Was Sie schon immer über Rudolfsheim-Fünfhaus wissen wollten …
Am Hauseingang der Mariahilferstraße 202 befindet sich eine Tafel, die auf eine Firma namens „Albert Adler & Söhne“ hinweist. Erfahren Sie hier, was wir bei der Recherche zu diesem Betrieb und den beteiligten Personen herausgefunden haben.
Sie interessieren sich für interessante Details aus Vergangenheit & Gegenwart von Rudolfsheim-Fünfhaus, dem 15. Wiener Gemeindebezirk? Dann sind Sie hier richtig beim Blog WIENfünfzehn!
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Die Tafel auf dem Hauseingang Mariahilferstraße 202 trägt folgende Inschrift.
Wiener Eisen u.
Metallverwertungs
Aktiengesellschaft
vormals
Albert Adler & Söhne A.G.
Zufahrt zum
Lagerplatz durch
die Kauergasse

Wer war Albert Adler?
Die erste bisher gesicherte Angabe zu Albert Adler findet sich 1902 in einem Artikel des Neuen Wiener Journals. Da soll der „Eisenhändler Albert Adler, 39 Jahre alt, Rudolfsheim, Reichsapfelgasse 31“ Teil einer Diebesbande gewesen sein, die Eisenwaren der Firma Szallay und Sohn im Werte von 300 Kronen gestohlen hatte. Geboren wurde Albert Adler also 1863.

Die Diebsbande mit dem eigenen Wagen.
(Originalbericht des „Neuen Wiener Journal)
Der in der Eisenhandlung von Szallay und Sohn, Wieden, Heugasse 44 angestellte Geschäftsdiener August Hoschek brachte in Erfahrung, daß aus dem Magazin seiner Chefs, Wieden, Heugasse 32 Waaren verschleppt werden. er legte sich auf die Lauer und hat am 19. d. M. um 1/2 8 Uhr abends richtig einen guten Fang gemacht, der ein ganzes Gaunercomplot aufdeckte. Auf Veranlassung Hoschek’s wurde nämlich der 31-Jährige Kutscher Isidor Grünbaum, Rudolfsheim, Reichsapfelgasse 31 wohnhaft, auf der Lastenstraße auf der Wieden verhaftet, weil er zweifellos einer der Thäter war. Er war nämlich kurz zuvor mit einem Fuhrwerk aus dem Hofe des Magazins der Firma Szallay und Sohn herausgefahren, und auf dem Wagen waren Eisenwaren im Werte von 600 Kronen verladen.
In der Voraussetzung, daß Grünbaum Hintermänner habe, leitete das Polizeicommissariat Wieden Erhebungen ein und diese ergaben, daß sein unmittelbarer Auftraggeber der 27-Jährige Magazineur David Deutsch, beim Eisenhändler Albert Adler, 39 Jahre alt, Rudolfsheim, Reichsapfelgasse 31 angestellt war.
Die Eisenwaaren hat Grünbaum im Verein mit zwei Eisenagenten Adler’s aus dem Magazin fortgeschafft. Der eine ist der 52-Jährige Rudolf Beier auch Bayer, der Zweite ist ein Mann, der sich Ignaz Stosser, 24 Jahre alt, nannte. Auch die im Hause, in dem sich die Magazine befinden, in der Heugasse 32, angestellte 52-Jährige Hausbesorgerin Marie Hösl war mit im Complot. Sie hat stets das Thor, das in den Hof des Magazins führt, geöffnet und die Wagen eingelassen, war auch stets bei Verladung der Diebesbeute anwesend.
Bei Adler wurde sofort eine Revision vorgenommen und man fand und kasirte Eisenwaaren im Werte von 300 Kronen, die der Firma Szallayund Sohn gestohlen worden sind. Nun wurde die ganze Diebsbande dingfest gemacht. Grünbaum, Marie Hösl, Adler, Deutsch und der angebliche Stosser, die im gegenseitigen Einverständnis die Diebstähle verübt haben, wurden dem Landesgerichte eingeliefert. Nur dem Rudolf Baier ist es gelungen, zu entkommen. Er wird verfolgt. Alle wurden anthropometrisch behandelt und im Erkennungsamte wurde aufgrund der Meßdaten festgestellt, daß der Mann der sich Stosser genannt hat, einen falschen Namen angegeben hat. Er heißt richtig Ignaz Dickes und ist wegen Diebstahls schon abgestraft.
Ob es in dieser Strafsache zu einer Verurteilung Albert Adlers gekommen ist und wie hoch die Strafe war, ist nicht bekannt.
Bereits 1897 berichtete das Neue Wiener Tagblatt von einem Eisenhändler namens Albert Adler, der 3 Monate im Wiener Landesgericht absitzen musste. Seine Frau Charlotte wurde ebenfalls angeklagt, weil sie den Aushilfsgefangenwärter Franz Zentner mit 10 Gulden bestochen haben soll, um Hafterleichterungen für ihren Mann zu erreichen (siehe ANNO). Der Name der Ehefrau und der Beruf Eisenhändler deuten darauf hin, dass es sich um denselben Albert Adler handelt.
Wenn wir noch weiter zurückgehen, erfahren wir in der Todesanzeige von Samuel Adler (ANNO), der 1892 in Budapest verstorben ist, von einem Sohn namens Albert Adler. Da Adler ein sehr häufiger Name ist, muss das nicht unbedingt derselbe sein. Falls es aber zutrifft, wüssten wir, dass Albert Adler aus Ungarn stammt.
Altes Eisen
Kommen wir aber wieder zu den gesicherten Daten: am 13.1.1903 wurde im Handelsregister des k.k. Handelsregisters die Einzelfirma „Albert Adler, Handel mit altem Eisen“ eingetragen.

Sitz der Firma war die Reichsapfelgasse 31.

Ein Jahr später, am 23.12.1904, wurde der Name der Firma in „Handel mit altem und neuem Eisen, Werkzeugen, Glas- und Gummiabfällen“ (ANNO) geändert.
Albert Adler & Söhne
Ab 1919 hieß die Firma dann „Albert Adler & Söhne“. Albert Adler führte die Firma gemeinsam als Offene Handelsgesellschaft mit seinen Söhnen Hermann und Franz.

Der Eisenadler in der Mariahilferstraße 202
Ab 1920 scheint dann die Firma Albert Adler & Söhne in der Mariahilferstraße 202 auf. Im Angebot hat sie Zugwagen, Hufeisen, Radreifen, Schraubstöcke, Herdplatten, Traversen etc. Geworben wird mit „Einkauf und Verkauf aller Gattungen Alt- und Neu-Metalle, Alt- und Neu-Eisen.“ Die Telefonnummer lautet 34486, die Telegramm-Adresse: Eisenadler


1921 wurde Sohn Hermann Adler, Präsident des Verbandes der Alteisenhändler Deutsch-Österreichs, als Schätzmeister im Alteisen- und Metallgewerbe vereidigt.

Hochzeit im Turnertempel
Am 20.5.1923 schlossen Sohn Franz Adler und Anny Feiler im Turnertempel in der Turnergasse 22 die Ehe.


1938: kommissarische Verwaltung
Im Juni 1938 – nach dem Einmarsch Adolf Hitlers und dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich – schreibt das publizistische Parteiorgan der NSDAP „Völkischer Beobachter“ unter dem hetzerischen Titel „Jüdische Profitsucht fordert ein Todesopfer“ (ANNO) von einem Unglück beim Abbruch des Hernalser Brauhauses.
Der Schwager von Hermann Adler, Franz Feiler, kam dabei ums Leben, ein weiterer Arbeiter wurde schwer verletzt. Hermann Adler wurde wegen Fahrlässigkeit zu drei Monaten schwerem Arrest verurteilt.
Am 15.11.1938 schreibt das Prager Tagblatt, dass die Alpine Montangesellschaft die Mehrheit der „Eisen-, Metall- und Maschinen AG Albert Adler & Söhne“ übernommen hat. Am Ende der Meldung heißt es, dass das Unternehmen „seit längerem unter kommissarischer Verwaltung“ stand.

Die kommissarische Verwaltung ist die Zwangsverwaltung eines Betriebs zwischen 1938 und 1945 durch einen kommissarischen Verwalter. Diese kommissarische Verwalter bzw. Überwachungspersonen waren zu allen Rechtshandlungen für das Unternehmen befugt. Die Befugnisse der Organe bzw. des Inhabers ruhten. (Quelle)
Mehr zum Thema kommissarische Verwaltung und Arisierung finden Sie hier.
Gelöscht
Am 17.11.1938 hören wir im Neuen Wiener Tagblatt zum letzten Mal von Albert Adler & Söhne: Albert, Hermann und Franz Adler wurden als Vorstandsmitglieder der „Eisen-, Metall- und Maschinen AG“ gelöscht.

Über das weitere Schicksal von Albert, Charlotte, Franz, Hermann und Anny Adler ist dzt. nichts bekannt.
Die Recherche in der Friedhofsdatenbank der Israelitischen Kultusgemeinde Wien hat ergeben, dass ein Albert Adler am 9.12.1939 im Alter von 76 Jahren gestorben ist. Ob es sich dabei um den oben beschriebenen Albert Adler handelt, ist nicht gesichert.

Wenn Sie weitere Hinweise und Ergänzungen zur Familie Albert und Charlotte Adler oder zur Firma Albert Adler & Söhne haben, freuen wir uns über Ihre Nachricht unter office@bm15.at
Von der Wiener Eisen- und Metallverwertungs-Aktiengesellschaft ist in ANNO zum letzten Mal 1949 zu lesen.

Auch diesbezüglich die Bitte: Falls Sie (belegte) Informationen zum Nachfolge-Betrieb von Albert Adler & Söhne haben, melden Sie sich gerne bei uns. Wir ergänzen dies dann.

Damit genug für heute:
Gehaben Sie sich wohl!
Ihre Brigitte Neichl
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Oder wie es Anton Ziegler 1828 (*) so schön ausgedrückt hat:
Jede Belehrung und Berichtigung, welche in Beziehung auf größere Vervollkommnung und Gemeinnutzmachung dieser Herausgabe beabsichtigt ist, wird mit dem ausgezeichnetsten Danke empfangen.
(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828
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Ein Kommentar zu „#FAQ15/068 Was erzählt uns die Tafel am Haus Mariahilferstraße 202?“