Was Sie schon immer über Rudolfsheim-Fünfhaus wissen wollten …
Das Bezirksmuseum Rudolfsheim-Fünfhaus besitzt einen Teilnachlass der Familie Röhrl, der aus über 100 Dokumenten, Urkunden und Bildern aus der Zeit von 1827-1906 besteht. Lesen Sie heute mehr von Georg Röhrl (1850-1906). Er war u.a. k.u.k. Hofbäcker, Bäckermeister, Surrogat-Kaffee-Erzeuger, Fabriks- und Realitätenbesitzer, nach der Eingemeindung von Sechshaus außerdem Gemeinderat der Stadt Wien, zudem Bezirksschulrat, Vorsitzender der Direktion der Wiener Communal-Sparcasse in Rudolfsheim und Ehrenmitglied mehrerer Vereine.
Sie interessieren sich für interessante Details aus Vergangenheit & Gegenwart von Rudolfsheim-Fünfhaus, dem 15. Wiener Gemeindebezirk? Dann sind Sie hier richtig beim Blog WIENfünfzehn!
Haben Sie auch eine Frage? Dann schreiben Sie uns unter faq15@bm15.at

Sammlung Röhrl
Bei diesen Unterlagen handelt es sich um die umfangreichste Sammlung des Museums. Sie reicht vom Wanderbuch des Philipp Röhrl (1827) bis zur Parte von Georg Röhrl (1906) und beinhaltet u.a. Fotos, Heimatscheine, Parten, Zeitungsausschnitte, Verpackungen (Georg Röhrls Kinderzwieback und Feigenkaffee wurden 1881 ins Markenregister eingetragen), Einladungen, Taufbucheintragungen, Rechnungen, eine „Einreihungs-Karte in die National-Garde in Fünfhaus“, Kalender, einen „Gewähr-Auszug“, Meldezettel, eine „Fahr-Ordnung“, einen Stiftungsbrief, ein „Andenken an die heilige Taufe“ von 1852 und eine Trauungsanzeige von 1872.
Das älteste Stück: Wanderbuch des Philipp Röhrl
Philipp Röhrl (geb. 1815) war der Vater von Georg Röhrl, um den es im Folgenden gehen soll.

Wanderbuch (1),
in Folge des allerhöchsten Patentes vom
24. Hornung (2) 1827
Für: Philipp Röhrl
Name
Geburtsort Wiener Vorst. (3) Schottenfeld.
Alter geb. am 16. Juny 1815.
Wohnort Braunhirschengrund No 73.
Profession Bäcker.
Stand ledig.
Religion katholischer.
Statur mittler schlanker.
Gesicht ovales.
Haare braune.
Augen braune.
Nase länglichte
Mund kleinen
Besondere Kennzeichen ohne
Namensfertigung Philipp Rehrl (wohl Röhrl?)
Alle in= und ausländischen Behörden werden er=sucht, den Vorweiser unbeirrt hin= und herziehen zu lassen, und ihm den thunlichen Vorschub zu leisten.
Transkription Wanderbuch: Stefanie Gilli
(1) „Die so genannten „Wanderbücher“ ersetzten durch ein Patent von Februar 1827 die so genannten „Kundschaften“, Zeugnisse von Handwerkergesellen, die das Konskriptionsamt überprüfen musste. Wanderbücher trugen ein magistratisches Siegel; da diese von Gesellen, die oftmals finanziell beschränkt waren, bezahlt werden mussten, bemühte sich der Magistrat jedoch um eine verbilligte Herstellung. Die Wanderbücher lagen beim Konskriptionsamt auf, welches hierzu zusätzlich die Ausfertigungs- und Stempelgebühren einbrachte. Eine Arbeitszeitbestätigung des Handwerkers und die Reisebewilligungserteilung mussten jedoch im Namen des Magistrats und nicht des Konskriptionsamtes erfolgen. Wurde eine Reisebewilligung ausgestellt, konnte das Wanderbuch den Pass ersetzen.“ ( Sheriff 1977: 92 f)
(2) Hornung: alte Bezeichnung für den Februar, den zweiten Monat des Jahres. „Hornung ist aus dem althochdeutschen, mittelhochdeutschen „hornunç“ begeleitet, was eigentlich das im Eck (Horn) gezeugte Kind (Bastard, Bankert) und deswegen zu kurz Gekommener bedeutet, und zwar wegen seiner nur 28/29 Tage. Auch altnordisch heißt das uneheliche Kind „hornung“. Das germanische Wort „hurna“ bedeutet Horn, Spitze, Ecke.“ (Weifert 2003: 8-11)
(3) Wiener Vorstadt
Georg Röhrl



Georg Röhrl wurde am 27. Oktober 1850 in Sechshaus als Sohn des Bäcker- und Hauseigentümerehepaares Philipp und Josefa Röhrl, geb. Göschl, geboren.

Georg Röhrl auf Wanderfahrt
1868, mit 18 Jahren begab sich Georg Röhrl auf zweijährige Wanderschaft quer durch Europa und bis nach Petersburg. Seine Reiseerlebnisse hatte er niedergeschrieben (diese sind leider nicht in der Sammlung des Bezirksmuseums). Das Freie Blatt vom 31.10.1872 berichtete darüber.


Audiotranskript von Georg Röhrls Wanderfahrt
Ein Jahr davor war sein Vater Philipp Röhrl wegen „gerichtlich erhobenen Blödsinns“ unter „Curatel“ gestellt worden (Wiener Zeitung, 22.11.1867).

Transkript
Curatel=Verhängung.
Vom k.k. Bezirksamte als Gericht Sechshaus wird bekannt gemacht, daß mit dem Erkenntnisse des k.k. Landesgerichtes Wien vom 17. September 1867, Zahl 51.210, Philipp Röhrl, Hauseigenthümer, zuletzt wohnhaft in Rudolfsheim, Schönbrunner Hauptstraße Nr. 11 wegen gerichtlich erhobenen Blödsinns unter Curatel gesetzt, und zu dessen Curator Herr Joseph Czech, Kaffeesieder in Wien, Graben im Trattnerhofe, bestellt worden ist.
Sechshaus, den 9. November 1867
Es ist anzunehmen, dass Georg Röhrls Mutter Josefa Röhrl oder auch der Kurator seines Vaters inzwischen die Bäckerei geführt haben.
Nach der Rückkehr von seiner „Wanderfahrt“ stieg Georg Röhrl ins Bäckereigewerbe ein.
Exkurs: Joseph Czech – Der flüchtige Cousin
Jener oben erwähnte Joseph Czech, Cousin von Georg Röhrl und Besitzer des Café Czech im Trattnerhof, war nicht nur Kurator seines Onkels Philipp Röhrl, sondern hat auch dem „Freien Blatt“ die Reiseerlebnisse von Georg Röhrl übermittelt. Diesen Artikel finden Sie weiter oben als Audiotranskript.
Der Trattnerhof befindet sich im 1. Wiener Gemeindebezirk am Graben.

So sah er 1911 aus.

Joseph Czech war wienweit bekannt, sein Kaffeehaus lief gut. Regelmäßig fanden dort im „Salon Czech“ u.a. Schachturniere statt, wie z.B. 1869 der II. Wiener Schachwettkampf, bei dem J. Kolisch, der Sieger des Pariser internationalen Ausstellungsturniers gleichzeitig „blindlings“ gegen drei der besten Wiener Schachspieler antrat.

Es war allgemein bekannt, dass Czech auf großem Fuße lebte und einen luxuriösen Lebensstil pflegte. Das wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Er häufte jede Menge Schulden – geschätzte 150.000 Gulden (etwa zwei Mio. Euro) – an, die er nicht mehr zurückzahlen konnte. Schließlich verschwand er 1873 über Nacht und ließ seine drei minderjährigen Kinder (seine Frau war kurz davor verstorben) „in hilfloser Lage“ zurück.
Der Besitzer des „Café de l’Europe“ am Stephansplatz, Carl Pfob, übernahm daraufhin das Czech’sche Kaffeehaus im Trattnerhof. Er schloss einen Mietvertrag mit der Hausbesitzerin Baronin Lederer, bot den Gläubigern 60.000 Gulden (etwa 700.000 Euro) für das Mobiliar und versorgte die Kinder von Joseph Czech mit 20.000 Gulden (etwa 200.000 Euro).


Bäckermeister Röhrl
Er war u.a. k.u.k. Hofbäcker, Bäckermeister, Surrogat-Kaffee-Erzeuger, Fabriks- und Realitätenbesitzer, nach der Eingemeindung von Sechshaus außerdem Gemeinderat der Stadt Wien, zudem Bezirksschulrat, Vorsitzender der Direktion der Wiener Communal-Sparcasse in Rudolfsheim und Ehrenmitglied mehrerer Vereine.


Als Gemeinderat machte er sich um das soziale und kulturelle Leben des Bezirkes Rudolfsheim verdient. Zum Beispiel rief er für wohltätige Zwecke den Rudolfsheimer Bürgerball ins Leben, der in Schwenders Colosseum stattfand.

Der Reinerlös der Einnahmen und Spenden ging an soziale Projekte des Bezirks. Auch das Tröpferlbad in der Heinickegasse 3 ging auf seinen Antrag zurück.
Seine Wohnadresse und Bäckerei (gegründet 1848) befanden sich um die Jahrhundertwende in dem Eckhaus Ullmannstraße 2/ Sechshauser Gürtel 5, 14. Wiener Gemeindebezirk.

Außerdem hatte er zwei Filialen, eine auf Sechshauser Straße 1b (ebenfalls in Wien 14) und die andere in der Mariahilferstraße 117 in Wien 6. Das Geburtshaus von Georg Röhrl in Wien 14, Sechshaus, Hauptstraße 1b wurde 1846 erbaut und 1888 abgerissen.



Röhrls Kinderzwieback und Feigenkaffee
Röhrls Kinderzwieback und Feigenkaffee wurden am 29. Dezember 1881 ins Markenregister der Handels- und Gewerbekammer für Österreich unter der Enns eingetragen.

Erste Hilfe für den Bischof
1894 leistete er dem damaligen Weihbischof Eduard Angerer (*) nach einem Unfall Erste Hilfe, wofür sich dieser mit einem Besuch bei ihm und seiner Familie bedankte.
(*) Eduard Angerer (1816-1898), Weihbischof und Generalvikar, vgl. WienGeschichteWiki


Tod mit 56 Jahren
Georg Röhrl starb am 19. August 1906 mit 56 Jahren und wurde in der Familiengruft auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt, die unter ihm erworben worden war. Er war zweimal verheiratet und hinterließ mehrere Kinder.


Transkript
(Kammerrat Georg Röhrl +.) Sonntag starb hier der Hofbäcker und Handelskammerrat Herr Georg Röhren im 56. Lebensjahre. Der Verblichene war in den westlichen Vororten eine sehr bekannte und beliebte Persönlichkeit. Zu Beginn, der Neunzigerjahre, unmittelbar nach der Vereinigung der Vororte mit Wien, gehörte Herr Röhrl dem Wiener Gemeinderate an, wo er sich der fortschrittlichen Partei anschloß und den Parteistandpunkt tapfer vertrat. Herr Georg Röhrl war viele Jahre Handelskammerrat und Rat der Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien. Das Leichenbegängnis findet morgen Mittwoch um 3/4 3 Nachmittags vom Trauerhause, 14 Bezirk, Ullmannstraße Nr. 2, aus statt. Die Einsegnung erfolgt in der Fünfhauser Marienkirche (Anm. Maria vom Siege), das Begräbnis auf dem Zentralfriedhof in der Familiengruft.
Sein gleichnamiger Sohn führte den Betrieb weiter. 1914 wurde dieser zum Militärdienst eingezogen. Ob die Bäckerei während des Krieges und nach 1918 weiterbestand, ist dzt. nicht bekannt. Jedenfalls ist Georg Röhrl jun. im Häuserkataster der Stadt Wien von 1928 noch als Hausbesitzer ausgewiesen.
Literatur & Quellen
Sheriff Elfriede: Die Ämter der Stadt Wien von 1783-1848 in verwaltungsgeschichtlicher und personeller Hinsicht. Diss. Univ. Wien. Wien 1977, S. 92 f.
Weifert Mathias, in: Die deutsche Schrift 3 (2003), S. 8-11
Regionalgeschichte.net (abgerufen am 26.11.2020)
Echsel Franz: Rudolfsheim. Historisch-topographische Darstellung des Ortes nebst einem Rückblicke auf die geschichtliche Entwicklung der vor fünfundzwanzig Jahren zur Ortsgemeinde Rudolfsheim vereinigten Gemeinden Reindorf, Braunhirschen und Rustendorf., Rudolfsheim 1888, Im Verlage der Gemeinde Rudolfsheim, Druck von M. Pröglhöf, Sechshaus.
Hahn Michael: Der Bezirk Sechshaus. Eine Beschreibung der Ortschaften Braunhirschen, Fünfhaus, Gaudenzdorf, Ober- und Untermeidling mit Wilhelmsdorf, dann Reindorf, Rustendorf und Sechshaus in historischer, topographischer, statistischer, commerzieller und industrieller Beziehung, gedruckt bei Ferdinand Ullrich , Wien 1853
WienGeschichteWiki – https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Wien_Geschichte_Wiki
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Sechshauser_Hauptstra%C3%9Fe_(15)
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Michael_Winkler
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Eduard_Angerer
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Vororte
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Linienwall
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Schwenders_Vergn%C3%BCgungsetablissement
ANNO – https://anno.onb.ac.at/
Das Freie Blatt, vom 31.10.1872
Wiener Zeitung vom 22.11.1867
Neues Wiener Tagblatt vom 21.8.1906
Neue Freie Presse vom 12.9.1894
Deutsches Volksblatt vom 2.4.1892-04-02
Der Kinobesitzer vom 23.9.1918

Damit genug für heute:
Gehaben Sie sich wohl!
Ihre Brigitte Neichl
Liebe Leserin, lieber Leser!
Ihnen fehlt etwas? Sie haben weiterführende Informationen?
Dann schreiben Sie doch einfach einen Kommentar. Nützliche Inhalte mit Quellenangabe bauen wir – mit Verweis auf Ihren Kommentar – gerne noch in den Text ein. Alternativ können Sie uns auch ein Mail an office@bm15.at schicken!
Oder wie es Anton Ziegler 1828 (*) so schön ausgedrückt hat:
Jede Belehrung und Berichtigung, welche in Beziehung auf größere Vervollkommnung und Gemeinnutzmachung dieser Herausgabe beabsichtigt ist, wird mit dem ausgezeichnetsten Danke empfangen.
(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828
Gefällt Ihnen der Artikel? Dann teilen Sie ihn doch mit Ihren FreundInnen!
Schau mal, ich hab was Interessantes auf WIENfünfzehn gefunden!
Tweet
7 Kommentare zu „#FAQ15/083 Kennen Sie Georg Röhrl aus Sechshaus?“