Teil 1 unserer Serie zum Theater in der Wiener Besatzungszeit (1945-1955) am Beispiel der Kleinen Bühne in der Diefenbachgasse. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges, im Sommer 1945, kamen der Regieassistent und Requisiteur Alois Bednar (1921-1994) und der Schauspieler Ferdinand Köppler, wegen der prekären Lage der Schauspieler*innen auf die Idee, eine „Nachwuchsbühne“ zu gründen. Die Spielstätte sollte darüber hinaus einen Beitrag zum Wiederaufbau des neuen österreichischen Theaters leisten. Am 27. November 1946 musste Direktor Alois Bednar schließlich Konkurs anmelden. In der kurzen Zeit ihres Bestehens schrieb die Kleine Bühne jedoch Theatergeschichte.

Wir befinden uns am Westbahnhof im 15. Bezirk in Wien. Jetzt steigen wir in die U-Bahnlinie U6 ein und fahren bis zur Längenfeldgasse. Dort steigen wir aus, überqueren rechts die Straße und befinden uns auf der Linken Wienzeile. Dort biegen wir in die Stiegergasse ein und die nächste Gasse, die uns erwartet, ist die Diefenbachgasse. Bei Nr. 9 bleiben wir stehen und schauen uns ein Wohnhaus an – sehr modern und sehr neu.

Und jetzt drehen wir das Rad der Zeit zurück: Wir befinden uns zwar noch immer in Wien, aber nicht im Jahre 2020, sondern im Jahr 1945. Diefenbachgasse Nr. 9 , heute gut erreichbar mit den Öffis, damals ein „entlegener Ort“?




Hier in der Diefenbachgasse Nr. 9 war eine Theaterbühne – von ihrem Direktor Alois Bednar ganz unbürokratisch „Kleine Bühne“ genannt – was auch den Eindruck erweckt, dass sie nicht besonders groß gewesen sein muss.
Es gibt Unterlagen über diese Bühne, sei es im Wiener Stadt- und Landesarchiv im Gasometer, in der Wienbibliothek und auch in den Printmedien der damaligen Zeit – zu finden auf ANNO – und sie kommt auch in den Erinnerungen einzelner Zeitgenoss*innen vor – etwa bei Waltraut Haas.
Aber wenn wir uns die Frage stellen, wie war das damals wirklich mit der „Kleinen Bühne“ sind wir oft auf Spekulation angewiesen. Vieles wird verklärt, „die gute,alte Zeit“, vieles ist längst vergessen. Long, long time,ago.
Aber es gibt Spuren, und denen wollen wir nachgehen.

Am Anfang Statistik!
Es gab 10 Premieren für Erwachsene. Es wurden auch Vorstellungen für Kinder gespielt, die werden hier nicht berücksichtigt. Es existiert auch noch ein Programmzettel von „Weibsteufel“ (Karl Schönherr), auch das wird noch nicht genauer betrachtet, hier könnte es sich um eine Sommertournee gehandelt haben.
Am 11. Oktober 1945 wurde mit „Der Talisman“ von Johann Nestroy eröffnet.
Es gab 27 Vorstellungen.

Am 1. November 1945 gab man Hugo von Hofmannsthal „Der Tor und der Tod“.
Es gab 8 Vorstellungen.

Am 24. November 1945 spielte man von Klabund „X.Y.Z“.
Es gab 11 Vorstelllungen, und hier führte auch der Direktor Alois Bednar erstmals Regie.

Am 15. Dezember 1945 gab es etwas Heiteres! Dario Nicodemi „Scampolo“.
Man spielte 18 Vorstellungen.

Die Silvestervorstellung des Jahres 1945 handelte von M. Rössner/H. Rössner „Goldregen“.
Diesmal gab es sehr viele Vorstellungen, nämlich 52!

Nach einer etwas längeren Pause folgte am 23. Feber 1946 etwas ganz Klassisches, nämlich Johann Wolfgang von Goethe „Die Laune der Verliebten“ und „Scherz, List und Rache“.
Man spielte es 10 Mal. War nicht ganz so ein Erfolg, sollte man meinen. Wir werden demnächst die Kritiken lesen, und erfahren, ob es stimmt.

Am 5. April 1946 beherrschte „Armut“ von Anton Wildgans die Bühne.
Elf Mal wurde sie verbreitet.

Am 21.4. 1946 war die Premiere von „Hulla die Bulla“ von Franz Arnold und Ernst Bach.
„Hulla die Bulla“ wirbelte acht Mal über die Bühne.

Am 16. Mai 1946 gab es Nestroys „Einen Jux will er sich machen“.
Diese Aufführung spielte man nur sechs Mal. Wir werden sie aber in weiterer Folge näher beleuchten, weil hier finden wir am Programmzettel Namen wie Helmut Qualtinger, Waltraut Haas und Alfred Böhm.

Die letzte Premiere fand am 8. Juni 1946 statt. Man gab etwas Französisches. Vielleicht weil sich der 15. Bezirk damals in der französischen Besatzungszone befand. Wir schreiben das Jahr 1946. „Die Vier im Jeep“ gehörten quasi zum Alltag. „Frau Vidal hat einen Geliebten“ von L. Verneuil.
Es wurde zehn Mal gespielt.


In den nächsten kurzen Folgen beschäftigen wir uns intensiver mit der „Kleinen Bühne“. Wie geschrieben, es sind nur Zeitsplitter, kleine Puzzlesteine, die aber dann zusammengefügt, einen Eindruck der Jahre 1945- 1946, die für das Theater, eine der schwierigsten Zeiten (nicht nur für das Theater, sondern für ganz Österreich, aber wir nehmen hier die Theatergeschichte zum Anlass) überhaupt war. Aber es durfte wieder gespielt werden, es war Kriegsende und die Hoffnung war groß, gutes und ambitioniertes Theater wieder auf die Bühne bringen zu können.
Und Alois Bednar, damals 27 Jahre jung, hat in seiner Bühne mehr als 80 Schauspieler*innen Raum gegeben, von denen später viele beachtliche Karrieren hingelegt haben.
Fortsetzung folgt!
Literatur
Komoedie. Zeitschrift für künstlerisches Theater. Verlag Erwin Müller. Wien, 1946.
Programmzettel „Kleine Bühne“. 1945-1946. (Wiener Stadtbibliothek 119768) Wienbibliothek. Wien.
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(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828
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