Apotheker, Ständepolitiker und Bürgermeister von Fünfhaus
Diesmal geht es in den Bezirks[Museums]News & Oldies um Adolph Friedrich, den längst dienenden Bürgermeister der fünf Vororte, aus denen der 15. Bezirk besteht. Außerdem war Friedrich auch noch Apotheker.
INHALT
- Adolph Friedrich – Apotheker, Ständepolitiker und Bürgermeister von Fünfhaus
- Der Politiker und die Presse
- Die Anfänge
- Apotheker, Lokalpolitiker und Ständepolitiker
- Die letzten Lebensjahre und die Familie
- Quellen / Literatur
- Exkurs: Wenzel Sedlitzky
- Mehr zum Thema Apotheken: Blogartikel von Waltraud Zuleger „Die Apotheken des 15. Bezirks“
- Mehr zum Thema Apotheken: Vortrag von Waltraud Zuleger auf YouTube
- Mehr zum Thema Apotheken: Blogartikel „Apothekengeschichte(n) aus Rudolfsheim-Fünfhaus“ (Karin Martiny)
- Mehr zum Thema Apotheken: Podcast Apotheken-Geschichte(n)
Der bekannteste Bürgermeister von Fünfhaus
Am 29. Jänner 1902 wird Dr. Adolph Friedrich, der Gründer und erste Apotheker der Apotheke „Zur Heiligsten Maria vom Siege“, um den es im folgenden Artikel geht, auf dem Ortsfriedhof von Purkersdorf beigesetzt. Zwei Tage vorher war er in seiner Wohnung über seiner Apotheke gestorben. Zunächst wurde er in der Fünfhauser Pfarrkirche „Zur Heiligsten Maria vom Siege“ eingesegnet und von dort nach Purkersdorf überführt. Unter den Anwesenden, die sein Begräbnis beehrten, befanden sich der Statthalter von Niederösterreich sowie der Bürgermeister und der Vizebürgermeister von Wien und vermutlich noch andere Prominente.
Dass drei so wichtige „hohe Tiere“ sein Begräbnis mit ihrer Anwesenheit beehrten, verdankte Adolph Friedrich allerdings eher nicht seinem Wirken als Apotheker, sondern seiner politischen Karriere als Lokalpolitiker, in der er es bis zum Bürgermeister der Vorortgemeinde Fünfhaus gebracht hatte. Dass er zuletzt die Eingemeindung von Fünfhaus nach Wien und somit das Ende des Vorortes als eigene Gemeinde befürwortet hatte, mag ein weiterer Grund für ihre Anwesenheit gewesen sein.
Heute ist Adolph Friedrich wahrscheinlich der bekannteste der Bürgermeister, deren Gemeinde auf jenem Areal war, wo sich jetzt der 15. Bezirk befindet. Dass wir über ihn im Unterschied zu den anderen Bürgermeistern besser informiert sind, hat verschiedene Gründe. Adolph Friedrich ist der Bürgermeister mit der eindeutig längsten Amtszeit (ca. 17 Jahren), und er hatte das Glück, dass diese in das „Goldene Zeitalter“ der Vororte fiel, eine Zeit, die aufgrund der vielen damaligen Zeitungen (darunter eine eigene Zeitung für die Vororte) verhältnismäßig gut dokumentiert ist. Es war außerdem jene Zeit der Expansion im 19. Jahrhundert, wo ein wichtiger Lokalpolitiker gute Gelegenheit hatte, um entsprechend hervorzutreten.
Der Politiker und die Presse
Zu bedauern ist leider, dass im 19. Jahrhundert in den Zeitungen relativ wenig über den politischen Alltag berichtet wird. Prestigeträchtige Geschehnisse haben Vorrang. So erfahren wir zum Beispiel im Neuen Wiener Tagblatt vom 3. August 1875, dass Bürgermeister Friedrich zusammen mit anderen Bürgermeistern vom Kaiser empfangen wird, um mit diesem wegen der Wiedereröffnung des Baumgartner Friedhofs zu verhandeln.
Vom Kaiser empfangen zu werden, war sicher eine große Ehre. In einem Artikel zur Lokalgeschichte des 15. Bezirks ist das aber weniger wichtig als der Grund für diese Audienz: die Schließung des Baumgartner Friedhofes. Warum war die Friedhofsschließung in einem Nachbarort für den Fünfhauser Bürgermeister von Interesse? Handelte es sich etwa nur um eine Unterstützung von einem anderen Bürgermeister? In der Zeitung wird auf solche Fragen nicht eingegangen. Die Menschen damals, die Zeitungen lasen, werden gewusst haben, worüber ihr Bürgermeister mit seinen Kollegen beim Kaiser verhandelt haben wird. In diesem konkreten Fall sind heute die Zusammenhänge immerhin erfassbar. Nach der Schließung des Schmelzer Friedhofs, den für Fünfhaus zuständigen Friedhof, wurde die Einwohnerschaft nach ihrem Tod oft auf den Baumgartner Friedhof beigesetzt. Somit lag eine Wiedereröffnung von diesem Friedhof auch im Interesse von Fünfhaus. Als wenig später ein neuer Friedhof in Baumgarten angelegt wurde, gab es Konflikte mit Fünfhaus und anderen Nachbargemeinden, die ihre Toten ebenfalls dort beisetzen wollten. Dabei ging es besonders um ihre Beteiligung an der Anlegung und den Kosten.
Ähnlich verhält es sich mit einer kurzen Mitteilung im Neuen Wiener Tagblatt vom 16. Jänner 1885. Hier geht es darum, dass eine Erzherzogin das Protektorat über die Sechshauser Volksküche übernimmt. Bürgermeister Friedrich war gemeinsam mit einem Hans von Dahmen Vorstand des Vereins, der diese soziale Einrichtung organisierte. Da es sich bei dieser Volksküche um eine Einrichtung handelte, die den ärmeren Bevölkerungsschichten zugutekam, konnte sich Adolph Friedrich so als Wohltäter präsentieren. (Wobei wir nicht ausschließen können, dass ihm die Volksküche auch ein persönliches Anliegen war und nicht nur etwas für seine Imagepflege.) Wäre es ihm und von Dahmen aber nicht gelungen, eine Erzherzogin für das Protektorat zu gewinnen, wüssten wir nichts über diese soziale Aktivität.
Anders verhält es sich mit dem knappen Bericht in der Morgen-Post am 29. September 1881 über die Eröffnung der neuen Volksschulen in der Talgasse und der Hackengasse. Hier steht das für die Gemeinde wichtige Geschehnis im Zentrum und nicht ein prominenter Zeitgenosse. Da sie unter Bürgermeister Friedrich stattfand, wurde sie als seine Leistung gedeutet, obwohl an diesem Projekt auch der übrige Gemeindeausschuss beteiligt war. Nichtsdestoweniger war eine Schulgründung als bildungsfördernde Maßnahme stets positiv konnotiert, und Bürgermeister Friedrich konnte auch deswegen mit diesen Schulgründungen punkten, als er nicht nur der Bürgermeister von Fünfhaus, sondern auch der Obmann des dortigen Ortschulrates war.
Nach einem Zeitungsbericht aus der Morgen-Post vom 16. Februar 1879 wird Adolph Friedrich dagegen als zwielichtig präsentiert. In dem Artikel ging es um einen Konflikt der Stadt Wien mit der Gemeinde Fünfhaus, wobei allerdings der Eindruck entsteht, dass die Stadt zu dieser Zeit mit mehreren Vororten im Clinch lag.
Vielleicht spielte dabei eine Rolle, dass zuvor ein erster Versuch, einige Vororte tatsächlich nach Wien einzugemeinden gescheitert und das Klima zwischen Wien und den Vororten deswegen recht angespannt war. In dem Artikel geht es darum, dass die Gemeinde Fünfhaus den Liniengraben als Abladestelle für ihren Mist und Schutt nutzen würde.
Angeblich hatte die Stadt Wien mehrere Beschwerden an die Gemeinde Fünfhaus und den für sie zuständigen Gerichtsbezirk Sechshaus gerichtet, welche diese absichtlich nicht beachtet hätten. In dem Artikel wurde besonders die dabei bestehende sanitäre Gefährdung hervorgehoben, und auch darauf hingewiesen, dass Bürgermeister Friedrich dies als Apotheker doch wissen müsse. Ob es sich dabei um aufgebauschte politische Propaganda oder eine tatsächliche Schweinerei handelte, lässt sich heute natürlich nicht mehr klären.
Spektakulär war auch der Rücktritt von Bürgermeister Friedrich, umso mehr, als etwa ein Jahr später sein Amt und die Gemeinde Fünfhaus bereits Geschichte waren. Somit wäre doch zu erwarten gewesen, dass Bürgermeister Friedrich bis dahin im Amt verbleiben würde. Er selbst gibt in seiner Resignation, die schriftlich erfolgte, da er zu dieser Zeit nicht in Fünfhaus war, auch an, dass er eigentlich im Amt hätte verbleiben wollen, dies für ihn aber aufgrund der aktuellen Entwicklung nicht mehr möglich wäre.
Zum Verhängnis dürfte ihm die politische Rolle, die er bei der Eingemeindung gespielt hatte, geworden sein. Nach der Eingemeindung der Wiener Vorstädte um 1850 hatte es in den Jahren danach wiederholt Diskussionen gegeben, auch die Vororte einzugemeinden. Mehrere Vororte waren dagegen und zunächst auch die Stadt Wien, da für sie die finanziellen und ökonomischen Nachteile überwogen.
Um 1880 wurden dagegen mit der Auflassung des Linienwalls und Ausdehnung der Wiener Verzehr-Steuer erstmals konkrete Schritte für eine Eingemeindung der Vororte überlegt. In einigen der Vororte selbst gab es zunächst Widerstand, wobei diese versuchten, sich mit anderen Vororten in ihrem Vorgehen abzustimmen. So hatten zum Beispiel im Oktober 1880 die Gemeindevertreter der Vororte im Gerichtsbezirk Sechshaus, darunter Fünfhaus, Rudolfsheim, Sechshaus sowie Gaudenzdorf, Unter- und Obermeidling ihre Maßnahmen diesbezüglich miteinander abgestimmt und suchten zudem die Zusammenarbeit mit anderen Nachbargemeinden wie Neulerchenfeld.
Im Verlauf der Folgejahre wurde die Eingemeindung sämtlicher Vororte jedoch auch auf Regierungsebene verfolgt, wobei versucht wurde, die Gemeindeausschüsse der Vororte für sich zu gewinnen und schwerwiegende Hindernisse zu beseitigen. Adolph Friedrich hatte als Bürgermeister zunächst zu den Gegnern der Eingemeindung gehört, aber dann die Seiten gewechselt und diese nicht nur befürwortet, sondern auch entsprechend vorangetrieben.
Wenige Wochen, nachdem die Eingemeindung im Wesentlichen beschlossen worden war, trat Adolph Friedrich am 20. August 1890 als Bürgermeister von Fünfhaus zurück. Zwar berichten einige Zeitungen darüber recht ausführlich, doch muss letztlich doch offenbleiben, ob der Rücktritt aus politischen, unüberwindlichen Differenzen zwischen Bürgermeister und Gemeindeausschuss nötig geworden war, ob der Bürgermeister seinen Rücktritt letztlich durch unmögliches Verhalten selbst verschuldet hatte oder politische Gegner seine längere Abwesenheit aus Fünfhaus für einen „Putsch“ genutzt hatten.
In der Zeitung Das Vaterland vom 28. August 1890 wird zum Beispiel über seine Resignation recht sachlich berichtet. Zynischer und mit zahlreichen Seitenhieben, wenngleich ziemlich witzig, liest sich dagegen die Beschreibung seines Rücktrittes im Deutschen Volksblatt vom 27. August 1890. Allerdings deutet hier einiges, wie zum Beispiel der Hinweis auf zwei weitere Bürgermeister, die Adolph Friedrich nach Tirol folgen mögen, darauf hin, dass der Verfasser offensichtlich ein Gegner der Eingemeindung der Vororte war und sein Artikel daher auf seine Deutungshoheit doch kritisch zu hinterfragen ist.Dabei gibt es genug Indizien dafür, dass Adolph Friedrich als Bürgermeister zunächst jedenfalls recht erfolgreich war. Um 1876/1881 war er wegen seiner „Verdienste auf humanitären Gebiete“ zum Ehrenbürger von Fünfhaus ernannt worden, 1876 wurde er bei den neuen Bürgermeisterwahlen in den Vororten in seinem Amt als Bürgermeister bestätigt. Nicht erfolgreich war dagegen seine Teilnahme an den Landtageswahlen 1878, wo er es nicht in den Landtag schaffte. Dennoch wird ihm diese Niederlage nicht geschadet haben, standen ihm doch noch 12 Jahre Amtszeit als Bürgermeister bevor.
Außer der bereits genannten Sechshauser Volksküche und den Schulen in der Talgasse und der Hackengasse wurde unter ihm als Bürgermeister die Schule am Friedrichsplatz, den er am 27. August 1886 nach sich benennen ließ (ein damals durchaus übliches Vorgehen), erbaut und angeblich noch eine Reihe weiterer Schulen. Der Bau der Pfarrkirche „Zur Heiligsten Maria vom Siege“ wurde zu Beginn seiner Amtszeit beendet und geweiht.
Außerdem entstanden in dieser Zeit ein Schlachthaus für die sechs westlichen Vororte, zu denen auch Fünfhaus gehörte, das Fünfhauser Bezirksgericht und das Neue Fünfhauser Rathaus, aus dem bald nach seinem Rücktritt das Amtshaus für den 15. Bezirk wurde. Obwohl das spätere Kaiserin-Elisabeth-Spital erst nach seiner Amtszeit realisiert wurde, beschloss er noch gemeinsam mit den Bürgermeistern Julius Hugl (gest. 1888) von Rudolfsheim und Joseph Ullmann (gest. 1890) von Sechshaus dessen Errichtung und nahm wesentlichen Einfluss auf die Planung.
Neben seinem Amt als Bürgermeister und als Obmann des Ortsschulrates übernahm Adolph Friedrich in der Gemeinde Fünfhaus noch weitere Ämter. Er war Mitglied des Fünfhauser Bezirksschulrates, Patronatsherr der Fünfhauser Pfarrkirche und außerdem Ehrenmitglied von wissenschaftlichen und humanitären Vereinen.
In seinem Nachruf, der am 2. Februar 1902 in der Apothekerfachzeitschrift Pharmaceutische Post publiziert wurde, werden einige Eigenschaften angeführt, die Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zulassen, ihn allerdings in erster Linie als tatkräftigen und umtriebigen Politiker charakterisieren.
Dort wird er zum Beispiel als ein „schneidiger Redner“ bezeichnet, was mit Blick auf seine Karrieren als Gemeindepolitiker und als Ständepolitiker durchaus glaubwürdig wirkt. Daneben verstand er einiges davon, sich und seine politische Linie eindrucksvoll in Szene zu setzen. So lehnte er zum Beispiel die als reaktionär eingestufte Lienbacher’sche Volksschulgesetznovelle ab. Als sie im österreichischen Abgeordnetenhaus angenommen wurde, soll er befohlen haben, an sämtlichen Volksschulen in Fünfhaus schwarze Fahnen zu hissen.
Im Nachruf wird Adolph Friedrich als Befürworter der Eingemeindung beschrieben, was hier als Bestätigung für seine fortschrittliche politische Einstellung gedeutet wird. Der Umstand, dass er zunächst zu den Gegnern gehört hatte, wird weggelassen.
Auch Dieter Halama bewertet übrigens in seinem Heimatbuch zu Ditha Holesch und ihrem Großvater Adolph Friedrich dessen Aktivitäten positiv. Bei ihm erscheint Adolph Friedrich als ein Mann mit Augenmaß und Vernunft, der zunächst aus berechtigten Gründen gegen die Eingemeindung ist, aber im Gegensatz zu anderen Gegnern nicht in der Opposition verharrt, sondern selbst die Initiative ergreift und den Dialog sucht. So gelingt es ihm, eine Eingemeindung zu den Bedingungen der Vororte durchzusetzen. Wesentliche Hindernisse wie die Verzehrsteuer werden aus dem Weg geräumt. Nachdem dies erreicht ist, spricht nichts mehr dagegen, die Vorortgemeinden nach Wien einzugemeinden. Es bleibt der Eindruck, dass eine Beurteilung von Adolph Friedrichs Rolle bei der Eingemeindung davon abhängt, ob diese als positiv oder negativ gewertet wird.
Die Anfänge
Über das restliche Leben sind kaum Details überliefert, die Adolph Friedrich als Mensch fassbar machen. Immerhin aber ist es möglich, einen Überblick über sein Leben neben seiner Rolle als Lokalpolitiker zu geben.
Adolph Friedrich stammte aus einer Familie, die sich bis ins 18. Jahrhundert nachweisen lässt. Sein Großvater Lorenz Friedrich (1740-1793) war „Rentmeister“ der Fürstenfamilie von Liechtenstein, sein Vater Joseph Friedrich (1787-1855) stand ebenfalls im Dienst dieser Familie, für die er als Amtsschreiber, Steuereinnehmer und „Burggraf“ (Gebäudeverwalter) tätig war. Dabei war er häufig genötigt, seinen Wohnsitz zu wechseln. Adolph Friedrich, der spätere Apotheker und Bürgermeister, war der Vierte von sechs Söhnen und hatte sechs Schwestern. Er wurde am 1. März 1833 in Posořitz bei Brünn (heute: Pozořice / Tschechien) geboren, wo sich sein Vater Joseph Friedrich aus beruflichen Gründen gerade aufhielt. Über seine Mutter Barbara Friedrich und ihre Herkunftsfamilie ist bisher nichts bekannt.
Adolph Friedrich besuchte die Gymnasien in Troppau und Kremsier. Mit etwa 16 Jahren kam er nach Wien, wo er bei Apotheker Wenzel Sedlitzky (1812-1886), mit dem er verwandt gewesen sein dürfte, zunächst in Simmering, dann in der Apotheke am Schottenfeld, seine Apothekerlehre absolvierte. Am 15. Juni 1853 legte er die Tirocinalprüfung beim Wiener Apotheker-Hauptgremium ab. In den Jahren danach studierte er an der Wiener Universität Pharmazie (18. Juli 1857 Magister der Pharmazie) und Chemie (1858 Doktor der Chemie).
Für die Erteilung einer Apothekenkonzession war eine mehrjährige praktische Berufsausübung vorgeschrieben. Diese „Wartezeit“ konnte durch den Erwerb eines Doktorats verkürzt werden. Offensichtlich stand für Adolph Friedrich bereits während seines Studiums fest, dass er später nicht nur in einer Apotheke arbeiten, sondern auch seine eigene Apotheke besitzen wollte. Da es zu seiner Zeit noch nicht möglich war, das Doktorat in der Pharmazie zu erwerben, waren er und seine Berufskollegen genötigt, auf andere wissenschaftliche Fächer auszuweichen.
Apotheker, Lokalpolitiker und Ständepolitiker
Um 1860 bewarb sich Adolph Friedrich dann erfolglos um die Konzession einer Apotheke in der Leopoldstadt, deren Neugründung damals beschlossen worden war. Es handelte sich dabei um die Apotheke „Zum Heiligen Leopold“ (heute: 1020 Wien, Untere Augartenstraße 13). Mit den anderen abgewiesenen Bewerbern rekurrierte er erfolglos gegen seine Abweisung.
Am 25. Mai 1861 pachtete er in Fünfhaus von den Erben des verstorbenen Apothekers Eduard Kaudelka (gest. 18. Mai 1861) die Apotheke „Zum Erzengel Michael“. Nachdem die k. k. niederösterreichische Statthalterei zu Ende des Jahres 1868 eine Apothekengründung „in der Nähe des Westbahnhofs“ in Fünfhaus bewilligt hatte, wurde ihm 1869 die Konzession zur Errichtung dieser Apotheke erteilt. Am 1. Jänner 1870 eröffnete er sie als Apotheke „Zur Heiligsten Maria vom Siege“. Benannt war sie nach dem Patronat der Pfarrkirche Fünfhaus, die gerade damals erbaut wurde. Die Konzession verblieb bis zu seinem Tod in Adolph Friedrichs Besitz. Dann wurde sie seinem ältesten Sohn übertragen, der die Apotheke bereits in den Jahren zuvor provisorisch geleitet hatte.
1864 wurde Adolph Friedrich Mitglied des Gemeindeausschusses der Gemeindevertretung von Fünfhaus, seit 1867 war er Gemeinderat von Fünfhaus. Am 23. Juni 1873 wurde er erstmals zum Bürgermeister von Fünfhaus gewählt, und wie oben berichtet, verblieb er in diesem Amt, nach aktuellem Forschungsstand offensichtlich ohne Unterbrechung, bis zu seiner Resignation am 20. August 1890. Nach seiner Resignation als Bürgermeister erhielt Adolph Friedrich am 7. Februar 1891 für seine Verdienste als Bürgermeister das Ritterkreuz des Franz Josefs-Ordens. Sein Einsatz für die Eingemeindung hatte sich also gelohnt.
Auf seine Rolle in der Ständepolitik der Apotheker dürfte seine Karriere als Bürgermeister keine besonderen Auswirkungen gehabt haben. Als provisorischer Leiter der Apotheke „Zum Erzengel Michael“ war Adolph Friedrich Mitglied der damaligen Apotheker-Ständevertretung, dem Apothekergremium, geworden. Als Apotheker in Fünfhaus gehörte er 1863-1892 dem Gremium „Viertel unter dem Wienerwald“ an, zunächst als Mitglied und dann als einer von dessen Vorständen. (Als „Viertel unter dem Wienerwald“ wurde zu seiner Zeit das heutige niederösterreichische Industrieviertel bezeichnet.) Von seinem 25. Jubiläum hat sich eine Urkunde vom Dezember 1886 erhalten, in welcher er von seinen Kollegen entsprechend gewürdigt wird:
Die Mitglieder des Apothekergremiums V.U.W.W. [Viertel unter dem Wienerwald] widmen ihrem hochverehrten Vorstande dem hochwohlgeborenen Herrn Doktor Adolph Friedrich diese Ehrengabe als Zeichen aufrichtiger Dankbarkeit für die durch 25 Jahre stets aufopfernde, zielbewusste, tatkräftige Führung und als Ausdruck wahrer Hochachtung und Verehrung.
Nach der Eingemeindung war Adolph Friedrich 1892-1895 einer der beiden Mitvorsteher des Wiener Apotheker-Hauptgremiums. Diese Funktion war unter dem damaligen Hauptvorsteher Anton Schürer von Waldheim eine besonders Verantwortungsvolle, da dieser häufig krank war und die beiden Mitvorsteher ihn daher oft vertreten mussten. Dass Adolph Friedrich diese Position bereits 1895 wieder aufgab, hatte gesundheitliche Gründe. Inzwischen machte ihm ein Augenleiden stark zu schaffen. Deswegen dürfte er auch wenig später die Leitung seiner Apotheke einem Provisor anvertraut haben. Dieser war sein ältester Sohn, der ihm als Leiter der Apotheke „Maria vom Siege“ nachfolgte.
Adolph Friedrich war Gründungsmitglied und „Directorialmitglied“ des Allgemeinen Österreichischen Apothekervereins und wurde später zu dessen Ehrenmitglied ernannt. 1889 wurde er Ehrenmitglied der „Oesterreichischen pharmaceutischen Gesellschaft“ und später noch Mitglied der pharmaceutischen Tischgesellschaft „Marokkania“.
Die letzten Lebensjahre und die Familie
Privat kaufte er Anfang der 1890er Jahre eine Villa in Lawies (heute Teil der Gemeinde Tullnerbach-Preßbaum), wo er noch die Geburt seiner Enkelin, der späteren Schriftstellerin Ditha Holesch (1901–1992), erlebte.
Sein Hauptwohnsitz blieb jedoch seine Wohnung über seiner Apotheke in Fünfhaus, wo er am 27. Jänner 1902 an einer Lebererkrankung verstarb. Seine Witwe, die damals bereits ebenfalls sehr krank war, sollte ihn nur wenige Monate überleben.
Adolph Friedrich und Clementine Stauber (1836-1902) hatten am 17. Mai 1862 geheiratet, ungefähr ein Jahr, nachdem er provisorischer Leiter der Apotheke „Zum Erzengel Michael“ geworden war. Über die Ehe der beiden ist nicht viel bekannt, immerhin dauerte sie fast vierzig Jahre, und falls es Konflikte gegeben hat, wurden diese nicht öffentlich ausgetragen. Es scheint, dass sich Clementine Friedrich im Wesentlichen so verhielt, wie dies im 19. Jahrhundert von Unternehmerehefrauen erwartet wurde. Sie blieb im Hintergrund und wird Adolph Friedrich unterstützt haben. Die Ehe der beiden entsprach wohl dem, was im 19. Jahrhundert als glückliche Ehe galt. Adolph und Clementine Friedrich hatten mit Sicherheit vier Kinder.
Die älteste Tochter war vermutlich Clementine Friedrich (1864-1933), die sich am 20. September 1892 mit Heinrich Melzer (1836-1900) verheiratete. Er war wesentlich älter als sie und bereits verwitwet, dürfte aber als Forstmeister von Preßbaum eine gute Partie gewesen sein. Der älteste Sohn war Adolph Friedrich (gest. um 1921), zur Unterscheidung von seinem gleichnamigen Vater gewöhnlich als Adolph Friedrich „der Jüngere“ bezeichnet. Er folgte diesem als Apotheker der Apotheke „Maria vom Siege“ nach. Der jüngere Sohn Joseph Friedrich wurde Arzt. Im Unterschied zu ihren älteren Geschwistern, die beim Tod des Vaters bereits verheiratet waren und selbst Kinder hatten, verheiratete sich die wohl jüngere Tochter Maria Friedrich (gest. 1936) erst später mit einem Professor Horand.
An Adolph Friedrich erinnert bis heute der Friedrichplatz im 15. Wiener Gemeindebezirk. Weitere noch erhaltene Erinnerungsorte sind zum Beispiel das Amtshaus, die Schule am Friedrichsplatz oder die Apotheken „Maria vom Siege“ und „Zum Erzengel Michael“.
Quellen / Literatur
- Felix Czeike (Hrsg.): Friedrich Adolf. In: Historisches Lexikon Wien, 1993, ISBN 3-218-00544-2, Bd. 2, S. 415
- Dieter Halama: Vor 100 Jahren in Tullnerbach: Adolf Friedrich (1833–1902). Der vorletzte Bürgermeister von Fünfhaus bei Wien. Ditha Holesch geb. Friedrich (1901–1992). Von der Lawies in den Urwald Brasiliens. Gedenkschrift zum 100. bzw. zum 10. Todestag, 2002; dort besonders S. 5-7
- Leopold Hochberger – Josef Noggler: Geschichte der Wiener Apotheken (= Geschichte der Apotheken und des Apothekerwesens in Wien. Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Hrsg. vom Wiener Apotheker-Hauptgremium, Bd. 2), 1919, besonders S. 221 und S. 226
- Eine weitere informative Quelle zu Adolph Friedrich „dem Älteren“ ist sein Nachruf, in: Pharmaceutische Post, Jg. 35, Nr. 5 / 2. Februar 1902, S. 62
Hinweise über seine Aktivitäten als Bürgermeister finden sich in folgenden Zeitungsartikeln:
- Neues Wiener Tagblatt, 3. August 1875
- Neue Freie Presse, 6. Oktober 1880
- Morgen-Post, 29. September 1881
- Neues Wiener Tagblatt, 16. Jänner 1885
- Wiener Vororte-Zeitung, 11, 8. Juli 1885, S. 3
Über die Resignation von Adolph Friedrich wird in mehreren Zeitungen berichtet:
- Das Vaterland, 28. August 1890
- Die Presse, 26. August 1890
- Deutsches Volksblatt, 27. August 1890
Für den Einschub zum Baumgartner Friedhof: Günther Haberhauer – Dolores Weber – Roman Poczesniok: Die letzten Geheimnisse Penzings. Geschichte und Geschichten. Wien, 2020. ISBN 978-3-200-07436-1. S. 93ff
Anmerkungen zum Artikel:
- In der Literatur und den Quellen findet sich für den Vornamen des Bürgermeisters und Apothekers Friedrich sowohl die Schreibweise Adolph, als auch die Schreibweise Adolf. Im Artikel wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit durchgehend die Schreibweise Adolph verwendet.
- Das im Artikel angeführte Geburtsdatum, der 1. März 1833, stammt aus dem Nachruf, vgl. Pharmaceutische Post 35, Nr. 5 / 2. Februar 1902, S. 62. Es steht zumindest nicht im Widerspruch zum Wien Lexikon von Felix Czeike, wo als Geburtsjahr 1833 angegeben ist, und passt zu der Altersangabe in den Matriken, wo leider kein Geburtsdatum angegeben ist. Das Sterbedatum im Nachruf (29. Jänner 1902) stimmt nicht mit dem Sterbedatum in den Matriken überein: dem 27. Jänner 1902. Hier dürfte das Datum der Beerdigung mit dem Sterbedatum verwechselt worden sein. Im Artikel wurde das Sterbedatum aus den Matriken, das mit dem Sterbedatum aus dem Totenbeschauprotokoll übereinstimmt, beide gewöhnlich sehr zuverlässige Quellen, verwendet.
Exkurs: Wenzel Sedlitzky
Da die Karriere des Apothekers Wenzel Sedlitzky (1. Jänner 1812, Stockerau – 29. Mai 1886, Wien), bei dem Adolph Friedrich „der Ältere“ ausgebildet wurde, interessante Parallelen zu dessen Karriere aufweist, abschließend noch einige Worte zu ihm.
Wenzel Sedlitzky wurde 1812 in Stockerau geboren, wo er seine Apothekerlehre absolvierte und diese 1830 mit „Freispruch“ beendete. Nachdem er sein Pharmaziestudium an der Universität Wien 1834 als Magister der Pharmazie abgeschlossen hatte, erwarb er später den Grad eines Doktors der Philosophie (um 1850) durch ein zusätzliches Chemiestudium. 1838-1843 pachtete Wenzel Sedlitzky eine Apotheke in Stockerau.
1843 übersiedelte er nach Simmering (heute die namensgebende Kastralgemeinde des 11. Wiener Gemeindebezirks), wo er die Apotheke „Zur Mariahilf“ eröffnete. Nach der Aufhebung der Grundherrschaft wurde Wenzel Sedlitzky 1850 der erste Bürgermeister von Simmering. Er legte dieses Amt und die Apothekenbefugnis für die Simmeringer Apotheke „Zur Mariahilf“ bereits 1852 wieder zurück.
Noch im selben Jahr wurde ihm die Konzession der Apotheke „Am Schottenfeld“ erteilt, in der Adolph Friedrich bald darauf seine Apothekerlehre beenden sollte. Diese befand sich, wie bereits ihr volkstümlicher Name verrät, in der Vorstadt Schottenfeld, die wenig später nach Wien eingemeindet wurde. (Bei dieser Apotheke handelte es sich um die heutige Apotheke „Zum Weißen Hirsch“, 1070 Wien, Westbahnstraße 32).
Wenzel Sedlitzky leitete sie bis 1874. 1861-1884 gehörte er dem Wiener Gemeinderat an, seit 1865 außerdem dem Gremialausschuss der Wiener Apotheker. Das Apothekergremium übertrug ihm die Betreuung seiner Mineraliensammlung und seines Herbariums.
Ein Vergleich mit Wenzel Sedlikzky deutet an, dass die Karriere eines Adolph Friedrich für einen Apotheker im 19. Jahrhundert keineswegs ungewöhnlich war, auch wenn sie in dieser Form wohl nicht so oft vorgekommen sein wird.
Literatur / Quellen (zu Wenzel Sedlizky):
- Felix Czeike (Hrsg.): Sedlitzky Wenzel. In: Historisches Lexikon Wien, 1997, ISBN 3-218-00547-7, Bd. 5, S. 411
- Österreichisch Biographisches Lexikon 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 55, 2001), S. 91f.
Blogartikel von Waltraud Zuleger „Die Apotheken des 15. Bezirks“
Michael Ostertag, Apotheker der Dreifaltigkeits-Apotheke – Apotheker in Braunhirschen
St. Rudolfs-Apotheke – Die bisher unbekannteste Apotheke des 15. Bezirks
Eine vergessene Schriftstellerin aus Wien-Fünfhaus
Vorträge von Waltraud Zuleger auf YouTube
Blogartikel „Apothekengeschichte(n) aus Rudolfsheim-Fünfhaus“ (Karin Martiny)
Podcast Apotheken-Geschichte(n)
Anlässlich unserer Sonderausstellung „Medizin-Gesundheit-Wohlbefinden“, die von März 2022 bis Jänner 2023 in unserem Bezirksmuseum Wien 15 zu sehen ist, hat Karin Martiny Gespräche mit Apotheker*innen geführt, die ihre Apotheken bereits in dritter Generation als Familienbetrieb leiten. Franz Zeidler, Heinz Kadlez, Petra Tasler, Reinhard und Wolfgang Fischill erzählen über die Geschichte ihrer Apotheken, über ihre Aufgaben und Tätigkeiten, über Veränderungen im Laufe der Zeit und über die besonderen Herausforderungen während der Corona-Pandemie.
In unserem Mini-Podcast „Apothekengeschichte(n) aus Wien Rudolfsheim-Fünfhaus“ können Sie in 26 kurzen Episoden in diese Gespräche hineinhören:
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(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828
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