Hansi Niese: Mit einem ganz einem harten „k“

Wie gewohnt finden Sie hier am 4. Montag des Monats das „Zitat des Monats“. Es stammt von der zu ihrer Zeit äußerst beliebten Volksschauspielerin Hansi Niese und ist ein Zitat aus dem Film „Purpur und Waschblau“ von 1931.

Zitat des Monats

Unser Zitat des Monats stammt diesmal von Hansi Niese (1875-1934).

Bildquelle: Wilhelm Willinger (1879–1943), Hansi Niese (1875–1934) ~1930 © Wilhelm Willinger (1879–1943), als gemeinfrei gekennzeichnet

„Ich protestiere kategorisch – ‚kategorisch‘ schreiben Sie mir bitte mit einem ganz einem harten ‚k‘.“ (Hansi Niese in „Purpur und Waschblau“)

Vom 15.3.2020-28.1.2022 war die Sonderausstellung des Bezirksmuseums zum Thema „Kino, Theater, Varieté“ zu sehen.

Passend dazu präsentierte Dr. Nikolaus Wostry, Geschäftsführer des Filmarchiv Austria, am 21.1.2022 im Museum den Film „Purpur und Waschblau“ mit Hansi Niese und hielt einen Einführungsvortrag. Diesen können Sie auf unserem YouTube-Kanal nachsehen.

Purpur und Waschblau ist ein Komödie aus dem Jahr 1931 von Max Neufeld (1887-1967) mit Hansi Niese (1875-1934), Fred Döderlein (1906-1985) und Alfred Neugebauer (1888-1957).

Die Handlung spielt im fiktiven Fürstentum Weißenburg. Frau Leitenberger, die ebenso resolute wie herzliche Chefin eines Wäschereibetriebes, sieht der Fürstin des kleinen Staates täuschend ähnlich. Die Wäscherin muss, als das Volk sich zu erheben droht, für die Fürstin einspringen. Doch die Revolution ist nicht aufzuhalten … Der Film ist auf die berühmte Wiener Volksschauspielerin Hansi Niese zugeschnitten und auf ihre Doppelrolle hin – Waschfrau und Fürstin – inszeniert.“ (https://www.film.at/purpur_und_waschblau)

Szenenfoto aus „Purpur und Waschblau“ mit Hansi Niese und Fritz Straßny

Aus dem Film „Purpur und Waschblau“ stammt auch das obige Zitat. Barbara Leitenberger diktiert in dieser Szene dem Advokaten Dr. Weislein (dargestellt von Fritz Strassny, mehr zu ihm weiter unten) einen geharnischten (sich in empörten, scharfen Worten gegen etwas äußernd und sich damit an jemanden wendend) Brief an die Fürstin Anna Maria von Weißenburg , da ihr diese das Recht (das Privileg, das Priv), den Bach zum Wäsche waschen zu nutzen, entziehen will.

Hier der Brief, der im Film diktiert wird, in vollem Wortlaut:
Ein Unrecht ist es, mir das Priv wegzunehmen. Haben Sie “Unrecht”? Unterstreichen Sie es bitte – 3x. Ich protestiere kategorisch – “kategorisch” schreiben Sie mir bitte mit einem ganz einem harten “k”. Es ist natürlich leicht, gegen ein zartes, schwaches Weib aus dem Volke vorzugehen, wenn man als Fürstin die Macht hat.

Wäscheblau (auch Waschblau, Neublau) wurde – hauptsächlich für weiße Textilien – verwendet , um die Wäsche aufzuhellen. Seit dem 18./19. Jahrhundert bis in die 1950er Jahre wurde beim Waschen sogenanntes Waschblau in Form von Tabletten, Pulver, Papierstreifen oder Paste in das Wasser des letzten Spülgangs gegeben. (Wikipedia)

Wäscheblau, © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), Museum Uranbergbau – Wäscheblau-9681CC BY-SA 4.0

Johanna Jarno-Niese – wie sie eigentlich hieß – wurde am 10. November 1875 in Wien geboren. Sie war eine österreichische Schauspielerin und Operettensängerin (Stimmlage Sopran). Die anfängliche Autodidaktin wurde eine der beliebtesten Schauspielerinnen der Monarchie

(Johanna) Hansi Niese, Unknown author, Johanna Niese, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Hansi Niese – verbindendes Element zwischen Kino, Theater und Varieté in Rudolfsheim-Fünfhaus 

Hansi Niese trat sowohl im Rudolfsheimer Volkstheater (Debüt 1888 mit 13 Jahren) und im Theater Varieté Colosseum in der Schanzstraße auf, war aber auch in den Kinos des Bezirks zu sehen, Diese standen in den 1930er-Jahren immer wieder auf dem Programm der zahlreichen Kinos in Rudolfsheim-Fünfhaus, wie etwa dem Schwenderkino (damals Lehnerkino) in der Mariahilferstraße 196, dem Handl-Kino in der Mariahilferstraße 160 oder dem Apollokino in der Schanzstraße 2-4. 

Hansi Niese war auch bei der Abschiedsvorstellung des Rudolfsheimer Volkstheaters dabei, Theaterzettel der „Abschieds-Festvorstellung“ am 26. April 1897

Hansi Niese im Film 

Als Filmschauspielerin war Hansi Niese erstmals 1913 in dem Stummfilm „Johann Strauß an der schönen blauen Donau“ und ein Jahr später bereits in einer Hauptrolle in „Frau Gertrud Namenlos“ zu sehen. 
 
In den 1930er-Jahren spielte sie in zahlreichen – nun schon – Tonfilmen meist Hauptrollen, etwa in „Purpur und Waschblau“ (1931) oder „Kaiserwalzer“ (1933) mit Martha Eggerth  und  Paul Hörbiger. 

Ihre Majestät: die Niese

1931 Moderne Welt Jg. 12 Heft 13 Seite 57, ANNO

Transkript

Ihre Majestät: Niese

Die Welt ist arm geworden an Majestäten. Sie haben im republikanischen Zeitalter nichts mehr zu suchen und doch schreit das Volk: „Le roi est mort, vive le roi“. Es will, auch nachdem es die Throne gestürzt hat, seine Majestäten haben, will für jemanden das Knie beugen, will huldigen. Und die anderen sonnen sich in dieser Popularität. Kein gekrönter Herrscher hatte einen solchen Empfang wie Chaplin. Auch Schmeling kann sich in der Gunst des Volkes sehen lassen. Der Film gebiert die Majestäten unserer Zeit. Der Sport stellt die Gegenkönige auf.

Ein klein wenig anders ist die „königliche“ Karriere der Niese. Sie hat sich von der Rampe aus in die Herzen, besonders der Wiener hineingespielt. Sie war schon Kronprätendentin, ehe sie von der österreichischen Sascha Filmgesellschaft entdeckt und in „Purpur und Waschblau“ zur Majestät erhoben wurde.


Frau Niese hat schon seinerzeit im stummen Film „Frau Gertrud“ gespielt. Das Milieu hat ihr nicht zugesagt. Damals schwor sie „nie wieder zum Film“. Frauen sollen nicht schwören. Heute ist sie Star der Sascha. Zum großen Erfolg der Hundemutter im Sturm im Wasserglas gesellt sich nun ihr Erfolg in „Purpur und Waschblau“. Unsere Referenz und ergebene Huldigung – Majestät Niese.

Transkript Ende

Hansi Nieses Ehemann Josef Jarno (1866-1932) (eigentlich Josef Kohner) war ein österreichischer Schauspieler und Theaterdirektor. Er war der Bruder des zwei Jahre jüngeren Opern- und Operettenkomponisten Georg Jarno (Wikipedia). Jarno starb am 11. Januar 1932 hochverschuldet in Wien. Hansi Niese nahm bis zuletzt alle Auftrittsangebote an, um die Schulden zu begleichen, obwohl sie bereits herzkrank war. Ein Jahr nach ihrem Mann starb Tochter Johanna, ebenfalls Schauspielerin, mit 32 Jahren an einer Lungenentzündung. Nach diesen Schicksalsschlägen war Hansi Niese eine gebrochene Frau. Ihren letzten Film – „Die Töchter ihrer Exzellenz“ – drehte sie 1934. Sie starb am 4. April 1934 in Wien mit nur 59 Jahren.

„Aus dem Dunkel des Alltags in das Licht des Frohsinns“

1934 Mein Film, Nr. 433, S. 6-7, ANNO

Transkript

Hansi Niese lebt nicht mehr

Man muss es öfters aussprechen, – man kann es sonst nicht glauben, daß Hansi Niese, diese lebenssprühende, temperament- und humorvolle, herzenswarme, prachtvolle Frau, nicht mehr unter den Lebenden weilt! War Hansi Niese, doch der Frohsinn der lachende Optimismus in persona, wie man ihn für unverwüstlich und unvergänglich hält!

Eine Künstlerin von Einmaligkeit ist mit Hansi Niese dahin gegangen, eine echt wienerische Schauspielerin, deren reiches, tiefes, herrliches Gemüt nur auf den Boden Wiens sich hatte entfalten können, ein Wien-Symbol gleich Alexander Giradi, wurzelnd in der saftigen Erde dieser Stadt gedeihend in der von Liebe und Musik getragenen Atmosphäre Wiens! Wohl die größte Volksschauspielerin der jüngsten Jahrzehnte war Hansi Niese. Wer sie nicht nur in Schwänken auf der Bühne gesehen hat, sondern auch in Rollen, die von Dichtern gestaltet wurden (“Rose Bernd”, “Julie” in “Liliom”, “Frau Wulffen” in “Biberpelz”, “Hanne Scheel” in “Fuhrmann Henschel”, “Frau John” in “Ratten” usw.), der konnte erst so recht die Bedeutung Hansi Nieses beurteilen. Aber die Niese, diese hervorragende Menschengestalterin, hat auch weniger gewichtige Rollen so verlebendigt, daß der Mensch zum Vorschein kam, und ob sie in einer Posse oder in einer Tragödie spielte, – Hansi Niese packte das Publikum, riß es zu Lachstürmen hin oder erschütterte es zutiefst. Die Niese dirigierte ihr Publikum mit dem Herzen; es ging mit ihr und wohin sie nur wollte!

Was Hansi Niese in fast fünfundvierzig Jahren, die sie dem Theater angehört, auf der Bühne kreierte und spielte, ist nicht wiederzuerwecken; nur die Erinnerung daran ist denen, die Hansi Nieses Kunst miterleben durften, geblieben. Der Tonfilm darf das schöne Verdienst für sich in Anspruch nehmen, Erscheinung, Geste, Mimik und Sprache Hansi Nieses lebendig erhalten zu haben! Da ist die Volksschauspielerin Hansi Niese (wenn auch nur als Schwarz-Weiß-Schatten des Filmbildes) wenigstens noch für die kommende Generation in ihrem Wesen und mit ihrer Kunst bewahrt und der Begriff „Hansi Niese” bleibt so lange noch bestehen!

Spät ist Hansi Niese zum Film gekommen, aber gerade zu einer Zeit, da die technische Vervollkommnung des tönenden Films so weit vorgeschritten war, daß Spiel und Stimme Hansi Nieses lebensverwandt reproduziert werden konnten. Hansi Nieses Kunst triumphierte auch im Film. Hansi-Niese-Filme waren die bedeutendsten Erfolge und die Heiterkeit, die von ihnen ausging, erfreute Millionen dankbarer Herzen! Hansi Nieses Fröhlichkeit beglückte die Masse der Kinobesucher, hob sie aus dem Dunkel des Alltags in das Licht des Frohsinns und der guten Laune!

Die Wiener Volksschauspielerin Hansi Niese hat auch in Wien zum ersten Mal gefilmt. Von Wien aus eroberte die Niese das Kinopublikum Deutschlands und aller deutschsprachigen Länder. Die Hansi-Niese-Filme zogen in die Welt. Und dann rief man Hansi Niese nach Berlin, wo sie in vielen Filmen mitwirkte, um dann einige Zeit später ihre Tätigkeit wieder in Wien aufzunehmen. Dazwischen gastierte sie auf dem Theater in Deutschland, in Österreich, in der Tschechoslowakei. Zuletzt führte sie eine Tournee in die Schweiz. In Berlin arbeitete sie noch im März an den Film “Die Töchter ihrer Excellenz”.

Und nun ist Hansi Niese nicht mehr! Ihr liebes gutes Herz hat die Strapazen eines arbeitsreichen Lebens nicht länger ertragen können. Geschwächt, hörte es mit einem Male zu schlagen auf. Hansi Niese ist tot. Aber sie lebt fort bei allen, die sie kannten und im – Film!

Transkript Ende

Die Familie Niese-Jarno wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem Ehrengrab bestattet. Sohn Hans Josef, selbst evangelisch getauft und mit einer Jüdin verheiratet, emigrierte 1938 nach Kalifornien, und war dort als Kinounternehmer tätig. Nach seinem Tod im Jahr 1964 wurde er ebenfalls im Familiengrab in Wien bestattet. (Vernik-Eibl Sabine: Leben und Werk der Komponisten Georg Jarno und Leo Ascher, Dissertation, Wien 2011: S. 117).

Grab von Hansi Niese am Zentralfriedhof, Wiener Friedhöfe

Im Jahr 1935 wurde in Wien im 19. Bezirk, Döbling, die Hansi-Niese-Gasse und 1955 im 13. Bezirk, Hietzing, unweit ihres Kindheitsdomizils der Hansi-Niese-Weg nach ihr benannt. 1952 wurde neben dem Volkstheater in Wien das Hansi-Niese-Denkmal, gestaltet von Josef Müllner, enthüllt. 

Hansi-Niese-Denkmal neben dem Volkstheater, Lennart ReymannHansi NieseCC BY-SA 3.0 AT

Fritz Straßny (1868-1942, ermordet im Ghetto Theresienstadt)

Fritz Straßny als Dr. Weislein mit Hansi Niese in „Purpur und Waschblau“, Szenenbild Filmarchiv Austria

Fritz Straßni, auch Fritz Strassni und Fritz Strassny, geborener Friedrich Straßny oder Friedrich Stiassny war ein österreichischer Schauspieler und nahezu drei Jahrzehnte lang ein gefeierter Charakterstar des Wiener Burgtheaters.

Er debütierte am 11. November 1894 im Theater in der Josefstadt in der Pantomime „Der Buckelhans“. Von 1909 bis 1938 war Fritz Straßny Ensemblemitglied des Burgtheaters und wurde schließlich zum Kammerschauspieler ernannt.

In den 1920er Jahren trat der Bühnenkünstler auch in einer Reihe von Stummfilmen auf und spielte ausschließlich Nebenrollen – Honoratioren und gesetzte Charaktere wie Ärzte und Väter, Kanzler und Professoren.

Fritz Straßny in dem Film „Walpurgisnacht“, 1923 Die Filmwelt Heft 2 Seite 5, ANNO

1926 erhielt Straßny das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.

1926-04-08 Reichspost, ANNO

Nach der Annexion Österreichs im März 1938 wurde der jüdische Künstler augenblicklich aus dem Burgtheater entlassen.

Am 27. August 1942 wurde er mit Transport 38 Zug Da 507 von Wien Theresienstadt, Ghetto, Tschechoslowakei in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er zweieinhalb Wochen darauf unter ungeklärten Umständen ermordet wurde. (Wikipedia)

Quellen

Verstand, Herz und gute Laune

Der Untertitel unseres Blogs lautet „DER KulturBlog aus Wien Rudolfsheim-Fünfhaus für Verstand, Herz und gute Laune, bei dem es um Menschen & Themen aus dem 15. Wiener Gemeindebezirk in Vergangenheit und Gegenwart geht.“

Den Zusatz „für Verstand, Herz und gute Laune“ gibt es seit 27.6.2021. Er ist eine Hommage an die Zeitschrift „Oesterreichisches Bürgerblatt für Verstand, Herz und gute Laune“, die von 1819-1857 (vom 6.1.1819-1819-29.7.1835 unter diesem Titel, dann in Variationen) im Verlag Friedrich Eurich erschien.

Wir identifizieren uns nicht mit der Ausrichtung dieser Zeitschrift. Diese drei Worte haben uns aber angesprochen, weil sie sehr anschaulich das ausdrücken, wofür wir stehen und weil die Kombination einfach genial ist 😉

Wir sind ständig bestrebt, unser Wissen über die Geschichte des 15. Bezirks zu erweitern und möchten diese Erkenntnisse auch an Sie als Leserinnen und Leser dieses Blogs weitergeben (Verstand) und wir berichten hauptsächlich über jene Menschen, die sonst keine Stimme hatten, wir möchten sie und ihr Leben sichtbar machen (Herz). Aber selbstverständlich soll auch der Humor nicht kurz kommen, denn er erleichtert das Leben und auf diesem Wege lässt sich auch sehr viel an Wissen transportieren (gute Laune).

Liebe Leserin, lieber Leser!

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Dann schreiben Sie doch einfach einen Kommentar. Nützliche Inhalte mit Quellenangabe bauen wir – mit Verweis auf Ihren Kommentar – gerne noch in den Text ein. Alternativ können Sie uns auch ein Mail an office@bm15.at schicken!

Oder wie es Anton Ziegler 1828 (*) so schön ausgedrückt hat:

Jede Belehrung und Berichtigung, welche in Beziehung auf größere Vervollkommnung und Gemeinnutzmachung dieser Herausgabe beabsichtigt ist, wird mit dem ausgezeichnetsten Danke empfangen.

(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828

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