Was Sie schon immer über Rudolfsheim-Fünfhaus wissen wollten …
Personenwaagen gehören zu den „Stadtmöbeln“. Dies ist der Oberbegriff für einige Gegenstände im Außenbereich des öffentlichen und privaten Stadtraums. Erstmals nach Wien gelangten diese in den 1880er-Jahren. Aktuell gibt es noch 150 Stück davon in Wien. Einige davon auch im 15. Bezirk.
Sie interessieren sich für interessante Details aus Vergangenheit & Gegenwart von Rudolfsheim-Fünfhaus, dem 15. Wiener Gemeindebezirk? Dann sind Sie hier richtig beim Blog WIENfünfzehn!
Haben Sie auch eine Frage? Dann schreiben Sie uns unter faq15@bm15.at

Unsichtbare Sehenswürdigkeiten
Wenn Sie vom südlichen Teil von Rudolfsheim-Fünfhaus über die Schmelzbrücke gehen, sehen Sie gegenüber der Sir Karl Popper-Schule ein Gebilde, das heute nur mehr ganz selten im Wiener Stadtbild anzutreffen ist: eine Personenwaage.
Für 20 Cent (2,75 Schilling) erfahren Sie Ihr Gewicht. In Schillingzeiten kostete die Auskunft 1 Schilling (=0,07 Cent) …


150 solcher Waagen gibt es noch in Wien (österreichweit rund 400). Im 15. Bezirk gibt es dzt. 8 davon.
Haben Sie auch schon eine entdeckt?
Wenn Sie eine Personenwaage in Rudolfsheim-Fünfhaus sehen, machen Sie ein Foto und schicken Sie es uns mit den Infos zum genauen Standort unter office@bm15.at. Wir sammeln die Infos und ergänzen diesen Blogartikel laufend.

Man findet die Personenwaagen bei Öffi-Haltestellen, auf Märkten und auf Plätzen. Meist aber nimmt man sie aber nicht wahr. Sie sind unsichtbare Sehenswürdigkeiten.
Betrieben und betreut werden diese von Karin und Andreas Popp, die in Pinkafeld im Burgenland eine Schlosserei besitzen. 1988 haben sie das Geschäft vom letzten Münzwiegeunternehmer Stephan Szupper übernommen. Bereits 1978 wurde die letzte Münzpersonenwaage der Firma Berkel ausgeliefert.
Möbel in der Stadt
Personenwaagen gehören zu den „Stadtmöbeln“. Der Begriff Stadtmöbel (auch Straßenmöbel) ist der Oberbegriff für einige Gegenstände im Außenbereich des öffentlichen und privaten Stadtraums, auf Plätzen oder auch in Parkanlagen, die vergleichbar dem klassischen Mobiliar den Stadtraum möblieren und zweckgebunden sind.
Dazu zählen auch Brunnen, Laternen, Litfaßsäulen, Feuermelder, Uhren, Telefonzellen, Haltestellensäulen, Straßennamensschilder, Oberleitungsmasten der Straßenbahn, Schaltkästen, Wartehallen, Reklametafeln, Briefkästen, Abfallbehälter, Blumenkübel, Belüftungsschächte, Gehsteigeinfassungen und Ruhebänke.
Im Gegensatz zu Gebäuden und anderen baulichen Anlagen haben diese Objekte eine Dimension, die näher an der Größenordnung von Möbelstücken ist als an der von Architektur, und die teilweise ähnliche Funktionen haben wie klassische Möbel. Daher der Name Stadtmöbel.
Wie kam die Personenwaage nach Wien?
Bereits 1883 lernte Kaiser Franz Josef I. bei der „Internationalen pharmazeutischen Ausstellung“ eine Personenwaage, noch ohne Münzeinwurf, aber mit Wiegesessel, kennen.
„Bei der Personenwaage angelangt nahm der Kaiser, die Bitte des Fabrikanten Florenz gewährend, auf dem Wiegesessel Platz. Das Gewicht zeigte 65 Kilogramm. Der Monarch nahm diese Ziffer lächelnd zur Kenntnis und ließ sich dann die ganze Construction zeigen. Nach dreiviertelstündigem Aufenthalte verließ der Monarch, nachdem er seiner Befriedigung Ausdruck gegeben, die Ausstellung unter Hochrufen des versammelten Publicums.“

So sah diese Personenwaage mit Wiegesessel aus.

„Genial construirte automatisch-elektrische Personenwaage“ im Römischen Bad
Aus der Wiener Presse vom 11.4.1887 erfahren wir, dass sich im Warteraum des Römischen Bades im 2. Bezirk Leopoldstadt in der Nähe des Pratersterns, „eine wahrhaft genial construirte automatisch-elektrische Personenwaage“ befindet, „über deren Gebrauch die Inschrift (belehrt), daß man ein Zehnkreuzerstück in die Einwurfsspalte zu geben habe“.
Das 1872 eröffnete Römische Bad am Praterstern wird vom damaligen „Director Dr. Heinrich“ folgendermaßen bescheiden beworben:
„kein Bad der Welt übertrifft dasselbe.“

1887 spielte sich im Römischen Bad eine lustige Szene ab, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten. Sie können Sie als Audio-Transkript anhören.


Audio-Transkript „Die Waage des Gerechten“
Im Februar 1888 preist Julius Benk die „automatische, selbstcassirende Personenwaage“ an, die „billigst auch auf Ratenzahlung“ erworben werden konnte.

Die Personenwaage erobert Wien
Im Mai 1888 bei der Jubiläums-Gewerbe-Ausstellung anlässlich des 4o-jährigen Thronjubiläums von Kaiser Franz Josef I. im Prater wurden die neuesten Erzeugnisse der österreichischen Industrie- und Gewerbeproduktion vorgestellt. Dabei konnte erstmals ein breiteres Publikum eine der „automatische Waagen mit Münzeinwurf“ erproben.
Ab dann war der Siegeszug der Personenwaage mit Münzeinwurf nicht mehr aufzuhalten.
„Die Modelle, die man heute in der Stadt findet, sind teilweise fast Originale. Sie bestehen aus einem Podest, das mit einem kastenförmigen Metallkorpus verbunden ist, der den Einwurfschlitz für die Münzen und – in Augenhöhe und hinter Glas – eine runde Anzeige mit Kilogramm-Skala und Zeiger aufweist.
Das Design der Waagen durchlief nur einige kleine Anpassungen, was auch währungsbedingt war. So kostete das Wiegen früher noch drei Kreuzer, später zehn Groschen, dann einen Schilling, bis dieser bei der letzten Währungsreform von 20 Cent abgelöst wurde.
Die Farben der Waagen sind nicht unauffällig, vor allem die roten Modelle sorgen beim Vorbeigehen für Aufmerksamkeit. In der Zwischenkriegszeit verbreiteten sich die öffentlichen Personenwaagen in Wien immer mehr, es kamen neue Hersteller dazu, so auch das niederländische Unternehmen Van Berkel, deren Logo die Waagen heute noch ziert.“ (Quelle: the gap)
Heutzutage haben die Personenwaagen nur mehr nostalgischen Wert. „Sie sind Relikte aus einer Zeit, als man noch keine Personenwaagen zu Hause hatte. Ende des 19. Jahrhunderts waren öffentliche Waagen eine Sensation. Erst in den 1970er-Jahren begann das Geschäft zu erliegen.“ (Quelle, Falter)
Aber sie erinnern uns immer noch an die technische Innovation um 1888.
Helfen Sie uns, die Zahl der Personenwaagen und ihre Standorte im 15. Bezirk herauszufinden!
Wenn Sie eine Personenwaage in Rudolfsheim-Fünfhaus sehen, machen Sie ein Foto und schicken Sie es uns mit den Infos zum genauen Standort unter office@bm15.at. Wir sammeln die Infos und ergänzen diesen Blogartikel laufend.
Update 28.6.2021: Das Gold liegt in der Burggasse …

Bei der U6-Station Burggasse (Hauptaus/ein/gang, Autobus-Station 48A Richtung Ring, Volkstheater) befindet sich eine wunderschöne goldene Personenwaage. Fotos: Brigitte Neichl, 2021
Update 29.5.2021: Zwei „Silberlinge“ gegenüber vom Westbahnhof

Fotos: Brigitte Neichl, 2021
Update 26.5.2021: „Lady in red“ am Reithofferplatz

Standort: Reithofferplatz bei der Märzstraße, Fotos Maurizio Giorgi, 2021
Quellen
- Wikipedia, Stadtmöbel
- Peter Payer, historische Stadtforschung
- Peter Payer, „Prüfe Dein Gewicht!“, in: Die Presse/Spectrum, 7.4.2012
- Peter Payer, Zur Geschichte der öffentlichen Personenwaagen in Wien, in: Forum Stadt 3/2012, 308
- DerStandard: Ewig Schwergewichte: Die öffentlichen Personenwaagen in Wien
- stadtbekannt.at: Öffentliche Personenwaagen
- the gap: Selbstkontrolle kostet in Wien 20 Cent
- Falter: 7 Sachen, die Sie über öffentliche Personenwaagen nicht wussten
- Der Standard: Popp’scher Kampf gegen die Fadesse

Damit genug für heute:
Gehaben Sie sich wohl!
Ihre Brigitte Neichl
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Oder wie es Anton Ziegler 1828 (*) so schön ausgedrückt hat:
Jede Belehrung und Berichtigung, welche in Beziehung auf größere Vervollkommnung und Gemeinnutzmachung dieser Herausgabe beabsichtigt ist, wird mit dem ausgezeichnetsten Danke empfangen.
(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828
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2 Kommentare zu „#FAQ15/090 Kennen Sie die Personenwaage bei der Schmelzbrücke?“