Die verschwundene Siedlung

Zeitreise durch die Geschichte von Wien Rudolfsheim-Fünfhaus

Episode ZR #01

In der 1. Folge von „Zeitreise durch Wien Rudolfsheim-Fünfhaus“ erfahren Sie, welche Siedlung die älteste auf dem Gebiet des 15. Wiener Gemeindebezirk war und warum es heute keine Spur mehr von ihr gibt.

Wenn Sie Fragen, Anregungen und/oder Ideen für den Podcast haben, melden Sie sich unter podcast@bm15.at

https://www.museum15.at/podcast/zr-01/

Dieser Podcast ist ein spin off von Fünfzehn Minuten über den Fünfzehnten.

Hier erfahren Sie mehr über Ziele und Inhalte von „Fünfzehn Minuten über den Fünfzehnten“ https://kulturpodcast15.podigee.io/1-fuenf-gruende


Die Podcast-Episode zum Artikel

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Zeitreise durch Rudolfsheim-Fünfhaus: Die verschwundene Siedlung

Transkript der Podcast-Episode:

Intro

Fünf Dörfer bei Wien – unendliche Weiten. Wir schreiben das 21. Jahrhundert. Dies sind die abenteuerlichen Erkenntnisse des Bezirksmuseums Rudolfsheim-Fünfhaus, das mit seiner 20 Personen starken Besatzung seit 1972 unterwegs ist, um vergangene Ereignisse zu erforschen, das Leben unserer Vorfahren zu ergründen und einen Beitrag zu Gegenwart und Zukunft der Stadt zu leisten. Mitten im 15. bringt das Museumsteam Erkenntnisse ans Licht, die Sie so vielleicht noch nie zuvor gehört haben.

Hallo und herzlich willkommen Fünfzehn Minuten über den Fünfzehnten spezial. Mein Name ist Brigitte Neichl. Schön, dass Sie wieder eingeschaltet haben und bei dieser Episode dabei sind.

Dieser Podcast wird Ihnen präsentiert vom Bezirksmuseum Rudolfsheim-Fünfhaus, DEM Veranstaltungs-Museum im Herzen des 15. Bezirks.

Das Museum bietet Ausstellungen, Veranstaltungen und Events für Erwachsene und Kinder und diesen Podcast.

Mehr dazu finden Sie auf www.museum15.at

Zeitreise durch Wien Rudolfsheim-Fünfhaus

Sie hören die erste Folge unserer fünfteiligen Miniserie „Zeitreise durch Wien Rudolfsheim-Fünfhaus“. Wir bewegen uns bei dieser Reise zwischen Ende des 12. Jahrhunderts bis Mitte des 20. Jahrhunderts.

Die Intro- und Outro-Musik wurde speziell für uns komponiert. Und zwar von Nigora Makhmudova. Sound producer war Ivan Kit. Die abenteuerliche Stimme gehört Maurizio Giorgi.

Alle Fans der Fernsehserie Raumschiff Enterprise werden die durchaus beabsichtigen Parallelen erkennen.

Ein Transkript dieser und auch der folgenden Episoden können Sie auf unserem Blog WIENfünfzehn nachlesen.

Den Link und weitere Infos finden Sie in den Shownotes.

Ich bin nicht allein. Dr. Waltraud Zuleger, Bezirkshistorikerin und Mitarbeiterin des Bezirksmuseums gestaltet diese Miniserie gemeinsam mit mir.

Brigitte Neichl
Hallo Waltraud! Schön, dass Du Dir die Zeit genommen hast und mich unterstützt.

Waltraud Zuleger
Sehr gerne. [00:03:04]

Brigitte Neichl
In der ersten Einheit beleuchten wir die Anfänge des heutigen 15. Bezirks. In welchem Zeitraum befinden wir uns denn da, Waltraud?

Waltraud Zuleger
Nun wir befinden uns in jenem Zeitraum, der gewöhnlich als Mittelalter bezeichnet wird. Und zwar im 12. Jahrhundert.

1156 wird die Grenzmark Österreich vom Stammesherzogtum Bayern, dem sie zugehörig ist, abgetrennt.

Dabei handelt es sich um einen großen Teil des heutigen Bundeslandes Niederösterreich, das spätere Bundesland Wien und einige wenige Teile des heutigen Bundeslandes Oberösterreich.

Nun, sie wird zum eigenen Herzogtum ernannt und ein Jahr nach dem der letzte Markgraf und 1. Herzog von Österreich stirbt – das ist 1178 – da haben wir dann die erste urkundliche Nennung einer Siedlung auf dem Areal des 15. Bezirk.

Na damals führten die Herzoge von Österreich wieder einmal einen Krieg gegen den Böhmenkönig, das ist aber für unseren Bezirk mal glücklicherweise unwichtig.

Brigitte Neichl
Der Titel der heutigen Folge lautet „Die verschwundene Siedlung“. Um welche Siedlung handelt es sich da?

Waltraud Zuleger
Meinhardisdorf oder Meinhartsdorf bei Meidling. Es ist in einer Urkunde des Stiftes Klosterneuburg namentlich genannt. Diese ist aus dem Jahr 1178.

Brigitte Neichl
Okay. Magst Du uns etwas mehr über dieses Meinhardisdorf bzw. Meinhartsdorf erzählen? Wo befand sich diese Siedlung?

Waltraud Zuleger
Wo befand sich dieses Meinhardisdorf? Entscheidend für die Lokalisierung ist der Hinweis auf Meidling. Im Jahr 1232 – das ist etwa 50 Jahre nach der Erstnennung – wird dann eine Brücke über den Wienfluss genannt.

Diese verbindet ein Meinhardisdorf mit Meidling. Das bedeutet also, Meinhardisdorf muss am Wienfluss gelegen haben. Auf dem einen Ufer war damals Meidling, das heute dort gelegene Gaudenzdorf gab es ja damals noch gar nicht. Und wenn beide Siedlungen eine Brücke verbunden hat, dann wird Meinhardisdorf am anderen Ufer gelegen haben.

Dieses Meinhartsdorf bestand im 13. Jahrhundert aus etwa neun Bauernhöfen und zwei größeren Hofstätten (1). Soweit man das beurteilen kann, dürfte es eine Art Bauzeile gewesen sein.

(1) bäuerliches Anwesen mit Haus, Hof und Wirtschaftsgebäuden

Tja daraus kann man dann vielleicht eine gewisse Lage rekonstruieren. Man berücksichtigt den damaligen Verlauf des Wienflusses und man kann als Vergleich auch andere Siedlungen, die sich am Wienfluss befanden, hinzuziehen und dann kann man ungefähr davon ausgehen, dass sich Meinhardisdorf wohl im Bereich Pfeiffergasse Storchengasse um die heutige Diefenbachgasse befunden haben dürfte.

In etwa diesem Bereich dürfte sich die Siedlung Meinhardisdorf befunden haben, Plan: www.wien.gv.at

Ein Problem ist halt: Baureste sind nicht erhalten, bei denen eine relative Konkretisierung der Lage möglich wäre. Wir haben nur urkundliche Belege, dass es eben die Siedlung gegeben hat.

Tja, und was die Urkunde betrifft: 1178 wurde sie ausgestellt für das Stift Klosterneuburg.

Ein Uodalricus de Valchinstein (Ulrich von Falkenstein), Beamter von Herzog Leopold V., der kinderlos ist, hinterlässt sein Gut Meinhardisdorf juxta Murlingen – mit Murlingen ist Meidling gemeint – für seine Seelenheil dem Stift Klosterneuburg. Er bekommt dafür als Altersversorgung 70 Talente.

Soweit der Text der Urkunde. Nicht gerade prickelnd, aber immerhin wird hier Meinhartsdorf genannt. Ulrich von Falkenstein – wir haben bisher leider noch nichts Konkretes zu ihm entdeckt.

Der derzeitige Forschungsstand lässt offen, ob diese Ulrich aus einer Familie war, die sich nach einer Burg oder einem Ort benannte oder ob die Benennung vielleicht nur auf seinen Herkunftsort oder auf seinen Wohnsitz verweist.

Der Herzog Leopold ist besser zu fassen, es ist der Babenberger Leopold, der Tugendhafte oder Tugendreiche. Der Name Leopold findet sich ja bei den Babenbergern sehr häufig.

Dieser wird gewöhnlich mit der Ordnungszahl 5 belegt – hin und wieder auch mit der 6 – und bekannt ist er ihnen wohl wegen des Lösegeld-Coups um Richard Löwenherz.

Und früher – das ist für unseren Bezirk nicht uninteressant – war er auch wegen seiner Teilnahme am Dritten Kreuzzug bekannt. Er war Teilnehmer der Schlacht von Akkon. Und an diese Schlacht haben wir ja eine Erinnerung im Nibelungenviertel – den Akkonplatz. [00:07:01]

Akkonplatz um 1980, Foto: BM 15

Brigitte Neichl
Der Titel dieser Folge ist ja „Die verschwundene Siedlung“. Was ist da passiert? Ich nehme an, es hat etwas mit Kampf und Krieg zu tun.

Waltraud Zuleger
Tja 1529 im Herbst haben wir die Erste Wiener Türkenbelagerung. Bei der Verteidigung – obwohl sie nur kurz war – wurden sämtliche Siedlungen außerhalb der damaligen Stadt Wien, also außerhalb des 1. Bezirks, zerstört. Teils waren es die Osmanen und teils waren es die Verteidiger.

Man kann davon ausgehen, dass Meinhardisdorf, das danach nicht mehr genannt wird, zu jenen Siedlungen gehört, die spätestens zu diesem Zeitpunkt zerstört und nicht mehr aufgebaut wurden. Allerdings die letzten Nennung haben wir im Jahr 1404, daher ist ein früherer Zeitpunkt ebenfalls möglich.

Nun darf man nicht übersehen, dass das 15. Jahrhundert für das Herzogtum Österreich und die Stadt Wien eine ziemlich schwere Zeit war. Interne Kriege innerhalb der Dynastie der Habsburger, die damals die Herrschaft ausübte, die Hussitenkriege, die vor allem verheerende Auswirkungen im heutigen im Waldviertel und Weinviertel hatten, der erste große Bruderzwist von Habsburg um 1462, und dann die Kriege des Ungarnkönigs Matthias Corvinus.

1485, da war das wieder vorbei, wurde die Stadt Wien nach einer mehrjährigen sehr harten Belagerung eingenommen. Sie gab auch erst auf und handelte mit Matthias Corvinus die Kapitulation aus, nachdem er sämtliche Versorgungswege abgeschnitten hatte.

Es ist gut vorstellbar, dass die Siedlung Meinhardsdorf während dieser Belagerung endgültig zerstört wurde.

Denn eines darf auch nicht übersehen werden: Immerhin, es sind zwei Hofstätten erwähnt, eine um 1310 erstmal und diese ist 1513 noch belegt als Eigentum vom Stift Heiligenkreuz.

Sie dürfte mit relativer Wahrscheinlichkeit erst bei der Ersten Türkenbelagerung zerstört worden sein. Und dass sie doch relativ lange bestanden hat, könnte ein Hinweis sein, das eben auch die Zerstörung von Meinhardisdorf erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts war.

Allerdings eine letzte Lösung dürfen wir auch nicht ausschließen: Der Ort lag am Wienfluss.

Der Wienfluss war damals ein ziemlich wilder Fluss, Überschwemmungen häufig. Es wäre es also auch möglich, dass die Siedlung vernichtet wurde und in der Folge nicht aufgebaut. Wobei man sich vorstellen könnte, dass die Lage eben gerade der Ort hier eine Rolle spielte. [00:09:21]

Brigitte Neichl
Was erinnert uns denn heute noch an diesen ersten Ort auf dem Gebiet des heutigen 15. Bezirks

Waltraud Zuleger
Nun erhalten geblieben ist eine Erinnerung an den Namen Meinhartsdorf oder  Meinhardisdorf. Und Ende des 19. Jahrhunderts wurde da eine Gasse im heutigen Bezirk benannt – die Meinhartsdorfer Gasse.

Meinhartsdorfer Gasse – zwischen Henriettenplatz und Reindorfgasse, Foto: BM 15

Allerdings, die befindet sich beim Henriettenplatz. In einem ganz anderen Teil.

Meinhartsdorfer Gasse, Plan: www.wien.gv.at

Brigitte Neichl
Wie ging es denn nun weiter mit der Gegend, wo später Rudolfsheim-Fünfhaus entstehen sollte, damals ja noch Teil von Niederösterreich?

Waltraud Zuleger
Tja, wie es im Herzogtum Österreich weiterging. Der Begriff Niederösterreich ist ziemlich irreführend. Das Wort gab es damals bereits, aber es bedeutet etwas ganz anderes.

Sagen wir so: Durch den großen Bruderzwist der Habsburger im 15. Jahrhundert und die Eroberungskriege des Matthias Corvinus, bildete sich dann in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aus dem Herzogtum Österreich die zwei Teil-Herzogtümer Ob der der Enns und Unter der Enns. Daraus wurden ja später die Bundesländer Ober- und Niederösterreich.

Für die Geschichte des 15. Bezirks könnte die Erste Wiener Türkenbelagerung als Ende des Mittelalters gesehen werden.

Die Jahre danach bis zur Zweiten Wiener Türkenbelagerung im Jahr 1683 dürften dann erst das Dunkle Zeitalter des Bezirks gesehen werden. Die Zeit war geprägt durch Kriege der Habsburger – es ging um die Herrschaft im Königreich Ungarn – Kriege gegen das Osmanische Reich, Reformation, Gegenreformation.

Beides auch noch ein Machtkampf zwischen Landesfürst, Adel und Städten, der Niederösterreichische Bauernkrieg im 16. Jahrhundert – eine Folge wirtschaftlichen Niedergangs und  schließlich der Dreißigjährige Krieg, wo in Niederösterreich vor allem schwedische Heere ihr Unwesen getrieben haben.

Die Stadt Wien verlor im 16. Jahrhundert auch noch ihre privilegierte Stellung ziemlich bedeutende landesfürstliche Stadt, aber in der Folge des Dreißigjährigen Krieges war sie letztlich Zentrum des Habsburgerreiches und Sitz des Kaisers geworden.

Vor diesem Hintergrund muss man leider anmerken, dass Siedlungen auf dem Areal des späteren 15. Bezirks für diese Zeit nicht erhalten oder urkundlich genannt sind. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie es nicht gegeben hat, aber offensichtlich war ihnen keine langfristige Dauer beschieden oder sie hatten keine bedeutende Funktion erlangt.

Bis ins 17. Jahrhundert finden wir eigentlich nur Flurnamen, wie „Auf der Schmelz“, „In den hangenden Lüssen“ etc. Das deutet darauf hin, das Gebiet dürfte landwirtschaftlich genutzt worden sein.

Plan 1819_Katastralplan der Gemeinde Braunhirschen Reindorf und Sechshaus, BM 15

Und die fünf Dörfer, aus welchen dann der heutige Bezirk entstand, die sind mit Sicherheit erst nach der Zweiten Türkenbelagerung entstanden. Ob sie Vorgänger-Siedlungen hatten, bleibt offen.

Ich würde sagen, die Folge der zweiten Belagerung darf man auch nicht geringschätzen. Kriege gegen das Osmanische Reich gab es weiterhin, aber der Kriegsschauplatz verlagert sich von Wien weg, was wiederum für die Orte, die späteren Vororte, eine günstige Situation war, um sich endlich zu entwickeln, da man nicht mehr direkt von den Kriegsauswirkungen bedroht war. [00:12:11]

Brigitte Neichl
Wir sind nun am Ende des ersten Teils unserer Mini-Serie angelangt.

Liebe Waltraud, vielen Dank für deine Ausführungen.

Waltraud Zuleger
Ja, ich hoffe, dass unsere Zuhörerinnen und Zuhörer einiges aus dem Gehörten mitnehmen konnten.

Ja, liebe Hörerin, lieber Hörer! Rudolfsheim-Fünfhaus hat viel zu bieten, machen wir was draus – gemeinsam.

Wenn Sie ihr Wissen über die Geschichte des 15. Bezirks erweitern möchten.

Wenn Sie kulturelle und gesellschaftspolitische Themen schätzen.

Wenn Sie gespannt auf interessante Menschen und Themen aus Vergangenheit und Gegenwart im 15. Bezirk sind.

Dann sind Sie bei uns richtig!

Besuchen Sie unsere Ausstellungen und Veranstaltungen im Museum, verfolgen Sie unsere Aktivitäten auf unserer Webseite, unserem Blog, unserem Youtube-Kanal und auf FacebookInstagram & Co. Infos und Links, finden Sie in den Shownotes.

Wir sind auch gespannt auf Ihre Kommentare und Anregungen.

Wenn Sie wissen möchten, wie es mit der Geschichte des 15, Bezirks weitergeht, versäumen Sie nicht Teil 2 „Der Kampf um die Reindorfkirche“. Ich verabschiede mich mit den sphärischen Klängen von Nigora Makhmudova.

Auf Wiederhören!

Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Tag!

Ihre Brigitte Neichl.

Outro

Schau mal! Ich was Interessantes auf WIENfünfzehn entdeckt!

7 Kommentare zu „Die verschwundene Siedlung

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