Was Sie schon immer über Rudolfsheim-Fünfhaus wissen wollten …
Die Geschichte des heutigen 15. Bezirks beginnt im Wesentlichen in der Zeit nach der Zweiten Türkenbelagerung. Nach 1683 entstanden – zum Teil durch den Wiederaufbau zerstörter Siedlungen – allmählich vereinzelt Bauten, um die sich weitere Häuser und Wirtschaftsgebäude bildeten. Im 18. Jahrhundert entstehen dann jene Dörfer, aus denen später der 15. Bezirk hervorgegangen ist. Anton Ziegler und Graf Carl Vasque brachten 1828 ein schmales Bändchen heraus, in dem sie diese Gegend genau beschrieben.
Sie interessieren sich für interessante Details aus Vergangenheit & Gegenwart von Rudolfsheim-Fünfhaus, dem 15. Wiener Gemeindebezirk? Dann sind Sie hier richtig beim Blog WIENfünfzehn!
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Fünf Dörfer bei Wien – unendliche Weiten.
Wir schreiben das 21. Jahrhundert. Dies sind die abenteuerlichen Erkenntnisse des Bezirksmuseums Rudolfsheim-Fünfhaus, das mit seiner 20 Personen starken Besatzung seit 1972 unterwegs ist, um vergangene Ereignisse zu erforschen, das Leben unserer Vorfahren zu ergründen und einen Beitrag zu Gegenwart und Zukunft der Stadt zu leisten. Mitten im 15. bringt das Museumsteam Erkenntnisse ans Licht, die Sie so vielleicht noch nie zuvor gehört haben.
Die Geschichte des heutigen 15. Bezirks beginnt im Wesentlichen in der Zeit nach der Zweiten Türkenbelagerung (1683). Davor gab es immer wieder kleiner Ansiedlungen, z. B. Meinhardisdorf um 1178. Die Menschen lebten vom Ackerbau und vom Weinbau. Der Grund war meist im Besitz der Kirche, zum Beispiel dem Orden St. Michael.
Nach 1683 entstanden – zum Teil durch den Wiederaufbau zerstörter Siedlungen – allmählich vereinzelt Bauten, um die sich weitere Häuser und Wirtschaftsgebäude bildeten.
- Das Schloss Plankenau an der späteren (Äußeren) Mariahilfer Straße (in etwa auf der Höhe der heutigen Grimmgasse), erbaut um 1696
> später Teil von Reindorf / Braunhirschen - Drei Gärtnerhäuser im Park von Schloss Plankenau, in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
> später Teil von Reindorf / Braunhirschen - Der Nentwichhof an der späteren (Äußeren) Mariahilfer Straße (in etwa im Bereich zwischen Karmeliterhofgasse und Staglgasse), erbaut um 1701
> später Teil von Fünfhaus - Fünf Weinhauerhäuschen am Schwanenbergl (heute: Clementinengasse), erbaut 1708/10
> später Teil von Fünfhaus - Zunächst fünf, dann sechs Häuser an der späteren Sechshauser Straße (im Bereich des Sechshauser Gürtels), um 1694 / 1704 / 1769
> später Teil von Sechshaus - Einige Einkehrgasthöfe an der späteren Mariahilfer Straße (in etwa auf der Höhe der Lehnergasse), 18. Jahrhundert – später Teil von Rustendorf
Im 18. Jahrhundert entstehen dann allmählich jene Dörfer, aus denen später der 15. Bezirk hervorgegangen ist. Auf der Karte von 1706 erkennt man, dass der heutige 15. Bezirk noch sehr dünn besiedelt ist. Im Wesentlichen ist nur ein größerer Gebäudekomplex an der heutigen Mariahilfer Straße, der Nentwichhof – später Karmeliterhof. Auf diesem Areal befand sich dann später die Oesterlein’sche Gewehrfabrik (1783 errichtet), dann das Brauhaus (1786). Heute befindet sich auf diesem Gebiet u.a. das Amtshaus Rudolfsheim-Fünfhaus (erbaut 1882-1884) und die Volksschule Friedrichsplatz.
Beim zweiten Gebäudekomplex handelt es sich um Schloss Plankenau, 1696 errichtet, das sich etwa zwischen der heutigen Dadlergasse und Braunhirschengasse befand.

Wiens nächste Umgebungen
1828 erschien der 4. von insgesamt sieben Bänden der Reihe „Wien’s nächste Umgebungen. An den Linien“. In der digitalen Wienbibliothek können Sie diese einsehen und auch herunterladen.

Auf 72 Seiten beschreiben darin Anton Ziegler und Graf Carl Vasquez die fünf Ortschaften Fünfhaus, Sechshaus, Braunhirschen, Reindorf und Rustendorf, aus denen später der 15. Bezirk entstehen sollte.

In der Einleitung berichten Ziegler und Vasquez kurz über die Entstehung der 5 Dörfer.
Fünfhaus
In früherer Zeit hatte der (…) Ort Fünfhaus die Benennung ‚hangende Lüsse oder hangender Liß‘. Den heutigen Namen erhielt dieses Dorf erst vor ungefähr einem halben Jahrhundert (gemeint um 1780, Anm.), da zu jener Zeit nicht mehr als fünf Häuser in dieser großen Felder=Ebene angebaut waren.
Auch der diesem Orte an der Straße gegenüber und zu nächst liegende ehemalige Karmeliterhof, in welchem Herr Oesterlein ein schönes Wohngebäude, und gleich nebenan ein langes Gebäude für die Gewehrfabrike, welche er aus der Wiener=Vorstadt Alsergrund zu größeren Erweiterung hierher verlegte, herstellen ließ, wurde bey der neuen Numerirung des Wiener=Vorstadtgrunde Schottenfeld mit seiner nicht unbedeutenden Nebengebäuden, dem im Jahre 1755 entstandenen Dorfe Fünfhaus zugewiesen. Die Ortsobrigkeit wird sowohl über den sogenannten Karmeliterhof, als auch über die in seiner Nähe liegenden Nebengebäude derzeit von dem Barnabitten Collegium zu St. Michael in Wien (…) ausgeübt.

Braunhirschen
Unmittelbar an Fünfhaus schließt sich der Ort Braunhirschen und erstreckt sich längs der stark befahrenen Poststraße (=Mariahilfer Straße) bis zu dem Seitenwege nach dem k.k. Lustschloße Schönbrunn führ(t). (…) Der Name dieses Ortes „Braunhirschen“ wird von dem ehemaligen freyen Werdenbergerhof, welcher aus einem Wirthshaus zum braunen Hirschen genannt, bestand, hergeleitet. Aus diesem kleinen Anfange entstand im Verlaufe der Zeit das heutige Dorf, in welchem sich jetzt mehrere ansehnliche Gebäude, worunter vorzüglich das Freih. V. Arnstein‘sche mit seinem großen Garten zu bemerken ist, befinden.
Bis in die 70er Jahre des 18. Jhdts. gab es rund um den heutigen Henriettenplatz nur Wiesen, Felder und Weingärten. Dann entstand hier ein Haus mit Garten, das schließlich Ende des 18. Jhdts., genau am 21.10.1793 von Fanny und Adam von Arnstein erworben wurde. Fanny machte das Palais zu einem Treffpunkt bekannter Persönlichkeiten aus Kunst, Literatur und Finanzen. Sie starb 1818, ihr Mann 1838.
Ab 1845 wurde der Arnstein’sche Besitz allmählich verbaut. Es entstand u.a. die Arnsteingasse und der Henriettenplatz. Benannt übrigens nach der Tochter von Fanny von Arnstein.
1828 bestand das Palais und die riesige Gartenanlage aber noch. Auch von Karl Schwender, der 1835 zuerst ein Kaffeehaus, dann ein ausgedehntes Vergnügungsgebäude – Schwenders Colosseum – errichten sollte, gab es noch keine Spur.

Rustendorf
Das gleichfalls naheliegende Dörfchen Rustendorf schließt sich an den Ort Braunhirschen, und endigt die lange Reihe von Häusern, welche sich von der Mariahilfer=Linie angefangen, bis gegen die Seitenstraße nach Schönbrunn führend, hinerstrecket.
Sechshaus
Nächstgelegen an der Gumpendorfer= oder neuen Linie (errichtet 1790, Anm.) liegt rechts an der Straße der bereits schon besprochene Ort Fünfhaus, links, aber der Ort Sechshaus, welcher sich gegen die großen Wehre, in dem Windfluße, gegenüber von dem Orte Meidling, hinzieht.
Reindorf
Der Ort Reindorf, gewöhnlich, aber „in der Rein“ genannt, liegt zwischen Fünfhaus, Sechshaus und dem Braunhirschengrunde. Hier befindet sich die gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts erbaute Kirche, zu Ehren der heil. Dreyfaltigkeit (Reindorfkirche 1789, Anm.) geweiht, mit einem hübsch gedeckten Thurme.“

Wie sah es nun 1828 in Wien und dessen nächster Umgebung aus?
LINIENWALL
Der unter Leopold I. (1640-1705) nach einem Entwurf des Hofmathematikers Johann Jakob Marioni (1676-1755) errichtete Linienwall bestand seit 124 Jahren.
Der Linienwall war eine leichte Befestigungsanlage zwischen den Vorstädten und den Vororten Wiens und bestand von 1704-1894.
Der Wall war 13,5 km lang, 4 m hoch, 4 m breit und wurde im Zickzack angelegt. Der Entwurf stammte vom Hofmathematiker Johann Jakob Marioni (1676-1755).
Der Linienwall reichte vom Wiener Arm der Donau (Donaukanal) bei St. Marx (3. Bezirk) bis zum Lichtenthal (9. Bezirk).
Alle Bewohner zwischen 18 und 60 Jahren mussten beim Bau mitarbeiten (oder einen Vertreter stellen). Der Linienwall war zuerst ein Erdwall, der mit Palisaden (*) verstärkt wurde. 1738 wurde dieser mit Ziegeln aufgemauert.
An den wichtigen Ausfallstraßen gab es (vorerst neun) Tore mit Zugbrücken und Linienämtern ( genannt Linie):
• Nußdorfer Linie
• Währinger Linie
• Hernalser Linie
• Lerchenfelder Linie
• Mariahilfer Linie
• Hundsturmer Linie
• Matzleinsdorfer Linie
• Favoritner Linie und
• St. Marxer Linie
(*) Palisaden: 20-30cm starke, 3-4m lange, oben tlw. zugespitzte Pfähle.
Durch den Linienwall waren Stadt und Vorstädte erstmals deutlich von den Vororten getrennt. Damit wurde eine Grenze im Wiener Siedlungsgebiet konstituiert, die bis heute erkennbar ist und nachwirkt. (vgl. Hauer 2010: 22)
Im Bereich des heutigen 15. Bezirks gab es zwei Durchlässe: Bei der Mariahilfer Straße (Mariahilfer Linie) und ab 1790 bei der Gumpendorfer Straße (Gumpendorfer oder Neue Linie).

Ab 1829 war der Linienwall vor allem eine Steuergrenze. An den Linienämtern wurde die sogenannte Verzehr(ungs)steuer eingehoben.
Mehr zum Linienwall erfahren Sie hier.
STADTMAUER
Wien (der heutige 1. Bezirk) war noch von einer Stadtmauer umgeben. Vor der Stadtmauer lagen die Vorstädte (die heutigen Bezirke 2 bis 9). Diese werden vom bereits erwähnten Linienwall umschlossen.
Die Vorstädte werden 1850 eingemeindet, die Stadtmauer ab 1857 abgetragen. Die Vororte kamen 1890/92 zu Wien. Der Linienwall wurde ab 1894 abgetragen.
REINDORFKIRCHE
Die Kirche zur heil. Dreyfaltigkeit besteht seit fast 40 Jahren.
Doch lassen wir wieder Anton Ziegler und Graf Carl Vasquez erzählen.
„Gleich außerhalb der Mariahilfer=Linie links an der mit einer herrlichen Pappel=Allee besetzten und ungemein lebhaften Poststraße, welche nach Oesterreich ob der Enns führt, liegen die gleichzeitig entstandenen Ortschaften Fünfhaus, Sechshaus, Reindorf, Braunhirschen und Rustendorf, welche jetzt eine zusammenhängende Masse von ungefähr 500 Häusern mit vielen weitläufigen Gärten, und noch ungebauten Baustellen ausmachen.“

Fünf lebhafte Ortschaften
Alle diese zusammenhängenden, zahlreich bevölkerten Ortschaften sind ein auffallendes Beyspiel von schnell emporgekommener Commercial=Industrie, und von der daraus entstandenen häufigen Ansiedlung.
Vor 60 bis 70 Jahren (1758-68, Anm.) war dieser weite Bezirk, nämlich den Wienfluß und die Poststraße (=Mariahilfer Straße, Anm.) begränzend, von der Gumpendorfer= und Mariahilfer=Linie angefangen, bis zur Seitenstraße nach dem k.k. Lustschloße Schönbrunn führend, blos eine große fruchtbare Felder und herrlich begrünte Wiesen=Ebene, auf welcher die bereits besprochenen einzelnen Häuser, zerstreut angebauet waren.
Vorzugsweise werden die Häuser dieser fünf sehr lebhaften, und zur Sommerszeit von den Wienern stark besuchten Ortschaften, außer verschiedenen Künstlern und Handwerkern, auch von vielen Fabrikanten und Commerzial = Arbeitern bewohnt.
Ein großer Theil der Einwohner ernähren sich von der Viehzucht, Gärtnerey und dem Milchhandel.
Ziegler und Vasquez geben auch die Entfernung der Mariahilfer bzw. Gumpendorfer Linie bis zur Stadt an. Von der Mariahilfer Linie sind es ungefähr 3000 Schritte – ein Selbstversuch im Juli 2021 bestätigt dies – von der Stadt bis zur Gumpendorfer Linie werden 3800 Schritte angegeben.
Auf dem beigefügten Plan sieht man den Linienwall, die beiden Durchlässe – Mariahilfer und Gumpendorfer Linie und die fünf Dörfer – farblich unterschieden.


Lassen Sie uns in den folgenden fünf Blogartikeln – angeleitet von Ziegler und Vasquez – durch diese fünf Orte spazieren, die Gassen und Häuser samt deren Besitzer*innen inspizieren und ergründen, was uns heute noch an diese Zeit erinnert.
An den Artikeln wird dzt. gearbeitet – die Links folgen nach und nach. Schauen Sie daher immer wieder mal rein. Wenn Sie unseren Blog abonnieren, werden Sie automatisch informiert.
- Fünfhaus
- Sechshaus
- Reindorf
- Rustendorf
- Braunhirschen
Quellen
- Wien‘s nächste Umgebungen. An den Linien. Die Ortschaften Fünfhaus, Sechshaus, Braunhirschen, Reindorf und Rustendorf. Mit einem Übersichts-Plane. herausgegeben vom Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez. Wien 1828.
- Hauer Friedrich: Die Verzehrungssteuer 1829-1913 als Grundlage einer umwelthistorischen Untersuchung des Metabolismus der Stadt Wien,Social Ecology Working Paper 129, IFF – Social Ecology 2010

Damit genug für heute:
Gehaben Sie sich wohl!
Ihre Brigitte Neichl
Verstand, Herz und gute Laune
Der Untertitel unseres Blogs lautet „DER KulturBlog aus Wien Rudolfsheim-Fünfhaus für Verstand, Herz und gute Laune, bei dem es um Menschen & Themen aus dem 15. Wiener Gemeindebezirk in Vergangenheit und Gegenwart geht.“
Den Zusatz „für Verstand, Herz und gute Laune“ gibt es seit 27.6.2021. Er ist eine Hommage an die Zeitschrift „Oesterreichisches Bürgerblatt für Verstand, Herz und gute Laune“, die von 1819-1857 (vom 6.1.1819-1819-29.7.1835 unter diesem Titel, dann in Variationen) im Verlag Friedrich Eurich erschien.
Wir identifizieren uns nicht mit der Ausrichtung dieser Zeitschrift. Diese drei Worte haben uns aber angesprochen, weil sie sehr anschaulich das ausdrücken, wofür wir stehen und weil die Kombination einfach genial ist 😉
Wir sind ständig bestrebt, unser Wissen über die Geschichte des 15. Bezirks zu erweitern und möchten diese Erkenntnisse auch an Sie als Leserinnen und Leser dieses Blogs weitergeben (Verstand) und wir berichten hauptsächlich über jene Menschen, die sonst keine Stimme hatten, wir möchten sie und ihr Leben sichtbar machen (Herz). Aber selbstverständlich soll auch der Humor nicht kurz kommen, denn er erleichtert das Leben und auf diesem Wege lässt sich auch sehr viel an Wissen transportieren (gute Laune).
Liebe Leserin, lieber Leser!
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Oder wie es Anton Ziegler 1828 (*) so schön ausgedrückt hat:
Jede Belehrung und Berichtigung, welche in Beziehung auf größere Vervollkommnung und Gemeinnutzmachung dieser Herausgabe beabsichtigt ist, wird mit dem ausgezeichnetsten Danke empfangen.
(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828
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5 Kommentare zu „#FAQ15/094 Wie sah es 1828 im heutigen Rudolfsheim-Fünfhaus aus?“