Was Sie schon immer über Rudolfsheim-Fünfhaus wissen wollten …
Die Alte Hühnersteige war ein Gasthaus, das über 100 Jahre bestanden hat und das sich neben dem Linienwall an der Mariahilfer Linie befand. Die Langauergasse und die Palmgasse erinnern noch an dieses traditionsreiche Bauwerk, das schließlich der neuen Zeit weichen musste. In unserer dreiteiligen Artikelserie erfahren Sie mehr über die Geschichte des Gebäudes und der dort tätigen Wirtsleute. Teil 1 beleuchtet die Zeit vom 18. Jahrhundert bis 1881.
Sie interessieren sich für interessante Details aus Vergangenheit & Gegenwart von Rudolfsheim-Fünfhaus, dem 15. Wiener Gemeindebezirk? Dann sind Sie hier richtig beim Blog WIENfünfzehn!
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Teil 2:
FAQ15/086 Alte Hühnersteige Teil 2: Wer waren Franz Schlichtinger & Josefa und Franz Klee?
Teil 3:
FAQ15/086 Alte Hühnersteige Teil 3: Wer waren Agnes und Rupert Gusterschütz?
Vom (Schwarzen) Rössl zur Alten Hühnersteige
Bereits im 18. Jahrhundert befand sich an dieser Stelle ein Gasthaus. Laut einem Bericht im Neuen Wiener Tagblatt vom 27.2.1883 vor 1818 unter dem Namen „zum Schwarzen Rössl“. Seit wann genau das Wirtshaus an der Mariahilfer Linie bereits bestand, ist dzt. noch nicht erforscht.
Auf einem Plan von 1755 ist das Gebäude bereits zu erkennen – an der „Marie Hilffer Linie“.

Der erste bisher belegbare Besitzer des Gasthauses ist Karl Palm (1801-gest. am 27.1.1861) – die 1864/1869 in Palmgasse benannte Gasse, ist laut Weyrich (1922) nach ihm benannt.

Anton Ziegler führt Karl Palm bereits 1828 als Besitzer des Hauses und 1837 mit dem Zusatz „Gasthaus“ jeweils mit der Nummer 118 auf.
1828: Wien‘s nächste Umgebungen. An den Linien. Die Ortschaften Fünfhaus, Sechshaus, Braunhirschen, Reindorf und Rustendorf. Mit einem Übersichts-Plane. herausgegeben vom Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez

1837: Wegweiser, in den Ortschaften: Fünfhaus, Sechshaus, Braunhirschen, Reindorf und Rustendorf (Außer der Mariahilfer Linie). Mit einem Grundrisse. Herausgegeben von Anton Ziegler. Auf den Kosten des Verfassers

In der Wiener Zeitung vom 23.2.1851 wird Karl Palm als Hausinhaber und Wirth in Fünfhaus 118 angeführt.

Palm änderte den Namen in „zur Hühnersteige“. Der Name leitete sich offenbar von den Hühnersteigen ab, die hierhergebracht wurden, um Hühner zu verkaufen (vgl. WienGeschichteWiki).
Johann Langauer (1808-1881) kam mit etwa 13 Jahren nach Fünfhaus und fing in der damals schon gut besuchten alten Hühnersteige zu arbeiten an. 1839 übergab ihm Karl Palm das Wirtshaus (Neues Wiener Tagblatt vom 27.2.1883).

Noch 1843 wird das Haus im Häuserschema als „Rössl“ geführt.


Palm starb am 27.1.1861 mit 60 Jahren.


Die (vermutlich) nach 1864/69 nach Karl Palm benannte Palmgasse.


Johann Langauer – Hausbesitzer, Wirt und stv. Bürgermeister von Fünfhaus
1839 übernahm Johann Langauer das Lokal und führte es zum „Gipfelpunkt seiner Popularität“. Am 26. Oktober 1848 (Märzrevolution) wurde das Haus „behufs besserer Vertheidigung der Mariahilfer=Linie gegen den Ansturm des Militärs von der Mobilgarde eingeäschert“. Das Haus wurde neu errichtet und erlangte bald wieder „den früheren Zuspruch“.
Das Gasthaus „zur Alten Hühnersteige“ befand sich nahe der einstigen Mariahilfer Linie beim 1704 errichteten Linienwall. Würde das Haus heute noch bestehen, stünde es quer zum Gürtel mitten auf der Fahrbahn.
Auf dem Plan von 1853 ist das sehr gut zu erkennen

Fünfhauser Hauptstraße = Mariahilferstraße
Am Haidmannsfeld = Dingelstedtgasse
Josephigasse = Talgasse
Neue Gasse = Turnergasse
Schwanengasse = Clementinengasse
Mittelgasse = Robert-Hamerling-Gasse
Ferdinandsgasse = Gebrüder-Lang-Gasse
Mittelrusten = Viktoriagasse

In dieser Fotomontage können Sie den ungefähren Standort der Alten Hühnersteige quer zur Gürtelfahrbahn erkennen.

Johann Langauer war nicht nur Hausbesitzer und Wirt, sondern auch Gemeinderat, stv. Bürgermeister und Ehrenbürger von Fünfhaus. Außerdem war er der Onkel von Georg Röhrl. Eines der Geschäfte von Röhrl war ebenfalls in dem Gebäude Fünfhaus 118 untergebracht.

Langauer soll sehr speziell und äußerst resolut gegen seine Gäste vorgegangen sein. Wer ihm nicht passte, wurde eigenhändig vor die Tür gesetzt.
Das NeuigkeitsWeltBlatt berichtet am 4.5.1906 vom populären und teils gefürchteten Wirt und Politiker Johann Langauer.

Audio-Transkript: Der Wirt der Alten Hühnersteige_NeuigkeitsWeltBlatt 1906-05-04
Transkript (Minute 2:11-4:47)
Urpatriarchalisch ging es dabei zu; ehrsame, wohlhabende Bürgerfamilien kamen an die jahrzehntelang innegehabten Stammtische und brachte sich für sich und Kind und Kegel das Nachtmahl mit; denn beim alten Langauer gab’s wenig warmes Essen, damit gab er sich nicht ab. Seine Spezialität war der Wein, der echte, beste Tropfen von den Geländen des Kahlenberges oder von der Marchebene. Er war sein Stolz, der gute Wein, seine Lebensaufgabe und wer seinen Wein lobte, war sein Freund, wer darüber schimpfte, sein Todfeind. Er duldete einfach keine abfällige Kritik über seine Marken und gebrauchte einem diesbezüglichen Stänkerer gegenüber sein Hausrecht. Ueberall hatte er seine Aufmerksamkeit und hörte jedes Wort, das an einem Tisch, wo Fremde saßen, über das Gebotene gesprochen wurde. Bloß eine kleine Bemerkung genügte und er spitzte die Ohren. Dann kam er langsam den Platz näher, an dem der Krakeeler saß. Die vorgebeugte, hagere Gestalt mit dem interessanten Charakterkopf entsprach nicht im traditionellen Wirthstypus, aber ein echter rechter Wienerthypus war er trotzdem mit seinem grünen Hauskäppchen und dem gemütlichen Gehaben. Da, dort wurden ein Gruß, ein Handschlag, ein paar Worte getauscht mit einem alten Freund und Gast, dabei behielt er aber immer den Tisch im Auge, wo der Verächter seines Tropfen saß. Noch ein Wort durfte er hören, dann hielt es aber: „Hausknecht, zag dem Herrn unser‘ Tür!“ Dann in verstärkter Tonart: „Hausknecht, zag dem Herrn unser‘ Tür!!“ — „Bitte schön,“ wagte der Epigone des berühmten Rubiers eine Einrede, „er muss erst zahl’n.“ — „Wem mei‘ Wein net schmeckt, der braucht’n a net zahl’n, aber g’schwind soll er schau’n, daß er aussi kummt.“ Und wirklich nahm er in solchen Fällen kein Geld von dem Betreffenden.
Selbstredend gab es niedere Seelen genug, die einen Hinauswurf in den Kauf nahmen, um von dem berühmten guten Wein des alten Langauer eine Gratisprobe zu machen. Das genierte ihn aber wenig, selbst wenn er es erfahren hätte; er blieb seinem Prinzip treu.
1879 wurde die Langauergasse nach Johann Langauer benannt.



1860-1862 war Karl Wimberger („Der gute alte Papa Wimberger“) Wirt in der „Alten Hühnersteige“. 1863 übernahm dieser die „Neue Hühnersteige“, in der heutigen Mariahilfer Straße 137. 1866 eröffnete er dann das Gasthaus Wimberger (Neubaugürtel Ecke Märzstraße).



Johann Langauer starb am 12. Februar 1881 mit 72 Jahren an „Bauchwassersucht“ bzw. Aszites. Darunter versteht man eine krankhafte Ansammlung von Flüssigkeit im Bauchraum. Ursache kann u.a. eine Leberzirrhose oder eine Nierenfunktionsstörung sein (vgl. Gesundheit.gv.at)



Im (Neuigkeits)Welt Blatt vom 16.2.1881 erfahren wir noch einiges Interessante zur Person Johann Langauers und ebenso zu den Trauerfeierlichkeiten:



Transkript
Der Wirth von der „Hühnersteige“
Es war ein Unikum von einem Wirthe, den sie am Nachmittag des Montags in Fünfhaus zu Grabe trugen – der alte Langauer nämlich von der „alten Hühnersteige“. Das Mekka der „Weinbeißer“, das Haus „zur Hühnersteige“, trug seit Sonntag ein Trauerkleid. Vom Dache wehte die Trauerfahne und das Portal, durch welches sonst fröhliche Menschen ein- und ausgingen, war mit schwarzem Tuch ausgeschlagen und ein „schwarzer Portier“ mit silberbortirtem Zweispitz — begrüßte die Trauergäste. da kamen denn auch hunderte und hunderte: die Stammgäste und die Mitglieder der Gemeinde, deren langjähriger Wohlthäter der alte Langauer gewesen, die Mitglieder gemeinnütziger Vereine, voran die Feuerwehr, um ihn noch einmal zu sehen und Abschied zu nehmen von dem alten Langauer, den draußen jedes Kind gekannt und der trotz seiner etwas vormärzlichen Gepflogenheiten als Wirth die Gutmütigkeit seines Herzens und seinen patriotischen Sinn nie verleugnen konnte. Wie am frühen Morgen des Samstags die Glocken der Pfarrkirche „Maria vom Siege“ urplötzlich zusammenläuteten, fragte man sich erstaunt, wem dieser eherne Klang gelten möge. Er galt dem alten Langauer, dem Spender der Kirchenglocken, die ihm nun sein Sterbelied läuteten. In einem geräumigen, schwarz ausgeschlagenen Gemach zu ebener Erde, gleich neben dem Eingangsthore, hatte man den alten Langauer aufgebahrt. Er lag, fast gar nicht entstellt, in reichem Metallsarge, bedeckt von schönen Blumenkränzen, die sich, dicht aneinandergereiht. in Doppellinien auch längst der Wände hinzogen. — Johann Langbauer, der ein Alter von 73 Jahren erreicht hatte, war vor mehr als 60 Jahren als armer Junge nach Fünfhaus gekommen und hatte bei dem Inhaber der damals schon viel besuchten „alten Hühnersteige“ einen Platz gefunden. Die Treue und Anhänglichkeit an seinen Herrn blieb nicht unbelohnt. Als sich, lange vor 1848, der frühere Wirth zur Ruhe setzte, überließ er den Fortbetrieb seines Geschäftes seinem treuen Gehilfen Langauer, welcher es darauf in verhältnismäßig kurzer Zeit zu Glück und Wohlstand brachte. —
Wir sagten Anfangs, Langauer sei ein Unikum als Wirth gewesen und das wird Jeder zugeben müssen, der, wenn auch nur einmal, Einkehr bei der „alten Hühnersteige“ gehalten hat. Alles was Komfort heißt, ist dort verpönt: von Tischtücher, Servietten keine Spur. Wer Hunger mitbringt, kann sich an kleinen Würsteln oder Knackwürstchen erlaben; diese mit Brot und Krenn, bilden täglich den alleinigen Inhalt der nicht aufliegenden Speisekarte. Die Hauptsache der „alten Hühnersteige“ ist der Wein, der dort in ganz besonders unverfälschter Qualität zu finden sein soll. Aber nur mit Maß und Ziel durfte man sich beim alten Langenauer des edlen Nasses erfreuen. Wer einmal genug hatte, dem ward kein frischer Tropfen mehr zutheil und wer nach zehn Uhr Abends noch Einlaß finden wollte, dem konnte es passiren, daß ihm der alte Langauer zurief: „ordentliche Leut‘ g’hörn um die Zeit nimmer in’s Wirthshaus.“ — Montag Nachmittags gab man dem alten Langauer das letzte ehrende Geleite; halb Fünfhaus war auf den Beinen und wieder schlugen die Kirchthurmglocken ihren dumpfen Trauerchoral dazu. Es war in unermeßlich langer Zug, eröffnet von Laternen=tragenden Vorreitern, dann kam der sechsspännige Glaswagen mit dem Sarge, dann der Blumenwagen — eine Fülle der herrlichsten Kränze führend — hierauf die Leidtragenden. Auf dem Baumgartner Friedhofe bettete man den Wirth von der „alten Hühnersteige“ zur ewigen Ruhe. Zur Zeit das Leichenbegängnisses brannten in den Gassen, die der Zug passirte, die Gasflammen. —
Langauers Nachfolger im „Amte“ ist sein Neffe, Herr Schlichtinger, der den guten Ohm seit Jahren im Geschäfte unterstützte und sich gleichfalls schon seine eigene Popularität zu sichern wußte. Auch Herr Schlichtinger zählt in den Kreisen der Freunde eines guten Tropfens zu den wohlrenommirten Persönlichkeiten. Er ist ganz der alte Langauer selber, in neuer, nur ein wenig veränderter Auflage, und so ist denn zu erwarten, daß die „alte Hühnersteige“ ganz nach demselben alten Brauche fortgeführt wird, wie unter dem seligen Langauer, dem nun die Erde leicht sei! Wie ist heißt, hat Herr Langauer, der kinderlos starb und nur eine Witwe in hohem Alter hinterlässt, die bei ihm Bediensteten in reichlicher Weise bedacht; auch sonst sollen zahlreiche Legate zu wohlthätigen Zwecken ausgesetzt sein.

Wie es mit der Alten Hühnersteige nach Johann Langauers Tod weiterging, erfahren Sie im 2. Teil.
Teil 2:
FAQ15/086 Alte Hühnersteige Teil 2: Wer waren Franz Schlichtinger & Josefa und Franz Klee?
Teil 3:
FAQ15/086 Alte Hühnersteige Teil 3: Wer waren Agnes und Rupert Gusterschütz?

Damit genug für heute:
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Ihre Brigitte Neichl
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Oder wie es Anton Ziegler 1828 (*) so schön ausgedrückt hat:
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(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828
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6 Kommentare zu „#FAQ15/085 Alte Hühnersteige Teil 1: Wer waren Karl Palm und Johann Langauer?“