Diesmal geht es in den Bezirks[Museums]News & Oldies um den Arzt Stefan Avedig, nach dem eine Gasse in Rudolfsheim-Fünfhaus benannt ist.
- Ein Arzt in Braunhirschen
- Ein Opfer der Märzrevolution
- Wer war Stefan Avedig?
- Die Familie von Stefan Avedig
- Quellen / Literatur
Ein Arzt in Braunhirschen
Am 12. März 2023, dem „Tag der Wiener Bezirksmuseen“ wurde, wie seit vielen Jahren üblich, die neue Sonderausstellung eröffnet: „Bildung in Rudolfsheim-Fünfhaus – einst & jetzt“.
So schön das einerseits ist, dass es eine neue Ausstellung gibt, bedeutet der Beginn einer neuen Sonderausstellung auch immer das Ende der vorherigen Sonderausstellung. (Keine Angst, die Apotheker- und Apothekenserie, die im Rahmen der letzten Sonderausstellung von mir begonnen wurde, wird fortgesetzt. Darüber gibt es noch genug zu Schreiben.)
Aber das Ende der Ausstellung „Medizin – Gesundheit – Wohlbefinden“ ist doch auch der ideale Zeitpunkt, sich noch an jemanden zu erinnern, der im Rahmen der Ausstellung, aufgrund dessen, dass wir bisher nur sehr wenig über ihn wissen, ein wenig untergegangen ist: Doktor Stefan Avedig, im 19. Jahrhundert Arzt in Braunhirschen bzw. Rudolfsheim.
Ein Opfer der Märzrevolution
Während der Märzrevolution wurden mehrere Menschen getötet. Stefan Avedig war nicht unter den Toten, aber ebenfalls Opfer der Märzrevolution. Er dürfte jedoch, zumindest im Vergleich zu denen, welche ihr Leben verloren, relativ glimpflich davon gekommen sein.
In den frühen Morgenstunden des 14. März 1848 wurde die Wohnung von Stefan Avedig geplündert. Nach Edgar Weyrich warf der Pöbel, der in der Nacht vom 13. auf den 14. März 1848 in den Dörfern wütete, alle beweglichen Sachen, die sich in seiner Wohnung befanden, so das Bettzeug und die Möbel und sogar ein Klavier aus dem Fenster. (Falls Stefan Avedig tatsächlich auch der Besitzer dieses Klaviers war, war es um seine finanziellen Verhältnisse damals ganz gut bestellt.)
Die Aktion des Pöbels galt wohl weniger seiner Person, sondern war dem Umstand geschuldet, dass sich seine damalige Wohnung im Amtshaus der Herrschaft Braunhirschen befand. Über dieses berichtet Edgar Weyrich, dass die Amtsräume erbrochen und sämtliche Akten, gestempelte Schriften sowie die Waisen- und Steuerbücher zerrissen, vernichtet und verbrannt wurden. Der Überlieferung nach soll es der Amtsschreiber der Herrschaft Braunhirschen, Johann Meisel (1821 – 1890), gewesen sein, der die Grundbücher retten konnte. Der Pöbel zertrümmerte Möbel und Geräte, demolierte das Gebäude und zwang den herrschaftlichen Verwalter und seine Familie zu fliehen. Vom Amtshaus zog der Pöbel weiter zur Reindorfkirche. Ehe er diese verwüsten oder gar zerstören konnte, gelang es jedoch ihn zu stoppen.
Die Information, dass Dr. Stefan Avedig als Arzt eine Dienstwohnung im Amtshaus der Herrschaft Braunhirschen bewohnte, findet sich in der Buchliteratur. Nach einem Artikel im „Illustrierten Wiener Extrablatt“ vom 25. August 1901 soll der Arzt jedoch schon damals in Braunhirschen 49 gewohnt haben. Es soll diese Wohnung gewesen sein, welche vom Pöbel heimgesucht wurde. Wo sich auch immer der Tatort befunden haben mag, dem Pöbel wird es wohl egal gewesen sein. Der im Zusammenhang mit der Heimsuchung genannte Johann Meisel, der es später im Dienst der Gemeinde Rudolfsheim bis zum Kanzleirat brachte, und Stefan Avedig werden sich jedenfalls gekannt haben.
Wer aber war Stefan Avedig, der immerhin als Namensgeber für die Avedikstraße die Zeit überdauert. Wir wissen nicht viel über ihn.
Wer war Stefan Avedig (1804-1884)?
Stefan bzw. Istvan Avedig wurde am 19. August 1804 in Neusatz (heute Novi Sad) geboren. Sein Geburtsort war damals Teil des ungarischen Königreiches. Heute befindet er sich in Serbien. Stefan Avedig war Katholik und stammte aus bürgerlichen Verhältnissen. Er hatte armenische Vorfahren. Sein Vater war der Bürger Carl Avedig, die Mutter hieß Josefa. Stefan Avedig hatte einen Bruder, Carl Avedig, der sein Leben in Neusatz verbrachte und mit dem er noch 1848 Kontakt hielt.
Vermutlich war es das Medizinstudium, das Stefan Avedig nach Wien brachte. An der Wiener Universität promovierte er 1831 zum Doktor der Medizin. Zu diesem Zeitpunkt wohnte er in der Wiener Vorstadt Laimgrube, Haus 82.
Kurz darauf ließ er sich als Arzt in der Herrschaft Braunhirschen nieder. Nach der Aufhebung der Grundherrschaften um 1848/50 blieb er als Arzt in dem zur Gemeinde erhobenen Vorort Braunhirschen, wo er bis ca. 1880 seinen Beruf ausübte. Zumindest um 1848 war er nicht der einzige in Braunhirschen ansässige Arzt. So findet sich bei Michael Hahn auf der Adresse Braunhirschen 33 noch der Wund- und Geburtsarzt Karl Hoyer. Da Stefan Avedig Doktor der Medizin bzw. ein „Bucharzt“ war, werden die beiden wohl kaum Konkurrenten gewesen sein.
Stefan Avedig, wohnte noch um 1860 in Braunhirschen 49 (später Marktgasse 25, heute Schwendergasse 29).
Er gehörte außerdem viele Jahre dem Gemeinderat von Braunhirschen an. Nicht klar ist, ob er dem Gemeinderat noch nach dem Zusammenschluss der Gemeinden Braunhirschen, Reindorf und Rustendorf zur Großgemeinde Rudolfsheim angehörte. Irgendwann nach 1860 und vor 1884 übersiedelte er in das benachbarte Fünfhaus.
Angeblich war Stefan Avedig sehr gutherzig. Will man einigen Zeitungsberichten Glauben schenken, soll er sich besonders für die ärmere Bevölkerung eingesetzt haben, deren medizinischer Betreuung er auch nachkam, wenn sie ihn dafür nicht bezahlen konnte. Wegen seines sozialen Engagements wurde die Bahngasse (oder Eisenbahngasse) nach der Eingemeindung von Fünfhaus und Rudolfsheim nach Wien am 13. Juli 1894 in Avedikstraße umbenannt.
Dass diese frühere Bahngasse bis heute Avedikstraße und nicht Avedigstraße heißt, dürfte uns jedenfalls als Menschen des 21. Jahrhunderts befremden. Im 19. Jahrhundert allerdings war es keineswegs üblich, auf eine einheitliche Namensschreibung zu achten.
Stefan Avedig starb am 29. März 1884 in Fünfhaus mit 80 Jahren an Altersschwäche. Diese Angabe findet sich zumindest als Todesursache in den Pfarrmatriken der Pfarrkirche Fünfhaus. Zum Zeitpunkt seines Todes wohnte er auf der Adresse Henriettenplatz 3 in Fünfhaus. Am 30. Mai 1884 wurde er aus seiner Wohnung in die Kirche Maria vom Siege gebracht und von dort auf den Baumgartner Friedhof, wo er beigesetzt wurde. Sein Grab, in dem nur einen Monat nach seinem Tod auch seine Tochter Seraphine Avedig beigesetzt wurde, scheint nicht erhalten geblieben zu sein.
Ein knapper Nachruf in der „Morgen-Post“ vom 30. März 1884 steht nicht im Widerspruch zu den Angaben in den Pfarrmatriken, bezeichnet den Tod von Stefan Avedig aber als eine Erlösung für ihn, da er bereits seit 3 Jahren vollständig gelähmt und es um seine materielle Lage zu dieser Zeit sehr schlecht bestellt war. Abgesehen davon wird im Artikel der Kontrast zwischen dem, was Stefan Avedig als erfolgreicher Universitätsabsolvent und Arzt einmal war und dessen Lage zum Zeitpunkt seines Todes als Behinderter, der ein Armenbegräbnis erhielt, drastisch hervorgehoben. Stefan Avedig ist bei ihm das Opfer seiner Gutherzigkeit, wobei eine leidgeprüfte Gattin und die ans Bett gefesselte Tochter erwähnt sind. Da die Morgen-Post keineswegs eine besonders seriöse Zeitung war, sind diese Angaben mit Vorsicht zu genießen, obwohl der frühe Tod von Avedigs Tochter Seraphine, die ihren Vater nicht lange überlebte, dazu passt.
Für die Zeit zwischen 1880 und 1885 haben sich einige Mitteilungen erhalten, in denen zu Spenden für Stefan Avedig und nach seinem Tod auch für seine Witwe aufgerufen wird. Die letzten Lebensjahre dürften für Stefan Avedig und seine Familie nicht einfach gewesen sein, nachdem er sich bei einem Sturz im Jahr 1880 die Hand gebrochen hatte. Wenig später sorgten Lähmungen in seinen Füßen dafür, dass er nicht mehr laufen konnte. In den Monaten danach dürfte sich seine Mobilität noch weiter verschlechtert haben. 1881 drohte ihm die Delogierung.
Die Familie von Stefan Avedig
Stefan Avedig war mit Walburga Schieferl (1826 – 15. Oktober 1894, Liezen) verheiratet, der Tochter des Fleischhauermeisters Joseph Schieferl und seiner Ehefrau Josepha. Ihre Familie war vielleicht in Fünfhaus ansässig, zumindest findet sich der Name Schieferl unter Hausbesitzenden, allerdings erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Die Hochzeit fand am 28. August 1847 in Meidling statt.
Walburga Avedig wurde am 25.1.1826 in Untermeidling 29 (=Tivoligasse 3). Ihre Eltern waren Josepha Schieferl, geb. Berzl und Joseph Schieferl, Fleischhauermeister.
Nach Joseph Schieferl ist auch das sogenannte „Schieferlkreuz“ in Meidling benannt. Dazu weiß Wikipedia:
„Das Schieferlkreuz befindet sich an der Ecke Breitenfurter Straße und Wienerbergbrücke. Das auch Weißes Kreuz genannte Schieferlkreuz erhielt seinen Namen nach dem Meidlinger Fleischhauer Josef Schieferl (1786–1847), der den Bildstock auf eigene Rechnung hat herrichten lassen. Wann das ursprüngliche Kreuz entstanden ist, weiß man nicht. Nach einer Sage soll an der Stelle des Schieferlkreuzes im Mittelalter ein Ritter eingemauert worden sein. 1920 wurde eine Tafel angebracht, aus der hervorgeht, dass Friedrich und Betty Fischer das Schieferlkreuz zur Ehre Gottes und zur Erinnerung an die schwere Zeit renovieren ließen.“
Walburga Avedig, die 22 Jahre jünger als ihr Ehemann war, überlebte diesen um 10 Jahre. Als Witwe lebte sie zuletzt bei ihrem Sohn Oscar, spätestens, nachdem dieser sich eine Existenz bei der Bahn aufgebaut hatte. Ihre letzten Lebensjahre, vielleicht waren es auch nur Monate, verbrachte sie in Liezen, wo sie am 15. September 1894 in der Dienstwohnung im Bahnhof an einem Lungenödem verstarb. Beigesetzt wurde sie am Ortsfriedhof in Liezen. Ein Nachruf in der „Steirischen Alpenpost“ bezeichnet sie als eine „von allen hiesigen [Liezener] Gesellschaftskreisen hochgeachtete Dame“.
Vielen Dank an dieser Stelle an Krisztián Kovács, einem Nachfahren der Familie Avedig. der uns viele wertvolle Hinweise und Unterlagen zur Familie Avedig weitergeleitet hat.
Ezúton is köszönet Kovács Krisztiánnak, az Avedig család leszármazottjának, aki sok értékes tippet és dokumentumot adott át nekünk az Avedig családról.
Stefan und Walburga Avedig hatte mehrere Kinder, von denen nach einem Hinweis in der ungarischen Wikipedia, wo es zu ihm einen Artikel gibt, nur drei erwachsen wurden: Walburga, Oscar und Seraphine.
In einer Parte, die leider keine konkreten Angaben über die Familie von Stephan Avedig enthält, wird er immerhin als Großvater bezeichnet. Die Mutter seiner Enkel war seine Tochter Walburga, die 1876 Josef Hellinger heiratete. Der Bruder Oscar war nach Zeitungshinweisen um 1884 bei der Infanterie, was die Gründung einer eigenen Familie zu dieser Zeit eher ausschließt, die andere Tochter Seraphine, die wenig später starb, war unverheiratet. Die Tochter Walburga Maria Stefanie hatte (lt. ungarischem Wikipedia-Eintrag) insgesamt einen Sohn und 7 Töchter, deren Nachkommen heute noch leben.
Walburga Maria Stefanie wurde am 4. Mai 1853 in Braunhirschen 49 geboren.
Am 26. Februar 1876 heirate Walburga Maria Stefanie Avedig Josef Karl Maria Hellinger in der Pfarre Reindorf.
Oscar wurde am 13. Februar 1859 geboren.
Oscar Avedig war zunächst in der k.k. Armee und arbeitete später als Eisenbahner bei den Österreichischen Staatsbahnen. Um 1894 war er Stationsvorstand in Liezen.
Oscar Avedig starb am 31.10.1900 in Wien wie sein Curator Franz Wakonigg in einer Todesanzeige in der Neuen Freien Presse bekannt gab. Er sei „im 42. Lebensjahre in der Heilanstalt in Wien (…) von seinem langjährigen Leiden durch den Tod erlöst“ worden.
Seraphine Avedig wurde am 6. Juni 1860 in Braunhirschen 49 geboren und starb bereits am 29. April 1884 in Fünfhaus an Lungentuberkulose. Am 1. Mai 1884 wurde sie bei ihrem Vater am Baumgartner Friedhof beigesetzt. Nach einem Zeitungsbericht hatte sie ihn trotz ihrer Krankheit noch bis Mitte März 1884 aufopfernd gepflegt, war dann aber selbst bettlägrig gewesen.
Quellen / Literatur
- Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Kremayr & Scheriau, Wien, 1992. ISBN 3-218-00543–4. Bd. 1, S. 215f.
- Edgar Weyrich: Rudolfsheim und Fünfhaus. Ein Heimatbuch. Selbstverlag, Wien, 1922, S. 167 (Hinweis zur Plünderung der Wohnung im März 1848), S. 168 (Märzgefallene) und S. 269
- Illustrirtes Wiener Extrablatt, 25. August 1901 (Bericht über die Wohnungsplünderung)
- Pfarrmatriken Liezen, Fünfhaus und Reindorf
- Parte vom 29. März 1884 auf Wikimedia Commons, Link dazu: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Avedig_István_gyászjelentése.jpg
- Morgen-Post vom 30. März 1884 und (Neuigkeits) Welt Blatt vom 1. April 1884 (Nachrufe zu Stefan Avedig)
- Steirische Alpenpost vom 21. Oktober 1894 (Nachruf zu Walpurga Avedig, geb. Schieferl)
- Wiener Allgemeine Zeitung vom 1. Mai 1884 und Neue Freie Presse vom 1. Mai 1884 (Todesmeldung zu Seraphine Avedig)
Ergänzungen zum Werdegang und Leben von Stefan Avedig, die allerdings kritisch zu hinterfragen sind, ergeben sich durch einige Hinweise aus Zeitungsartikeln, die in der Datenbank ANNO abgerufen werden können, so zum Beispiel: Wiener Zeitung vom 2. August 1832, Neue Freie Presse vom 2. Februar 1861, Österreichische Badezeitung vom 24. April 1881 oder Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) vom 7. März 1884; außerdem auch Nennungen im Blatt Cur- und Fremden-Liste des Curortes Baden bei Wien, in den Heften aus den Jahren 1852 (Nr. 85), 1854 (Nr, 25) und 1863 (Nr. 76)
Weitere Hinweise außerdem bei:
Michael Hahn: Der Bezirk Sechshaus. Eine Beschreibung der Ortschaften Braunhirschen, Fünfhaus, Gaudenzdorf, Ober- und Untermeidling mit Wilhelmsdorf, dann Reindorf, Rustendorf und Sechshaus in historischer, topographischer, statistischer, commerzieller und industrieller Beziehung. Ferdinand Ullrich, Wien, 1853
Ungarische Wikipedia, Link dazu: https://hu.wikipedia.org/wiki/Avedig_István
Übersetzung der ungarischen Wikipediaseite:
Dr. István Avedig oder Dr. Stefan Avedig (Novi Sad, 1804. 19. August -Fünfhaus (seit 1892 ein Stadtteil von Wien), 1884. 29. März 1884) Arzt, Wohltäter der Armen.
Neben der ungarischen Form wird sein Name in verschiedenen ausländischen Schriften auch in anderen Formen verwendet, z. B. Stefan Avedig (sein eigener Name), Stephan Avedig (Deutsch), Stephanus Avedig (Lateinisch), Stefan Awedyk (Polnisch) und Stéphan Avedig (Französisch).
Herkunft
Er wurde am 19. August 1804 in Novi Sad geboren, sein Vater war Carl Avedig, seine Mutter Josefa N. (Die überlieferte Geburtsurkunde nennt nicht den Nachnamen der Mutter, sondern nur ihren Vornamen).
Studienzeit
Er studierte zunächst Medizin in Pest und schloss 1831 sein Medizinstudium an der Medizinischen Universität Wien ab. Danach praktizierte er sein Leben lang in Wien und Umgebung.
Sein einziges gedrucktes Werk ist Dissertatio inauguralis medica de ophtalmia (Vindobonae/Wien 1831). (Die Ophthalmia neonatorum ist eine eitrige Bindehautentzündung, die durch Gonokokken oder Chlamydien ausgelöst wird und in den ersten 28 Lebenstagen auftritt. Unbehandelt kann sie zur Blindheit führen.)
Der obige Titel ist nur ein abgekürzter Titel des Werkes, der vollständige Titel des Werkes lautet: DISSERTATIO INAUGURALIS MEDICA de OPHTALMIA NEONATORUM, quam Consensu et Auctoritate EXCELLENTISSIMI, AC ILLUSTRISSIMI DOMINI PRAESIDIS ET DIRECTORIS, PERILLUSTRIS AC SPECTABILIS DOMINI DECANI, nec non CLARISSIMORUM D. D. PROFESSORUM pro DOCTORIS MEDICINAE LAUREA RITE OBTINENDA IN ANTIQUISSIMA AC CELEBERRIMA UNIVERSITATE VINDOBONENSI publicae disquisitioni submittit Stephanus Avedig, Hungarus Neoplantensis
Bei diesem Werk handelt es sich um eine in lateinischer Sprache verfasste Dissertation von István Avedig an der Medizinischen Universität Wien. Das Werk wurde 1831 vom Orden der Mechitarier in Wien herausgegeben (auf Lateinisch Vindobonae) und umfasst 22 + 2 Seiten + Titelblätter. Einige Exemplare des Werks befinden sich noch heute, zum Beispiel in der Széchényi-Nationalbibliothek (Budapest), im Medizinhistorischen Museum, der Bibliothek und dem Archiv von Semmelweis (Budapest), in der Bibliothek der serbischen Matica (Novi Sad), der Bibliothek der römisch-katholischen Pfarrei St. Nikolaus in Breslau, die Bibliothek der Medizinischen Universität Wien, die Hauptsammlung der Universitätsbibliothek von Cluj-Napoca und die National- und Universitätsbibliothek von Straßburg.
Medizinische Tätigkeit
István Avedig begann nach dem Abschluss seines Medizinstudiums in der Umgebung von Wien zu praktizieren. Als Heiler und Wohltäter der Armen in der Umgebung von Wien versorgte er viele Menschen, die nicht genug Geld hatten, um dafür zu bezahlen (damals gab es noch keine Sozialversicherung, so dass die medizinische Versorgung in der Regel nur denjenigen zur Verfügung stand, die sie sich leisten konnten). Trotz dieses hohen Ansehens wurde sein Haus einmal geplündert.
István Avedig praktizierte vor allem in den Gemeinden Mariahilf, Braunhirschen, Reindorf, Rudofsheim und Fünfhaus, heute im und um den 15. Wiener Gemeindebezirk, in der Nähe des Westbahnhofs, damals aber vor allem in kleinen, von Wien unabhängigen Dörfern, die von vielen armen Menschen bewohnt waren.
Am 6. Oktober 1848 brach die Wiener Revolution aus. Als der radikale Teil der Bevölkerung erfuhr, dass der kaiserliche Hof das Granatwerferbataillon Richter zur Unterstützung von Jellasic nach Pressburg schicken wollte, kam es zu Zusammenstößen mit den Truppen von General Hugo von Bredy, dem Wiener Brigadekommandeur. Am Abend wurde der österreichische Kriegsminister Latour ermordet und an einem Laternenpfahl erhängt. István Avedig war ebenfalls an den revolutionären Ereignissen in Wien beteiligt, da er als Arzt die Verwundeten der revolutionären Kämpfe behandelte. Es ist ein Brief in deutscher Sprache erhalten, den er am späten Abend des 6. Oktober 1848 an seinen Bruder Carl Avedig in Novi Sad schrieb und in dem er den Ausbruch der Wiener Revolution und die Ereignisse des Tages beschreibt, darunter die Erhängung von Kriegsminister Latour und die Straßenkämpfe. Der letzte Satz seines Briefes zeigt auch seinen Optimismus für den Freiheitskampf: „Diese Wendung der Ereignisse kann nur zum Vorteil Ungarns sein.“
Privatleben und Familie
Seine Frau war Walburga Schieferl, Tochter von Josef Schieferl und Josefa Perzl. Sie hatten drei Kinder, Walburga Maria Stefanie, Oscar und Serafine. Oscar starb im 42. Lebensjahr, Serafine im 23. Lebensjahr, und sie hatten keine Kinder. Walburga Maria Stefanie hatte insgesamt 1 Sohn und 7 Töchter, deren Nachkommen heute noch leben.
István Avedig hat drei bekannte frühere Adressen im heutigen Wien:
Windmühle, Haus Nr. 42 (nahe dem Stadtteil Mariahilf)
Braunhirschen, Haus Nr. 49 (dieses Haus lag in der Nähe der heutigen Braunhirschengasse)
Rudolfsheim, Marktgasse 25 (die Straße heißt heute Schwendergasse)
Anmerkung: Braunhirschen 49 ist die gleiche Adresse wie Marktgasse 25 (später Schwendergasse 29).
Tod und Beerdigung
István Avedig starb am 29. März 1884, um 4 Uhr morgens, im 80. Lebensjahr nach langem Leiden. Nach seinem Tod wurde sein Leichnam am nächsten Nachmittag in die Kirche Maria vom Siege in Wien gebracht und in einem Familiengrab auf dem Friedhof Baumgarten (Baumgartner Friedhof, 1140 Wien, XIV. Bezirk, Waidhausenstraße 52) beigesetzt (Parzelle 8, Reihe 1, Grab 430).
Erinnerungen
Wien
Zehn Jahre nach István Avedigs Tod, am 13. Juli 1894, wurde in Wien in unmittelbarer Nähe des Wiener Westbahnhofs eine Straße nach ihm benannt (Avedikstraße), die seither seinen Namen trägt. Der ursprüngliche Name der Avedikstraße war Eisenbahnstraße (ungarisch Vasút utca), was sich auf die parallel zur Straße verlaufenden Gleise der Westbahn bezog.
Budapest
Im Jahr 1938 wurde eine kurze, bis dahin anonyme Straße im zweiten Bezirk von Budapest nach ihm benannt. Überliefert ist ein MTI-Bericht vom 2. Mai 1938 über die Benennung der Avedik-Straße, in dem beschrieben wird, dass der Budapester Rat für öffentliche Arbeiten einen Beschluss über die Benennung oder Umbenennung mehrerer öffentlicher Plätze gefasst hatte, den der Bürgermeister zur Kenntnis genommen hatte. In dem Bericht heißt es weiter, dass die Straße in Erinnerung an den Medizinlehrer István Avedik, den Juristen Félix Avedik und die Kirchengelehrten Gábor Avedik und Lukács Avedik in Avedik-Straße umbenannt wurde. Seitdem trägt die Straße diesen Namen.
Liebe Leserin, lieber Leser!
Ihnen fehlt etwas? Sie haben weiterführende Informationen?
Dann schreiben Sie doch einfach einen Kommentar. Nützliche Inhalte mit Quellenangabe bauen wir – mit Verweis auf Ihren Kommentar – gerne noch in den Text ein. Alternativ können Sie uns auch ein Mail an office@bm15.at schicken!
Oder wie es Anton Ziegler 1828 (*) so schön ausgedrückt hat:
Jede Belehrung und Berichtigung, welche in Beziehung auf größere Vervollkommnung und Gemeinnutzmachung dieser Herausgabe beabsichtigt ist, wird mit dem ausgezeichnetsten Danke empfangen.
(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828
Gefällt Ihnen der Artikel? Dann teilen Sie ihn doch mit Ihren FreundInnen!
Schau mal, ich hab was Interessantes auf WIENfünfzehn gefunden!
Tweet
As a descendant of dr. Stephan Avedig, I was happy to read this article! Great job! Thanks for all your research!
I did some simple research in connection with my ancestors in Fünfhaus 10-12 years ago. But I learned a lot of new things about my family today. Many-many thanks to you and to the museum for it!
Krisztián Kovács
Budapest, Hungary
(Dr. Stephan Avedik and his wife had a daughter, her name was Walburga Avedik. She had one son and seven daughters. One of her daughters was called Valeria Hellinger. Valeria Hellinger had two sons: Imre Kovács and Béla Kovács. Imre Kovács is my grandfather.)
LikeLike
Dear Mr. Kovács!
I was very pleased to receive your message! It’s always nice to hear that our blog articles are read and also helpful!
We would be very happy if you had information about Walburga Hellinger and her family, but also about your father for our museum archives (photos, certificates, the names of the other children and their lives, …). And would it perhaps be possible for you to photograph the street sign of Avedig Street in Budapest for us?
If you are ever in Vienna, I would be very happy if you visit us in the museum!
Best regards to Budapest
Brigitte Neichl, Museum Director
LikeLike