Was Sie schon immer über Rudolfsheim-Fünfhaus wissen wollten …
Erstmals veröffentlicht am 25.7.2019
Diesmal geht es um das Gasthaus Quell, das unter diesem Namen seit 1933 besteht. Doch bereits davor gab es an dieser Stelle ein Gasthaus und eine Schule. Die Geschichte beginnt bereits 1789.
Hier erfahren Sie regelmäßig interessante Details aus Vergangenheit & Gegenwart von Rudolfsheim-Fünfhaus, dem 15. Wiener Gemeindebezirk.
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Vom 18.7.2019-29.7.2021 erschienen insgesamt 100 Blogartikel in der Rubrik FAQ15-Was Sie schon immer über Rudolfsheim-Fünfhaus wissen wollten. Seit 12.8.2021 erwarten Sie nun jeden Donnerstag im Wechsel „renovierte“ Blogartikel und weitere bezirkshistorische Themen in der neuen Rubrik „Es war einmal“. Die Beiträge werden ergänzt, eventuell berichtigt und aktualisiert, wo dies nötig ist. Mehr dazu erfahren Sie HIER und HIER. Die bearbeiteten – „refurbden“ – Beiträge erkennen Sie an diesem Bild:




Gasthaus & Pfarrschule
Gasthaus ab etwa 1828 bis 1896
Kirchengasse, Reindorf 23 >>> ab 1863: Rudolfsheim, Kirchengasse 17 >>> ab 1892: Reindorfgasse 17
Schule (bis etwa 1894/95) / Gasthaus (seit 1898)
Kirchengasse, Reindorf 24 >>> ab 1863: Rudolfsheim, Kirchengasse 19 >>> ab 1892: Reindorfgasse 19
1787-1789 wurde die Pfarrkirche Reindorf „Zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit“ in der Reindorfgasse 21 / Oelweingasse 2 (ursprüngl. Braunhirschen 17; ab 1865 (*): Kirchengasse 21) gemeinsam mit einem Pfarrhof und einer Pfarrschule erbaut. Diese Pfarrschule, Ecke Reindorfgasse 19 / Oelweingasse (Reindorf 24), war damit die älteste Schule des späteren 15. Bezirks und bis 1825 auch die einzige Schule im Pfarrbezirk Reindorf.
(*) 1863 schlossen sich die drei Vororte Reindorf, Rustendorf und Braunhirschen zum Vorort Rudolfsheim zusammen, was eine neue Nummerierung der Häuser notwendig machte
Neben der Schule – Kirchengasse, Reindorf 23 – befand sich ab 1828 – vermutlich aber schon davor – das Gasthaus „zum guten Hirten“.
1828 scheint dort Joseph Reitermayer als Wirt auf, 1837 Joseph Fischer, 1843-1864 Kaspar Ruf bzw. seine Frau Franziska, ab 1892 Franz Mondl.







Franz Mondl (1858-1926) ist in Lehmanns Adressbuch erstmals 1890 als Gastwirt in der Apollogasse 3, im 7. Bezirk zu finden, 1891 im 2. Bezirk in der Taborstraße 76 und dann eben ab 1892 in der Reindorfgasse 17.


1896 wurde das Schulhaus durch einen Neubau ersetzt, die Kinder zogen in die Schulgebäude Dadlergasse 9 (Knaben) und Nummer 16 (Mädchen) um, die 1869 bzw. 1884 errichtet worden waren (vgl. Klusacek / Stimmer 1978: 155).
Franz Mondl übersiedelte dann 1898 von der Reindorfgasse 17 in die Reindorfgasse 19 / Ecke Prinz Karl Gasse 1 (Oelweingasse 1) und war damit der erste Wirt an diesem Standort.

Das einstöckige Gebäude links im Bild („Thee Anstalt“) ist vermutlich jenes, in dem ab etwa 1828 das Gasthaus „zum guten Hirten“ bestand.

So sieht es 2021 in der Reindorfgasse Ecke Oelweingasse aus.

(Besitzer seit 2004 Edi Peregi), Foto Brigitte Neichl, 2021
Franz Mondl starb am 9. April 1926 mit 67 Jahren an „Syringomyelie“ – Darunter versteht man einen länglichen, mit Flüssigkeit gefüllten Hohlraum im Rückenmark, der vor allem in der Halswirbelsäule zu beobachten ist. Im Verlauf kann die Syrinx in Länge und Breite an Größe zunehmen und das Rückenmark zunehmend schädigen.


Das Grab von Franz Mondl befindet sich am Meidlinger Friedhof.

Ab 1927 scheint Katharina Kessler in Lehmanns Adressbuch als Wirtin in der Oelweingasse 1 auf. Ihr Mann, Albert Kessler, der auf dem Lokal angeführt ist, starb am 15.10.1926.


Katharina Kessler wohnte nach der Übergabe des Gasthauses an Leopold Quell sen. in der Meinhartsdorfer Gasse 7.


Katharina Kessler starb 1945 und ist – wie ihr Mann – am Meidlinger Friedhof beerdigt.

Die Legende beginnt …
Ab 1934 ist Leopold Quell sen. in Lehmanns Adressbuch als Wirt angeführt. Laut Edi Peregi (dem jetzigen Besitzer des „Quell“) war Quell sen. bereits seit 1933 Besitzer des vormaligen Gasthauses Kessler.

In der Wiener Zeitung vom März 1949 lesen wir, dass Leopold Quell im Zusammenhang mit „Preistreiberei und und anderen Umtrieben gegen das Bedarfsdeckungsstrafgesetz“ eine Geldstrafe „bei der Abgabe von Fleischspeisen“ erhalten hat.

1965-2004 war das Gasthaus Quell im Besitz von dessen gleichnamigen Sohn Leopold Quell jun., dem Poldi.


Das „Quell“ wird zum Kultbeisl
Den Aufstieg zum „Kultbeisl“ verdankt das „Quell“ laut Christoph Wagner (1954-2010) einerseits
Poldis unverwechselbar-eigenbrötlerischem Charme
und dem
(…) trauten Nebeneinander unterschiedlichster Gästeschichten vom „Hackler“ bis zum Primarius, vom „angestreberten“ Abendschüler bis zur „durchgeistigten“ Nightfly und vom stillen, unbekannten Zecher bis zum altbekannten Promi. (Quelle: Webseite Gasthaus Quell)

Museumsleiterin Brigitte Neichl ist ebenfalls „quellerfahren“
Auch Brigitte Neichl gehörte in den 1980er-Jahren zu den „angestreberten Abendschüler*innen“, die nach dem Besuch des Abendgymnasiums am Henriettenplatz 6 (1925-2015; jetzt 1210, Brünner Straße 72) manchen Abend beim „Quell“ verbrachte. Auch die Maturafeier fand im Extrazimmer des „Quell“ statt. Noch unter der herb-charmanten Betreuung von Poldi Quell persönlich.
2021 sprach Brigitte Neichl im Rahmen des Projekts „Mein Leben im 15.“ über ihre Erinnerungen an das Abendgymnasium am Henriettenplatz – das Gasthaus Quell durfte da in der Erzählung natürlich auch nicht fehlen.
In den 1990er Jahre wurde das Stammlokal des Autors Günter Brödl (1955-2000) zum ebensolchen der Kunstfigur „Ostbahn-Kurti“, dargestellt von Willi Resetarits (geb. 1948) und Schauplatz des ersten (auch verfilmten) Ostbahn-Krimis „Blutrausch“ (1995).
Brödls Vater gehörte übrigens ein Bettwarengeschäft schräg gegenüber vom „Quell“ in der Reindorfgasse.
Andrea Dusl beschreibt die Reindorfgasse in einem Artikel im Falter 1999:
Die Reindorfgasse ist ein kleines montmartriges Gassl mit freundlichen kleinen, überaus bunt bewohnten Häusern. (Andrea Dusl, Falter 1999)
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Im Roman „Kopfschuß“, dem „4. Teil der Ostbahn-Trilogie“ stellt sich der Held folgendermaßen vor:
„Mein Name ist Ostbahn. Kurt Ostbahn, und ich komme aus der Reindorfgasse in Wien-Fünfhaus, wo ich im dritten Stock des Zwölferhauses eine generalsanierte Altbauwohnung bewohne, wenn ich nicht grad´ acht Monate im Jahr auf Tournee oder bei Ricky Gold in Ollersbach im Tonstudio bin.“ (Andrea Dusl)
Am 1.10.2004 übergab Leopold Quell sein Lokal an Eduard Peregi, der den Namen „Quell“ beibehielt.

2014 eröffnete Peregi das „Eduard“ am Sparkassaplatz 1 seit 2018 betreibt er gemeinsam mit Jakob Jensen und Andreas Döcler das ehemalige Gasthaus „Zur Maria vom Siege“ als „Dingelstedt 3“.
Die Wirt*innen des Gasthauses Reindorfgasse 17 „zum guten Hirten“:
- Joseph Reitermayer (1828 erwähnt – ???)
- Joseph Fischer (1837 erwähnt – ???)
- Kaspar Ruf bzw. seine Frau Franziska (1843-1864 erwähnt – ???)
- Franz Mondl (1892-1926; 34 Jahre); ab 1898 Oelweingasse 1
Die Wirt*innen des Gasthauses Oelweingasse 1:
- Franz Mondl ab 1898
- Katharina Kessler (1927-1934: 7 Jahre)
- Leopold Quell sen. (1934-1965: 31 Jahre)
- Leopold Quell jun. (1965-2004; 39 Jahre)
- Eduard Peregi (2004- …)
Quellen
- Abendgymnasium Henriettenplatz
- Nachruf Christoph Wagner
- Falter-Artikel über Günther Brödl
- Webseite Gasthaus Quell
- Wien’s nächste Umgebungen. An den Linien. Die Ortschaften Fünfhaus, Sechshaus, Braunhirschen, Reindorf und Rustendorf. Mit einem Übersichts-Plane. herausgegeben vom Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez. Wien 1828, Wienbibliothek
- Matricula Online
- ANNO Historische Zeitungen und Zeitschriften
- Lehmann Online
- Verstorbenensuche – Friedhöfe Wien
Verstand, Herz und gute Laune
Der Untertitel unseres Blogs lautet „DER KulturBlog aus Wien Rudolfsheim-Fünfhaus für Verstand, Herz und gute Laune, bei dem es um Menschen & Themen aus dem 15. Wiener Gemeindebezirk in Vergangenheit und Gegenwart geht.“
Den Zusatz „für Verstand, Herz und gute Laune“ gibt es seit 27.6.2021. Er ist eine Hommage an die Zeitschrift „Oesterreichisches Bürgerblatt für Verstand, Herz und gute Laune“, die von 1819-1857 (vom 6.1.1819-1819-29.7.1835 unter diesem Titel, dann in Variationen) im Verlag Friedrich Eurich erschien.
Wir identifizieren uns nicht mit der Ausrichtung dieser Zeitschrift. Diese drei Worte haben uns aber angesprochen, weil sie sehr anschaulich das ausdrücken, wofür wir stehen und weil die Kombination einfach genial ist
Wir sind ständig bestrebt, unser Wissen über die Geschichte des 15. Bezirks zu erweitern und möchten diese Erkenntnisse auch an Sie als Leserinnen und Leser dieses Blogs weitergeben (Verstand) und wir berichten hauptsächlich über jene Menschen, die sonst keine Stimme hatten, wir möchten sie und ihr Leben sichtbar machen (Herz). Aber selbstverständlich soll auch der Humor nicht kurz kommen, denn er erleichtert das Leben und auf diesem Wege lässt sich auch sehr viel an Wissen transportieren (gute Laune).
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Oder wie es Anton Ziegler 1828 (*) so schön ausgedrückt hat:
Jede Belehrung und Berichtigung, welche in Beziehung auf größere Vervollkommnung und Gemeinnutzmachung dieser Herausgabe beabsichtigt ist, wird mit dem ausgezeichnetsten Danke empfangen.
(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828
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16 Kommentare zu „#FAQ15/002 Seit wann gibt es eigentlich das legendäre Gasthaus Quell?“