Adolph Lehmann und sein Wiener Adressbuch

Das „Bild des Monats“ zeigt diesmal Adolph Lehmann. Obwohl er weder im 15. Bezirk wohnte oder arbeitete, ist er dennoch für die bezirkshistorische Forschung, die Ausstellungsrecherche und die Beantwortung der Anfragen ans Bezirksmuseum Rudolfsheim-Fünfhaus von enormer Bedeutung. Hier erfahren Sie warum.

Bild links: Josef Löwy creator QS:P170,Q1705180, Adolph Lehmann (1828–1904) 1870 © Josef Löwy (1834–1902) OeNB 13524408 A, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Common
Bild rechts: 1904-02-24 Wiener Bilder S 5, ANNO
Adolph Lehmann, Fritz Luckhardt creator QS:P170,Q94383, Adolph Lehmann (1828–1904) © Fritz Luckhardt (1843–1894) OeNB 13524415, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Adolph Lehmann (2.3.1828 Breslau-16.4.1904 Wien) war ein österreichischer Journalist, Gründer und Herausgeber des 1859 bis 1942 erschienenen allgemeinen „Adolph Lehmann’s allgemeiner Wohnungs-Anzeiger : nebst Handels- u. Gewerbe-Adressbuch für d. k.k. Reichshaupt- u. Residenzstadt Wien u. Umgebung“.

Die Bände lagen u.a. in vielen Kaffeehäusern auf und waren – so wie später die amtlichen Telefonbücher – ein wichtiges Nachschlagewerk. Diese waren derart populär, dass man nicht „vom Adreßbuch oder vom Wohnungsanzeiger, sondern vom ‚Lehman‘ [spricht], worunter jeder erwachsene Wiener, der nur ein wenig ins geschäftliche Leben geguckt hat, den einst dünnen, später immer dicker werdenden Band und seit einigen Jahren die zwei Adreßbände verstand.“ (1904-02-17 Arbeiter-Zeitung S 7, ANNO)

Bis heute ist das Adressbuch ein wichtiges Nachschlagewerk in der bezirkshistorischen Forschung. Viele der hier im Blog WIENfünfzehn erscheinenden Artikel wären ohne den „Lehmann“ nicht in dieser Genauigkeit und Tiefe möglich.

Seit 2012 gibt es das Lehmann’sche Adressbuch in digitaler Form – zur Verfügung gestellt von der Wienbibliothek im Rathaus.

INHALT

Reise in ein unbekanntes Land

Als Adolph Lehmann am 16. April 1904 starb, schrieben viele Zeitungen über das Leben und Wirken dieses Mannes, der sich „durch sein Werk ein großes Verdienst um die Stadt Wien und das Anrecht auf dauernde ehrende Erinnerung erworben [hat]“ (1904 Wiener Hausfrauen-Zeitung S 76, ANNO). Das „Interessante Blatt“ brachte am 25.2.1904 in seinen „Bildern der Woche“ folgendes Gedicht:

1904-02-25 Das interessante Blatt, Bilder der Woche S 25, ANNO

Transkript

Es starb ein kaiserlicher Rat,
mit Namen Adolf Lehmann,
von dem, was er geleistet, hat
nur schwer eine Idee man.

Wer kennt es nicht, das dicke Buch,
das deutlich ohne Schonung,
von jedem Bürger unsrer Stadt,
weiß Namen, Stand und Wohnung?

Der Mann, der jeden Wohnort konnt‘
ganz ohne Müh‘ erweisen,
mußt in ein unbekanntes Land
am Ende selbst verreisen.

Transkript Ende

Ein „echter“ Wiener aus Breslau

Doch beginnen wir am Anfang … Adolph Lehmann wurde am 2. März 1828 in Breslau geboren. Breslau gehört seit 1945 zu Polen. Die Bevölkerung war vom 13. Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges mehrheitlich deutschsprachig. In seiner wechselvollen Geschichte hatte Breslau „[n]ach dem Tod des letzten Piastenherzogs Heinrich VI. (…) Böhmen, und damit dem HRR (Anm: Heiligen Römischen Reich) angehört, zeitweise auch Ungarn. Später gehörte Breslau zu Österreich, zu Preußen und zum Deutschen Reich“ (Wikipedia)

Karte von Polen, freeworldmaps.net

1857 kam der 29-jährige Adolph Lehmann nach Wien, um hier als Journalist zu arbeiten. Es war die Zeit, als die Vorstädte zwar bereits seit 1850 zu Wien eingemeindet waren, die Stadtmauer allerdings noch bestand. Am 20. Dezember 1857 ordnete Kaiser Franz Josef I. den Fall der Basteien an, wodurch der erste Schritt zur Stadterweiterung gegeben war.

Ein Adressbuch für Wien

In zahlreichen europäische Großstädten wie London, Paris, Berlin, München und Hamburg gab es bereits seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Adressbücher der Bewohner*innen. In Wien hingegen nicht. Adolph Lehmann beschloss, ein Wiener Adressbuch zu schaffen, das alle Einwohner*innen – der nun vergrößerten Stadt – erfassen sollte.

Im Vorwort zur ersten Ausgabe begründet er dies folgendermaßen:

„Die Annehmlichkeit, statt vielen Hin= und Hersendens, Fragens und Forschens nach der Wohnung des Gesuchten, dieselbe sofort ohne Mühe und Zeitverlust auffinden zu können, wird den Nutzen und die Wichtigkeit des Vorliegenden bei seinem Gebrauche mehr und mehr hervortreten lassen“

Lehmann wandte sich zunächst an die Polizeidirektion, da in den Kommissariaten die Häuserbogen (Meldezettel) mit den Namen der Parteien auflagen und im Meldeamte alle Neuanmeldungen und Wohnungsänderungen registriert wurden. Die Polizei konnte allmählich von der Brauchbarkeit eines solchen Nachschlagewerk überzeugt werden und so verließ der erste Jahrgang unter dem Titel „Allgemeines Adreßbuch nebst Geschäfts=Handbuch für die k.k. Haupt= und Residenzstadt Wien und dessen Umgebung. Aus amtlichen Quellen verfaßt“ 1859 die Druckerpresse. Außer den Einwohneradressen enthielt das Werk auch den Hausnummer-Nachweis der Behörden und Ämter, der Zeitungen und Zeitschriften, die Fiakergebühren sowie Inserate.

Das Vorwort der ersten Ausgabe endet mit den Worten:

„Wir wissen wohl, daß das vorliegende Buch hinter der Vollständigkeit und Genauigkeit zurückgeblieben ist, die erreicht werden sollte, diese war jedoch bei dem erstmaligen Erscheinen eines so umfassenden Buches nicht zu erlangen. Ein genaues und fehlerfreies ‚Allgemeines Adreßbuch‘ ist nur erreichbar, wenn das große Publikum die Wichtigkeit des Unternehmens beachtend, demselben seine Theilnahme schenkt und durch Mittheilungen von Berichtigungen und Veränderungen freundlichst unterstützend mitwirkt.“

Adolf Lehmann in der ersten Ausgabe von „Lehmanns Adressbuch“ 1859

1859 Lehmann Adolph in Lehmanns Adressbuch

Transkript
Lehmann Adolf, Redakteur des (ersten) „allgemeinen Adreßbuches von Wien und dessen Umgebungen.“ Wohnung und Redaktion Leopoldstadt, Taborstraße 367 in L. Förster’s artist. Anstalt, woselbst Berichtigungen u. Wünsche für das Adreß=Buch entgegengenommen werden. Expedition Stadt, Wollzeile 869.
Transkript Ende

1859 Lehmann Adressbuch Titelblatt, Wienbibliothek

Erfolg war diese erste Ausgabe jedoch keineswegs. Trotz des niedrigen Preises konnte nicht einmal die Hälfte der Auflage verkauft werden. Der Rest wurde eingestampft. Der Grund dürften die schlechten Erfahrungen der Wiener*innen aus dem Jahr 1848 gewesen sein. Bereits bei der Auskunftserteilung wurde jeder mögliche Widerstand geleistet. Die Bevölkerung vermutete, das Buch diene nur der Polizei, um missliebige Personen, oder der Steuerbehörde, um säumige Zahler leichter eruieren zu können.

Adolf Lehmann ließ sich von diesem schlechten Start aber keineswegs aufhalten. Er machte weiter. Im Jahr 1860 gab er einen Band „Veränderungen und Verbesserungen“ heraus, bei dem erstmals sein Name auf dem Titelblatt erschien. Der Jahrgang 1861 führte den geänderten Titel „Allgemeiner Wohnungsanzeiger und vollständiges Gewerbe=Adreßbuch der k.k. Haupt= und Residenzstadt Wien und dessen Umgebung mit Benützung amtlicher Quellen verfaßt von Adolph Lehmann.“ Dieser Band enthielt zum ersten Mal auch das Verzeichnis der protokollierten Handelsfirmen wie der Gewerbetreibenden. Ebenso schienen nun bereits die neuen Orientierungsnummern bei den Adressen auf, die anstelle der Konskriptionsnummern getreten waren.

Ab 1868 rückte Lehmanns Name in die erste Zeile und erschien unter dem Titel „Lehmann’s Allgemeiner Wohnungs=Anzeiger nebst Handels= und Gewerbe=Adreßbuch für die k.k. Haupt= und Residenzstadt Wien und dessen Umgebung“ .

Arbeitszimmer von Adolph Lehmann, MA 8, Wiener Stadt- und Landesarchiv, WSTLA, Archivbibliothek: K 1719/35

Besondere Würdigung fand das Adressbuch im Weltausstellungjahr 1873. Für Einheimische und Fremde, für Presse, für die Polizei und die übrigen Behörden wurde der „Lehmann“ zum notwendigen Nachschlagewerk. Seit diesem Jahre enthielt das Nachschlagewerk auch die Pläne der Wiener Theater nebst den Eintrittspreisen und dem Fassungsraum.

Für die Volkszählung im Jahr 1875 stellte Adolf Lehmann der Polizei sowohl seine Unterlagen als auch seine vieljährige Erfahrung zur Verfügung. Die Ergebnisse der Volkszählung waren aber auch für die Erstellung des Jahrganges 1876 hilfreich. Eine weitere Ergänzung konnte durch die Volkszählung von 1880 erzielt werden.

1890/91 wurden die Vororte nach Wien eingemeindet. Die Korrekturen der zahlreichen Straßennamen, die wegen ihres gleichzeitige Vorkommens in einzelnen Bezirken geändert werden mussten, bedeutete ein große Herausforderung für die Redaktion des Adressbuches. Das Anwachsen der Stadt kam auch in der Seitenzahl des Anzeigers zum Ausdruck. Ab 1893 erschien der Wohnungsanzeiger in zwei Bänden.

„Träger eines populären Namens (…), der tausend Mal im Tag ausgesprochen wurde“

Am 16. Februar starb Adolf Lehmann in seiner Wohnung in der Windmühlgasse 30.

Der letzte Wohnsitz von Adolf Lehmann in der Windmühlgasse 30 im 6. Bezirk
1904-02-18 N Fr Presse S 19_Lehmann Todesanzeige, ANNO

1904 stand Adolf Lehmanns Name das letzte Mal in „Lehmanns Adressbuch“

1904 Lehmann Adolph in Lehmanns Adressbuch

Transkript
Lehmann Adolph, kais. Rat, Redakteur von „Lehmann’s Allgemeinem Wohnungs=Anzeiger nebst Handels= und Gewerbe=Adreßbuch d. k.k. Reichshaupt= u. Residenzstadt Wien“, VI/1 Windmühlgasse 30.
Transkript Ende

Lehmanns Adressbuch 1904 (in diesem Jahr kamen Floridsdorf und Jedlersdorf zu Wien), Wienbibliothek

Die Einsegnung des Leichnams fand am 18.2.1904 in der evangelischen Stadtpfarrkirche A.B. in der Dorotheergasse 18 statt.

1904-02-17 Neues Wiener Tagblatt S 9, ANNO

Transkript
*(Adolf Lehmann.) Gestern Nachmittags wurde der durch sein Lebenswerk, den „Allgemeinen Wohnungs=Anzeiger“, in Wien so überaus populär gewordene kaiserliche Rat Adolf Lehmann unter großer Beteiligung aller Kreise zu Grabe getragen. In der evangelischen Kirche A.B. in der Dorotheergasse waren erschienen: Sektionschef [Theodor] von Inama=Sternegg, Polizeipräsident Ritter [Johann] v. Habrda, Hofrat Ritter [Heinrich] v. Kamler, Regierungsrat Frankl, Zentralinspektor Freiherr v. Borup mit Gemahlin, die Polizeiräte [Rudolf] Michler und [Kamillo] Wind[t], Oberkommisär [Julius] Sturminger und Gemahlin, kaiserlicher Rat [Johann] Lichtenstadt, Dr. [Karl] Korper [von Marienwerth] etc. Der Verleger Alfred R. von Hölder war durch Krankheit am Erscheinen verhindert. Pfarrer Dr. [Erich Adolf] Johanny hielt dem Verblichenen einen Nachruf, in dem er hervorhob, daß kaiserlicher Rat Lehmann der Träger eines populären Namens war, der tausendmal im Tage ausgesprochen wurde. Nach der Rede segnete Pfarrer Dr. Johanny die Leiche ein, worauf der Sarg auf einem sechsspännigen Galawagen der Leichenbestattungsgesellschaft „Concordia“ auf den Zentralfriedhof gebracht und in der Familiengruft beigesetzt wurde.
Transkript Ende

In der Ostdeutschen Rundschau vom 19.2.1904 erfahren wir noch, dass sich die „Leichenfeier (…) trotz des schlechten Wetters sehr imposant (gestaltete)“ und in der Kirche „kaum ein Platz frei“ war. Der „mit schönen Kränzen geschmückte Sarg wurde in die Kirche getragen und beim Altar auf die Bahre gestellt, dann stimmte der Kirchenchor ein Trauerlied an, worauf Herr Pfarrer Dr. Johanny dem Verblichenen den Nachruf hielt, in dem er hervorhob, daß (…) sein Werk (…) ein ungemein nützliches (war). Es war ihm gegönnt, verdiente Anerkennung zu finden. Sein Buch ist kein Nachschlagebuch, sondern ein Kulturwerk.“ (1904-02-19 Ostdeutsche Rundschau S 7, ANNO)

Hinter jedem erfolgreichen Mann …

In einem Feuilleton (Auszug) in der Badener Zeitung schreibt P. Enslein am 27.2.1904:

1904-02-27 Badener Zeitung S 2, ANNO

Transkript
Das Bild der Tätigkeit Lehmann’s entbehrte eines charakteristischen Zuges, wollte man vergessen, daß seine mit ihm in mehr als 30jähriger Ehe verbundene, kongeniale Gattin, ihm von den ersten Zeiten der grundlegenden Arbeiten für sein mühsames Werk tatsächlich ein helfender Kamerad war, dessen Arbeitskraft er nicht hätte entbehren können. Mit dem Fortbestand des Werkes bleibt das Andenken an diesen „braven“ Mann gesichert für künftige Zeiten“
Transkript Ende

Familiengruft Familie Lehmann/Fischer am Wiener Zentralfriedhof, Foto: BM15_Brigitte Neichl 2021
Das Grab der Familie Lehmann/Fischer befindet sich am Wiener Zentralfriedhof, Friedhöfe Wien (Beim Bestattungsdatum dürfte ein Fehler vorliegen)

Wilhelmine Lehmann, geborene Fischer, starb 1922 mit 80 Jahren. Zwei Jahre zuvor, im April 1920, überließ sie den Städtischen Sammlungen Korrespondenzen und Gegenstände aus Lehmanns Nachlass. Ein Teil befindet sich heute in der Wienbibliothek im Rathaus, ein Teil im Wien Museum.

1922-02-09 Neues Wiener Tagblatt S 6, Wilhemine Lehmann (1842-1922), ANNO

Lehmanns Adressbuch 1904-1942

1908 erschien das Lehmann’sche Adressbuch zum 50. Mal.

Der Erste Weltkrieg brachten infolge Personalmangel einige Verzögerungen im Erscheinen mit sich.

Mitte August 1921 ging der Wohnungsanzeiger von der Verlagsbuchhandlung Alfred Hölder, deren Inhaber sich vom Geschäft zurückgezogen hatte, in den Besitz der „Österreichischen Anzeigen=Gesellschaft A.G.“ über.

1923 Lehmann’s Adressbuch, Wienbibliothek

Das Werk wurde 1923 in „Wiener Adreßbuch“ umgenannt und modernisiert. So wurde als Neuerung 1925 ein dritter Band eingeführt, der als Nachweis der Einwohnerschaft nach den einzelnen Häusern diente, die alphabetisch nach Gassen angeordnet waren. In den späteren Jahrgängen wurde dieser Nachweis übersichtlicher und handlicher gestaltet und dem zweiten Band beigefügt.

1934 erschien der „Lehmann“ zum 75. Mal.

„Rücksichtnahme auf die Gäste“ – subtile Werbung

Lehmann Adressbuch 1935, Umschlag S 2, Wienbibliothek

Transkript

Der „Lehmann“ erscheint alljährlich neu. Man erkennt die neueste Ausgabe an der Jahreszahl am Kopf der Seiten.

Jene Kaffee= und Gasthäuser, die stets den neuesten „Lehmann“ aufliegen haben, beweisen dadurch ihre Rücksichtnahme auf die Gäste:

Man wird finden, daß dieselben Gaststätten auch in sonstiger Beziehung die aufmerksamste Bedienung aufweisen.

Transkript Ende

„Juden (…) von der Aufnahme ausgeschlossen.“

1939 – während der NS-Herrschaft – verfasste der „Oberbürgermeister“ Hermann Neubacher (1938-1940) das Vorwort und schrieb u.a.: „Anlässlich des geschichtlichen Umbruches in der Ostmark, der einer weiteren großen Entwicklung der deutschen Donaustadt Wien den Weg in die Zukunft gebahnt hat, begrüße ich als Bürgermeister unserer Stadt die Ausgabe des bewährten Adreßbuches für das Jahr 1939 besonders.“ Eine Seite davor prangte ein Bild Adolf Hitlers mit der Bildunterschrift „Der Befreier“. (Lehmann 1939, Wienbibliothek)

Im Ausstellungskatalog „Die Vermessung Wiens. Lehmanns Adressbücher 1859-1942“ herausgegeben von Sylvia Mattl-Wurm und Alfred Pfoser, schreibt Alfred Pfoser im Einführungsartikel:

„Schon im Jahrgang 1939 wurden jüdische Geschäfts-und Firmeninhaber, jüdische Ärzte und Rechtsanwälte aus dem Adressbuch ausgespart, ohne dass dies thematisiert worden wäre. So war die Liste der in Wien ordinierenden Ärzte auffallend stark dezimiert. Man muss schon die Adressbücher sehr genau lesen, um zu entdecken, dass die große Änderung für das Personen- und Häuserverzeichnis im Jahrgang 1941 auch explizit angekündigt wurde. Hier findet sich am Ende der Inhaltsübersicht die klein gedruckte Anmerkung: ‚Zur Beachtung! Juden, die als solche für uns nach dem Runderlaß des RMdI vom 18. August 1938 sowie nach der 2. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen von Familien- und Vornamen erkennbar waren, wurden von der Aufnahme ausgeschlossen‘.

Wiener Adreßbuch. Lehmanns Wohnungsanzeiger (ohne letzte Eingemeindung) 1941. Erster Band. Wien: August Scherl Nachfolger, S 3, Wienbibliothek

„Juden waren also ab diesem Jahrgang im Lehmann nicht mehr existent. Die systematische Aberkennung der Bürgerrechte und der Ausschluss der Juden aus der Gesellschaft erreichte nun auch das Wiener Adressbuch. Noch bevor die großen Deportationen begannen, wurden ihre Spuren aus dem öffentlichen Bewusstsein gelöscht. Vor der nun administrativ vollzogenen Vernichtung senkt sich der Vorhang; im Adressbuch sollte sie nicht mehr nachvollziehbar sein. Ausschluss aus dem Geschäftsleben, Arisierung und Vertreibung ins Exil in den Jahren 1938 bis 1940 wurden noch öffentlich vollzogen. Konsequenterweise wurden Wohnungen, in denen Sammellager angelegt und Juden zusammengepfercht wurden, bevor sie in die Vernichtungslager kamen, nicht angeführt.“ (Alfred Pfoser, Wien im Register. Eine Einführung, in: Sylvia Mattl-Wurm, Alfred Pfoser (Hg.), „Die Vermessung Wiens. Lehmanns Adressbücher 1859-1942“, Wienbibliothek im Rathaus und Autoren, Metroverlag – Verlagsbüro W. GmbH, S. 25)

Das letzte Mal …

1942 erschien das Adressbuch dann zum letzten Mal, übrigens so wie die allererste Ausgabe ohne den Namen Adolf Lehmanns …

Wiener Adressbuch 1942, der letzte Jahrgang, Wienbibliothek

Lehmann 1932 im Bezirksmuseum

Im Museum haben wir übrigens auch einen „Lehmann“ und zwar von 1932 in zwei Bänden.

Adressbuch Lehmann von 1932 im Bezirksmuseum, Foto: BM 15_Brigitte Neichl 2022
Museumsleiterin Brigitte Neichl blättert im Lehmann’schen Adressbuch von 1932, Foto: BM 15_Birgit Dhibi 2022

Literatur und Quellen

Damit genug für heute:
Gehaben Sie sich wohl!
Ihre Brigitte Neichl

Verstand, Herz und gute Laune

Der Untertitel unseres Blogs lautet „DER KulturBlog aus Wien Rudolfsheim-Fünfhaus für Verstand, Herz und gute Laune, bei dem es um Menschen & Themen aus dem 15. Wiener Gemeindebezirk in Vergangenheit und Gegenwart geht.“

Den Zusatz „für Verstand, Herz und gute Laune“ gibt es seit 27.6.2021. Er ist eine Hommage an die Zeitschrift „Oesterreichisches Bürgerblatt für Verstand, Herz und gute Laune“, die von 1819-1857 (vom 6.1.1819-1819-29.7.1835 unter diesem Titel, dann in Variationen) im Verlag Friedrich Eurich erschien.

Wir identifizieren uns nicht mit der Ausrichtung dieser Zeitschrift. Diese drei Worte haben uns aber angesprochen, weil sie sehr anschaulich das ausdrücken, wofür wir stehen und weil die Kombination einfach genial ist 😉

Wir sind ständig bestrebt, unser Wissen über die Geschichte des 15. Bezirks zu erweitern und möchten diese Erkenntnisse auch an Sie als Leserinnen und Leser dieses Blogs weitergeben (Verstand) und wir berichten hauptsächlich über jene Menschen, die sonst keine Stimme hatten, wir möchten sie und ihr Leben sichtbar machen (Herz). Aber selbstverständlich soll auch der Humor nicht kurz kommen, denn er erleichtert das Leben und auf diesem Wege lässt sich auch sehr viel an Wissen transportieren (gute Laune).

Liebe Leserin, lieber Leser!

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Oder wie es Anton Ziegler 1828 (*) so schön ausgedrückt hat:

Jede Belehrung und Berichtigung, welche in Beziehung auf größere Vervollkommnung und Gemeinnutzmachung dieser Herausgabe beabsichtigt ist, wird mit dem ausgezeichnetsten Danke empfangen.

(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828

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2 Kommentare zu „Adolph Lehmann und sein Wiener Adressbuch

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