Was Sie schon immer über Rudolfsheim-Fünfhaus wissen wollten …
Die 1856 eröffnete Westbahnstrecke, damals Kaiserin-EIisabeth-Westbahn unterbrach die Verbindung zwischen dem südlich der Bahntrasse gelegenen Fünfhaus und dem nördlich der Trasse entstandenen Ortsteil Neufünfhaus. Erst 20 Jahre wurde mit der Schmelzbrücke (auch Schweglerbrücke) wieder eine Verbindung hergestellt. Und es sollte weitere 25 Jahre dauern, bis eine zweite Brücke die beiden Bezirksteile verband.
Sie interessieren sich für interessante Details aus Vergangenheit & Gegenwart von Rudolfsheim-Fünfhaus, dem 15. Wiener Gemeindebezirk? Dann sind Sie hier richtig beim Blog WIENfünfzehn!
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Kaiserin-Elisabeth-Westbahn
Mitte des 19. Jhdts. wurde die Westbahn eingerichtet. Diese stellte eine Bahnverbindung von Wien in Richtung „westliches Europa“ her und war ursprünglich nach Kaiserin Elisabeth (1837 in München / Bayern, heute Dtschld. – 1898, Genf / Schweiz), der Ehefrau von Kaiser Franz Joseph I. von Österreich benannt.
Für die Bahnlinie wurde der spätere Westbahnhof (ursprünglicher Name: Kaiserin-Elisabeth-Bahnhof) nach Plänen des Architekten Moritz (von) Loehr (Löhr) (1810, Berlin – 1874, Wien) errichtet. Moritz Löhr spielte auch eine wichtige Rolle beim Bau der Ringstraße. Heute ist die Löhrgasse in Wien 15 – eine Querstraße zur Felberstraße – nach ihm benannt.
Am 15. Dezember 1858 wurde der spätere Westbahnhof anlässlich der Inbetriebnahme der „k.k. priv. Kaiserin Elisabeth-Bahn“ von Wien (Westbahnhof) über Linz (Hauptbahnhof und damals auch Südbahnhof) feierlich eröffnet.
Die Bahntrasse unterbrach die Verbindung zwischen dem südlichen und dem nördlichen Ortsteil. Daran erinnert heute noch die Sperrgasse benannt um 1864/1869 – Fünfhaus und Neufünfhaus wurden voneinander getrennt, „abgesperrt“. Davor hieß diese Gasse Feldgasse.
Eine Brücke über die Westbahn
Erst 20 Jahre später – 1876 – wurde diese Verbindung wieder hergestellt, indem bei der Schweglerstraße, Ecke Felberstraße, die Schmelzbrücke (oder Schweglerbrücke) errichtet wurde. 1894 wurde diese verbreitert und eine Rampe (Schmelzbrückenrampe) hinzugefügt.


Auf Grund des Gefälles der Umgebung wird die Brücke von Norden, von der Schweglerstraße her flach befahren, während die südliche Brückenauffahrt von der Avedikstraße und der Grenzgasse über die Schmelzbrückenrampe erfolgt.




Großer Bahnhof für eine kleine Brücke
Und es sollte weitere 25 Jahre – bis 1901 – dauern, bis eine zweite Brücke die beiden Bezirksteile verband – der Rustensteg.
Der Fußgängerübergang ist 208 m lang und 4 m breit. Der Eingang von der Felberstraße (Holochergasse) erfolgt auf dem selben Niveau. Der Abgang in die Avedikgasse (Rustengasse) besteht aus einer dreiarmigen Stiege.
Am 3.12.1901 um 9 Uhr wurde die Brücke feierlich eröffnet. Viel Ehre für eine kleine Brücke!
Anwesend waren u.a. der niederösterreichische Statthalter Graf Kielmansegg, Polizeipräsident Ritter von Habrda, Bürgermeister Dr. Lueger, Magistratsvizedirektor (und späterer Bürgermeister) Dr. Weiskirchner, die Bezirksvorsteher Georg Gusenleithner (13. Bezirk, Hietzing) und Eduard Kunz (damals 14. Bezirk Rudolfsheim). „Stadtbaudirector Berger, Stadtrath Braumeitz, Bürgermeister Dr. Lueger, Statthalter Graf Kielmansegg und Bezirksvorsteher Kunz hielten kurze Ansprachen, worauf die Brücke besichtigt wurde.“




Transkript
* (Der Rustensteg über den Westbahnhof.)
Heute vormittags wurde eine neue Brücke über den Westbahnhof eröffnet, und zwar im Zuge der Rusten= und Holochergasse, womit einem lange gehegten Wunsches der durch den Bahnhof auf einer Länge von 1600 Metern entzweigeschnitten Bezirke Rudolphsheim und Fünfhaus entsprochen ist. die von der Firma A. Biro hergestellte eiserne Brücke – ein Gehsteg, da für eine Fahrstraße nicht genügend Platz war — kommt auf 298.000 K. zu stehen. Die Ueberbrückung, welche den Namen „Rustensteg“ erhielt, hat von der benachbarten Schmelzbrücke eine Entfernung von 330 Meter, von der Eisenbahnbrücke eine solche von 730 Meter. Der neue Steg hat eine Gesammtlänge von 208 Meter. eine Breite von 4 Meter und besteht aus fünf Oeffnungen. Der Gehweg ist mit Asphalt auf Monierplatten (*) belegt. Der Eingang von der Felberstraße (Holochergasse) erfolgt im Niveau derselben. Der Abgang in die Avedikgasse (Rustengasse) mittels einer dreiarmige Stiege mit vier Ruheplätzen. — Um 9 Uhr erfolgte die Uebergabe der Brücke an den allgemeinen Verkehr. Der kleinen Feier anläßlich welcher die Brücke decorirt war, wohnten bei: Statthalter Graf Kielmansegg, Polizeipräsident Ritter von Habrda, Bürgermeister Dr. Lueger mit den beiden Vizebürgermeistern, der Director der Staatsbahnen Regierungsrath Amberg, der Stationsvorstand des Nordwestbahnhofes Baron Docteur, von der Bauleitung der Westbahn Oberbaucommissär Zeidler und Baucommissär Becker, mehrere Gemeinderäthe, Polizeileiter Rath Zerboni und Polizeiobercommissär Lebzelter, Magistratsvicedirector Dr. Weiskirchner, Stadtbaudirector Oberbaurat Berger, die Bezirksvorsteher Gusenleithner und Kunz, Magistratsrath Appel, Baurath Kindermann, Magistratsecretär Doctor Weiß, Obercommissär Dr. Müller, Bauinspector Strötzner. — Stadtbaudirector Berger, Stadtrath Braumeitz, Bürgermeister Dr. Lueger, Statthalter Graf Kielmansegg und Bezirksvorsteher Kunz hielten kurze Ansprachen, worauf die Brücke besichtigt wurde.
(*) Monierplatten: Die Eisenbetonbauweise wird teilweise bis heute über die Begriffe „Monierbauweise“ und „Moniereisen“ mit Joseph Monier (1823–1906) verbunden. Dieser ließ seine Konstruktionen seit dem Jahre 1867 durch mehrere Patente umfassend schützen. Mehr dazu hier.
Ein Artikel im Deutschen Volksblatt berichtet davon, dass „eine decorativ reich ausgestattete Widmungstafel an geeigneter Stelle angebracht werden [wird], welche den Namen des Steges und die Worte „Erbaut von der Gemeinde Wien unter dem Bürgermeister Dr. Karl Lueger im Jahre 1901″ aufweisen soll.“


Diese Widmungstafel befindet sich seit 1990 im Bezirksmuseum Rudolfsheim-Fünfhaus und kann dort gerne besichtigt werden!

Foto: Th. Reithmayer
Die Tafel wurde im Schutt einer Baustelle gefunden. Was für die einen Abfall ist, ist für die anderen wertvolles Kulturgut …
In 120 Jahren viel erlebt …
„Mir blieb auch nichts erspart“ könnte uns die Brücke in Anlehnung an ein Zitat von Kaiser Franz Joseph I. zurufen.
Verloren (1910)
Auf dem Rustensteg wurden Taschen verloren, zum Beispiel 1910: „Inhalt: Ehering, Kettenring und Wohnungsschlüssel“. Falls Sie das Handtäschchen finden, bringen Sie es doch zu Frau Swoboda in die Kröllgasse 19, in den 2. Stock, Tür 13. Es gibt auch eine Belohnung!

Eine nette Beschäftigung für einen Kandidaten!
1911 betätigte sich „Ein Kandidat als Plakatabreißer. Der christlich=soziale „Arbeiterkandidat“ für Rudolfsheim, Herr Krikawa, hat Freitag Nachts auf dem Rustensteg Agitationszettel des gegnerischen Kandidaten eigenhändig abgekratzt. Eine nette Beschäftigung für einen Kandidaten!“

Überfall (1911)
Der 54jährige Einspännerkutscher Johann Dangl, Grimmgasse 7 wohnhaft, wurde [1911] (…) auf dem Rustensteg von zwei Burschen ohne jeden Grund überfallen und derart mißhandelt, daß seine rechte Gesichtshälfte verschwollen war.

Selbstmordversuch (1926)
Lebensmüde.
Sonntag vormittag hat sich die 18jährige Hilfsarbeiterin Rosa E., Sturzgasse, nach einem Streite mit ihrer Wohnungsgeberin vom Rustensteg herabgestürzt. Sie zog sich schwere Verletzungen zu.

Schwerer Unglücksfall beim Verschieben auf dem Westbahnhof (1928)
Einem Eisenbahner beide Beine abgefahren.
Gestern früh wurde beim Rustensteg auf dem Gelände des Westbahnhofes der Verschieber Karl Riedl beim Verschieben von einem Waggon überfahren. Er erlitt eine völlige Abtrennung des linken Unterschenkels und eine Zermalmung des rechten Beines.
Die Rettungsgesellschaft brachte ihn ins Elisabeth-Spital. Sein Zustand ist hoffnungslos.
Leider sollte die Kronen Zeitung recht behalten. Bereits am nächsten Tag berichtete sie, dass der arme Mann seinen schweren Verletzungen erlegen ist.

Gute Neuigkeiten: Rustensteg erhält elektrische Straßenbeleuchtung! (1929)

Blöd gelaufen – wenn man schon kein Glück hat und dann noch Pech dazu kommt …


Wiener Kepplereien – Der kluge Strohsackmann
Zum Schluss präsentieren wir Ihnen noch einen Auszug eines Feuilletons von Julius Hans Plaß aus 1933 als Audiotranskript. Kommen Sie mit auf den Rustensteg und auf die Stufen, die zur Avedikstraße führen und lernen Sie den klugen Strohsackmann kennen.



Damit genug für heute:
Gehaben Sie sich wohl!
Ihre Brigitte Neichl
Liebe Leserin, lieber Leser!
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Oder wie es Anton Ziegler 1828 (*) so schön ausgedrückt hat:
Jede Belehrung und Berichtigung, welche in Beziehung auf größere Vervollkommnung und Gemeinnutzmachung dieser Herausgabe beabsichtigt ist, wird mit dem ausgezeichnetsten Danke empfangen.
(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828
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Heute möchte ich einmal „Dankeschön“ schreiben für den lesenswerten Blog. Ich habe damals im 15., in der Karl-Walther-Gasse, gewohnt und viele Jahre in der Äußeren Mariahilfer Straße, gegenüber vom Schwendermarkt, gearbeitet.
So ist mir der Rustensteg & Umgebung auch vertraut, aber das ist – meinem Gefühl nach – leider ein Ort, den ich lieber am hellichten Tag aufsuchen möchte. Die Schmelzbrückenrampe bin ich damals unzählige Male, bei Tag & Nacht, gegangen.
Liebe Grüße aus Ottakring!
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Vielen Dank für Ihre netten Worte! Und ja: in der Nacht ist es zwar auch oben auf dem Rustensteg sehr schön, aber der Zugang/Abgang zur Avedikstraße ist schon ein bisschen “enterisch”.
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