tor des Landesgerichtsgebäudes umlagert von hochgestellten Staatsbeamten, Offizieren, Attachés der Gesandtschaften, Ärzten, Rechtsgelehrten und Schriftstellern.“

Transkript Ende

Ein kurzer Einschub:

Wie der „Oesterreichische Soldatenfreund“ vom 14. April 1885 auf Seite 5 rückblickend berichtet, war unter den Zuschauern auch der sehr populäre englische Gesandte Oberst Primrose, dessen Hobby es offensichtlich war, „allen erdenklichen Hinrichtungen beizuwohnen“.

Originaltext: „Bei der Hinrichtung Schenks und Schlossarek sah man Primrose in geradezu  halsbrecherischer Position auf dem Gipfel einer Doppelleiter balancieren,  die er sich selbst in den Gefängnishof hineingeschleppt und von wo aus er den grausigen Act mit kunstfertiger Hand auf ein Papier  skizzierte.“

Schlossarek wurde als erster gehängt.

Transkript „Die Morgen-Post“ vom 23. April 1884

 Zwei Minuten etwa, nachdem der Tod Schlossareks konstatiert worden, öffnete sich abermals die schon oben erwähnte Türe des Inquisitentraktes und Hugo Schenk (….) erschien in Sträflingskleidern, eine kurze graue Jacke und Hose von eben solcher Farbe. Fest und aufrecht schritt Schenk zum Richtpflock.

Bild: Wiener Würgegalgen mit den eingeritzten Daten der Hinrichtungen, Original im Wiener Kriminalmuseum.

Auch sein Gesicht war bleich, ein mattes Lächeln umspielte seine Lippen. Er wendet sich um – eine Sekunde nur – sein Auge hat den Leichnam Schlossareks erblickt . Die Mundwinkel Schenks zucken nervös, doch noch einmal ein letztes Mal, erscheint das Lächeln wieder auf seinen Zügen, kein zynisches, kein freches Lächeln, das Lächeln der Ergebenheit, der Demut, der Hoffnung.

Während ihm die Jacke ausgezogen wird, spricht er leise mit dem Seelsorger, der auch von ihm durch Umarmung und Küsse Abschied genommen hat. Die Prozedur des Scharfrichters beginnt. Hugo Schenk wird in die Höhe gezogen, seine letzten Worte sind an den Seelsorger gerichtet, sie lauten: „Grüßen Sie meine Frau.“ (…) Kaum sind sie verklungen, als auch Hugo Schenk aufgehört hat, unter den Lebenden zu weilen. Nach drei Minuten schon war die Justifizierung beendet, die Wachen knieten nieder zum Gebet und Pfarrer Koblitschek richtete mit lauter Stimme folgende Worte an die Zuschauer:  „Eine Reihe der furchtbarsten Verbrechen, von denen die Menschennatur sich mit Schaudern abwendet und über welche die Seele bitter klagen muss, ist nun gesühnt durch die strafende Hand der Gerechtigkeit.“ Nachdem der geistliche Herr hierauf ein Vaterunser gebetet hatte, das viele Anwesende halblaut mitsprachen, sagte er: „Der Herr gebe ihnen die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihnen. Amen.“

Das Sterbeglöcklein ertönt von Neuem. Lautlos und tief erschüttert entfernt sich das Publikum aus den Leichenhof. Der irdischen Gerechtigkeit war Genüge geschehen.“

Transkript Ende

Technisch korrekt ist die Schilderung des Journalisten übrigens nicht: Schenk wurde nicht in die Höhe gezogen (wie beim amerikanischen „string´m up!“), sondern zwei  Gehilfen hoben den gefesselten Delinquenten dicht am Richtpflock empor, sodass der Henker ihm ein Seil um den Hals legen konnte. Dann wurde der Verurteilte mit aller Macht an den Schultern gepackt und zu Boden gedrückt. Wenn der Henker sein Handwerk verstand, wurde schlagartig die Blutzirkulation unterbrochen, sodass rasch eine tiefe Bewusstlosigkeit eintrat. Der eigentliche Tod erfolgte erst einige Zeit später, was aber angesichts des reglosen Körpers nicht auffiel. Der Körper blieb noch einige Zeit am Galgen hängen, um sicherzugehen, dass alle Lebensfunktionen erloschen waren.

Morgen-Post 23.3.1884, Quelle: ANNO

So gesehen war die Hinrichtung des Karl Schlossarek kein Meisterstück der Henkerskunst. Während Scharfrichter Josef Lang stets mit Stolz vermelden konnte, dass bei ihm keine Hinrichtung länger als eine Minute dauerte, ließ sein Kollege Heinrich Willenbacher den Todeskandidaten buchstäblich sieben Minuten lang zappeln. Den Wiener Negativrekord stellte übrigens ein Scharfrichter auf, der bei der Exekution einer gewissen Juliane Hummel, die ihre Tochter zu Tode gequält hatte, volle 45 Minuten herummurkste, sodass sich bereits Empörung im Publikum breitmachte.

Die beiden Justifizierten wurden noch in der Nacht in einem abgelegenen Winkel des Zentralfriedhofs zwischen alten, aufgelassenen Gräbern eingescharrt und die Grabstätte unkenntlich gemacht. Einen speziellen „Mörderwinkel“, wie man oft hört, gab es in Wien nicht.

Bild: Der Schädel von Hugo Schenk, der nach der Hinrichtung durch den Wiener Neurologen Moriz Benedikt obduziert und neurologisch untersucht wurde, befindet sich im Wiener Kriminalmuseum. (Wikipedia)

Keine Tragödie ohne Dummen August: Das Vaterland vom 26. April 1884 berichtet unter dem Titel

„Ein verhängnisvoller Spaß“ von einem makaber-hirnrissigen Bubenstreich:  Gestern Abends um 7 Uhr meldete ein Sicherheitswachmann dem Polizeikommissariat in der Leopoldstadt, dass sich ein Bäckergehilfe bei Herrn Georg Stingel erhängt habe, indem er die Hinrichtung Schenk’s nachahmte. Der diensthabende Polizeikommissär begab sich sogleich in die bezeichnete Wohnung und konstatierte Folgendes: Der Bäckergehilfe  Ferdinand Rybaczek, aus Hotentin in Böhmen gebürtig, 21 Jahre alt, trank gestern, als am Namenstage seines Meisters, mehr als  er vertragen konnte, und in seiner ausgelassenen Laune äußerte er, dass er Hugo Schenks Hinrichtung „spielen werde“. (…) Rybaczek, welcher betrunken war, nahm einen Strick, welche zum Zusammenbinden des sogenannten „Löschwischers“ bestimmt war, befestigte denselben an der am Ofen an zwei Haken angebrachten Stange, machte hierauf  eine Schlinge um den Hals und hängte sich auf. Gehilfen beachteten diese Prozedur nicht, weil (….) sie der  Meinung waren, dass er sich nur einen Spaß mache. Als sie jedoch sahen, dass er sich nicht rühre und auf die Rufe keine Antwort gab, erkannten die Arbeiter sofort den Ernst der Situation und sie beeilten sich daher, den Strick zu durchschneiden.  Mit Hilfe eines herbeigerufenen Arztes wurde Rybaczek wieder ins Bewusstsein zurückgerufen und hierauf (…) in einem Wagen in das allgemeine Krankenhaus gebracht. Heute befindet sich der Unvorsichtige bereits außer Gefahr.

Transkript Ende

Quellen:

meine meinung

„Hugo Schenk, ein Mann in besten Jahren, suchet Mädchen, reich und unerfahren“: Noch heute rinnt es mir eisig kalt über den Rücken, wenn Helmut Qualtinger mit Grabesstimme diese unheilverkündenden Zeilen singt. Nicht zuletzt, weil Heiratsschwindler*innen bis heute ihre Opfer finden, diesmal eben öfter im Internet als über Zeitungsannoncen. „Love Scam“ nennt man das: „Liebesbetrug“. Denn wo das Herz sich verzweifelt nach Romantik sehnt, setzt der Verstand aus, bei Männern und Frauen gleichermaßen – und man kann von Glück reden, wenn sich der Schaden aufs Finanzielle beschränkt. Es gibt auch heute noch genug „unmenschlich herzlos Ungeheuer“…

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(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828

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