Unsere neunteilige Serie „History & Crime in Rudolfsheim (Fünfhaus) Anno dazumal“ – erschienen 2018/19 – von Barbara Büchner fand großen Anklang und gehört zu den meistgelesenen Beiträgen auf WIENfünfzehn!
Auf vielfachen Wunsch haben wir uns nun entschlossen, die Serie fortzusetzen. In unregelmäßigen Abständen finden Sie nun weitere Forschungsergebnisse aus „History & Crime in Rudolfsheim“.
Barbara Büchner recherchiert unermüdlich in Archiven, durchforstet dutzende Zeitungsartikel und trägt für Sie die spektakulärsten Fälle zusammen, die sich auf dem Gebiet des heutigen 15. Bezirks zugetragen haben oder von Personen handeln, die im heutigen Rudolfsheim-Fünfhaus wohnhaft oder beruflich (oder sonst wie) tätig waren.
Erfahren Sie heute mehr über schwierigen und langwierigen Weg, bis Frauen 1991 endlich als vollgültigen Sicherheitswachebeamtinnen in Wien ihren Dienst antraten.

Frauen als Wiener Polizeibeamtinnen
Es sollte noch viel Wasser die Donau hinabfließen, bis 1991 die ersten vollgültigen Sicherheitswachebeamtinnen in Wien ihren Dienst antraten.
Immer wieder wurde versucht, die weibliche Polizei ins „Ersatzmutter-Eck“ abzudrängen, obwohl der Sektor „Gefährdetenpolizei“ bereits von qualifizierten Fürsorgerinnen abgedeckt wurde.
Schritt für Schritt mussten sich die Frauen vorwärtskämpfen – und zuletzt „durften“ sie den Männern gleichgestellt sein, weil diese keine Lust mehr hatten, diesen (im Verhältnis zum Risiko) bescheiden bezahlten, lebensgefährlichen und vielfach angefeindeten Beruf auszuüben …
Aber kehren wir zurück ins Jahr 1929, wo wir bereits in den meisten Kulturstaaten Polizistinnen vorfinden – die meisten davon in den angelsächsischen Ländern Amerika und England.
Transkript „Die Stunde“, 27. Juni 1929, Seite 6
Frauen als Wiener Polizeibeamtinnen. – Sie haben in der Fürsorgetätigkeit eine wichtige Rolle.
Bei dem seit einer Woche in Berlin tagenden Weltkongress der Frauen wurde über die verschiedentliche Verwendung der Frau im Berufsleben beraten und auch darauf hingewiesen, dass eine weibliche Polizei in jeder Großstadt notwendig sei. Die Vorsitzende der internationalen Kommission für weibliche Polizei, Frau Rosa Manus, teilte dem Kongress über den Fortschritt der Bewegung, Frauen als Polizistinnen anzustellen, interessante Daten mit.
Nach ihrem Bericht gibt es weibliche Polizei in folgenden Staaten:
Australien | Zahl nicht genau bekannt |
Österreich | 15 Beamtinnen |
Dänemark | 9 Beamtinnen |
England | 150 Beamtinnen |
Deutschland | 121 Beamtinnen |
Norwegen | 4 Beamtinnen |
Rumänien | 2 Beamtinnen |
Schweiz | 29 Beamtinnen |
USA | 125 Beamtinnen |
Durchweg uniformiert ist nur die englische weibliche Polizei, die als einzige das Recht hat, Verhaftungen durchzuführen.
Transkript Ende

Rosa Manus, eigentlicher Name: Rosette Susanna Manus (geb. 20. August 1881 in Amsterdam; gest. März 1942 in Bernburg), war eine niederländische Feministin, Aktivistin für Frauenrechte, Frauenwahlrecht und Initiatorin verschiedener Organisationen.
Über die Frauenpolizei
Dass die Frauen solche Fortschritte machten, rief wieder einmal die männlichen Witzbolde auf den Plan.
Selbst die „rote“ Zeitung „Arbeiterwille“ in Graz (von 1890 bis 1934 die sozialdemokratische Parteizeitung der Steiermark) schämte sich nicht, sich in einem (vermutlich fiktiven) Artikel über die angeblichen Possen der ägyptischen Frauenpolizei lustig zu machen.
Überhaupt waren ja die Sozialdemokraten der Frauenbewegung anfangs nicht gut gesinnt; sie erschien ihnen überflüssig, weil mit dem Anbruch des Sozialismus sowieso alle Probleme gelöst sein würden. Die Frauen der ersten Stunde kamen daher vorwiegend aus gutbürgerlichen Familien.
Transkript Arbeiterwille 13. Mai 1930
Abstimmung über die Frauenpolizei. Seit ihrer Unabhängigkeit setzen die Ägypter alles daran, ebenso fortschrittlich zu sein, wie die europäischen Staaten. Besonders um die Reorganisation der Polizei sind sie sehr bemüht und neuerdings haben sie auch eine weibliche Polizei eingerichtet.
Eine arabische Zeitung hat nun eine Abstimmung angestellt, wie man diese weibliche Polizei uniformieren soll. Fast die Hälfte der Antworten sprach sich überhaupt gegen die weibliche Polizei aus, andere verlangten weiße Polizistinnen, andere nur ägyptische.
Ein großer Teil der Ägypter aber ist der Ansicht, dass man nur hübsche Polizistinnen anstellen soll. In diesem Fall müsste die Kriminalität stark abnehmen, denn welcher Mann würde sich nicht schämen, vor einem reizenden Mädchen als Verbrecher dazustehen?
Eine beträchtliche Anzahl von Beantwortern stellt sich auf den entgegengesetzten Standpunkt. Nur die hässlichsten und abstoßendsten Frauen dürfen eingestellt werden, denn vor einem hübschen Mädel hätte niemand Respekt. (…)
Den Vogel haben aber die Einsender abgeschossen, die entschieden gegen jede Polizei sind, die zarter Neigungen fähig ist und stattdessen alles Ernstes die Einstellung von Eunuchen fordern. Nur Eunuchen könnten in gleicher Weise mit männlichen und weiblichen Verbrechern fertig werden, ohne durch Gefühle behindert zu sein.
Nur in einer Sache sind sich alle Beantworter dieser Rundfrage einig: (…) Eine Verbesserung der Polizeiorganisation kann in keinem Falle etwas schaden.
Transkript Ende
Die englische Frauenpolizei
Nachdem nun hoffentlich alle schallend gelacht haben, wenden wir uns wieder der Entwicklung in England zu, wo man am weitesten fortgeschritten war. Die Frauen am Kontinent nahmen sich diese englische Frauenpolizei – zu der sogar eine Motorrad-Staffel gehörte – in jeder Hinsicht zum Vorbild.


Im Heft 1 der Zeitschrift „Die Österreicherin“, Jahrgang 1931, berichtet Dr. Carla Zaglits ausführlich über die „Police Women“.
Transkript (Auszug):
Die weibliche Polizei in England. Von Dr. Carla Zaglits.
(…) E s ist bekannt, dass England uniformierte weibliche Polizei besitzt. Wie sich diese auswirkt, wie sie zusammengesetzt ist, darüber will ich hier, da ich gelegentlich einer Englandreise in soziale Einrichtungen Londons Einblick nahm, berichten.
In dem wuchtigen ernsten Gebäude von New Scotland Yard, das, wie viele andere öffentliche Gebäude Londons, sehr dekorativ an der von Schiffen, Schleppern und Docks sehr belebten Themse gelegen ist, hat auch die weibliche Polizei ihre Räume. (…)
Die weibliche Polizei in London besitzt seit 1924 dieselben Befugnisse wie die männliche. Sie setzt sich zusammen aus 2 Inspektoren, 5 Sergeanten und 43 Konstablern (Schutzleuten).
Die Aufnahme in die Körperschaft der weiblichen Polizei ist an folgende Grundbedingungen gebunden: Das Alter der Bewerberin muss über 22 und unter 30 Jahren sein; die Größe hat mindestens 1.63 m zu betragen; die ärztliche Untersuchung muss die vollkommene Gesundheit bestätigen; die Ansuchende muss britischer Nationalität und von britischer Abstammung sein; ihre Vorbildung und Erziehung muss die Ansuchende befähigen, zumindest gut lesen, schreiben und rechnen zu können, Grammatik und Aufsatz zu bestehen. Der Nachweis allgemeiner Intelligenz ist erforderlich.
Vor ihrer Aufnahme als Constables haben die Kandidatinnen dieselbe Trainingschool durchzumachen wie ihre männlichen Kollegen. Nur in der Ausführung der Leibesübungen bestehen Unterschiede. Der Kurs dauert von mindestens 10 Wochen bis höchstens 17 Wochen. (…)
Eine verheiratete Frau kann keine Aufnahme bei der weiblichen Polizei finden, falls ihr Gatte noch lebt; aber eine Witwe entsprechenden Alters, die nicht allzu kleine Kinder besitzt und deren Kinder nicht auf ihre Pflege angewiesen sind, kann als Kandidatin in Erwägung gezogen werden.
Es gibt also für die weibliche Polizei in der Praxis die Vorschrift einer Art von Ehelosigkeit, die man vielleicht nicht zu Unrecht für die ungestörte Ausübung eines Berufes, der so viel Pünktlichkeit, Bewegungsfreiheit, Umstellbarkeit und Gesundheit erfordert, wie dies bei der englischen Form der weiblichen Polizei der Fall ist, für notwendig erkannt hat. Diese Aufnahmsklausel bildet übrigens eine Ausnahme von den Bestimmungen des Sex Disqualification Removal Act (des Gesetzes zur Beseitigung der Disqualifikation wegen geschlechtlicher Unterschiede) vom Jahre 1919, welches bestimmt, dass niemand infolge seines Geschlechtes oder seiner Verheiratung von der Ausübung eines öffentlichen Amtes ausgeschlossen werden kann.
In der Entlohnung, aber nicht nur in dieser, sondern auch in der Beschäftigungsdauer, bestehen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Polizisten.
Der weibliche Polizist bezieht als Constable 3 Pfund, d. i. 60 englische Schilling (1 engl. Schilling i. e. 1.75 österr. Schilling), der männliche Polizist bezieht 3 Pfund 10 Schilling pro Woche.
Ein Woman-Sergeant bezieht bereits 4.5 Pfund die Woche, und kann bis 5 Pfund steigen, der männliche Sergeant bezieht dementsprechend mehr.
Der weibliche Polizist hat aber nur 7 Arbeitsstunden, davon eine Freistunde für den Lunch. Der männliche 8 Arbeitsstunden, davon nur 1 / 2 Stunde für den Lunch.
Es ist also hier eine Art Kurzarbeit und Hand in Hand damit eine Lohnkürzung für die weibliche Polizei durchgeführt. (…)
Vom Recht der Arretierung auch männlichen Personen gegenüber macht die weibliche Polizei nach Tunlichkeit wenig Gebrauch; manchmal ist es jedoch unumgänglich nötig. Ich habe diesbezüglich keinerlei Klagen über Zwischenfälle und Auflehnung der verhafteten Männer gegenüber den weiblichen Polizisten gehört. Eine für unsere Verhältnisse und die Mentalität unserer Bevölkerung unvorstellbare Tatsache!
Transkript Ende

Bild: Originalquelle unbekannt (vermutlich Policewomans Review), abgedruckt in The Mirror.
Interessant, dass es zu der Zeit (1925) in England bereits ein Gesetz gegen Disqualifizierung wegen geschlechtlicher Unterschiede gab, dieses Gesetz aber speziell für die Polizistinnen außer Kraft gesetzt wurde; zudem waren sie in gewisser Weise zum Zölibat verpflichtet, und bei der Bezahlung knapste man ihnen auch einiges ab. Aber immerhin: Sie kamen der späteren Sicherheitswachebeamtin schon beträchtlich näher als ihre Kolleginnen auf dem Kontinent.
Weibliche Polizei in Deutschland und Österreich
So entstand denn auch die erste weibliche Polizei in Köln nach englischem Vorbild, worüber die Zeitung „Der Tag“ auf der Innenseite „Der Tag der Frau“ vom 29. März 1926 (zwischen Bananensalat-Rezepten und Kleinanzeigen) berichtet:
Transkript (Auszug)
Zum ersten Mal wurde in Deutschland eine weibliche Polizei im Jahrs 1923 in Köln ins Leben gerufen. Den Anlass dazu bot die berüchtigte Ordonnanz 83, erlassen von der englischen Besatzungbehörde, um dem ungeheuren Anwachsen der Geschlechtskrankheiten entgegenzutreten. Diese Ordonnanz 83 gab der Behörde das Recht, jede „verdächtige“ weibliche Person auf der Straße festzunehmen und einzusperren. Eine Engländerin war es, deren soziales Gewissen sich gegen dieses Verfahren empörte, das zu Rohheiten und Ungerechtigkeiten aller Art Anlass gab. Sie setzte sich mit der weiblichen Polizei in England in Verbindung, auf deren Anregung die weibliche Polizei in Köln organisiert wurde. Sie bildet jetzt das Vorbild für die künftige weibliche Polizei Preußens.
Transkript Ende
Das Jahr 1934 ging auch an der weiblichen Polizei nicht vorüber. Egal, wie weiblich und fürsorglich die Polizistinnen auf dem Kontinent sich darstellten, ins Bild der „deutschen Frau und Mutter“ passten sie nicht. Der folgende kurze Ausschnitt zeigt auch, dass die seit 1923 bestehende weibliche Polizei in Deutschland von den zunehmend gleichgeschalteten Medien kurzerhand ignoriert wurde.
Transkript „Grazer Tagblatt“ 3. Februar 1934
England meldet: „Weibliche Polizei im Reich“ London, 2. Februar. Die heute aus Berlin nach London zurückgekehrte Kommandantin des Londoner Frauenhilfspolizeikorps, Miss Allen, berichtet den Zeitungsvertretern, dass ihr Ministerpräsident Göring von seiner Absicht Mitteilung gemacht habe, eine weibliche Polizei in Deutschland zu schaffen. — Hinter diese Nachricht ist wohl ein sehr großes Fragezeichen zu setzen, ist doch das neue Deutschland mehr denn je bestrebt, die Frau ihrem eigentlichen Berufe als Frau und Mutter wieder zuzuführen. Ob nicht da das Märchen von der „unerhörten Aufrüstung“ im Reich eine neue Wendung erfahren hat? Die gegen das Reich gerichtete Propaganda ist ja in diesen Belangen sehr erfinderisch.
Transkript Ende
Allerdings akzeptiert im Lauf der Zeit sogar der „Völkische Beobachter“ eine weibliche Polizei, solange diese sich auf ihre Ersatzmutter-Rolle beschränkt (Völkischer Beobachter 8. Mai 1938). Das Neue Wiener Tagblatt vom 28. Januar 1939 berichtet ausführlich über den Vortrag einer Polizistin vor Schulkindern.

Allerdings blieb es nicht bei der „Tante Polizistin“, die Volksschüler vor Gefahren warnte.
„Nach 1933 hatte sich die Ausrichtung der WKP drastisch verändert: Hatte in der Weimarer Republik ein Schwerpunkt noch auf der „Interessenwahrnehmung weiblicher Personen gegen die ‘staatlich sanktionierte’ Doppelmoral, sprich die reglementierte Prostitution“ gelegen und – neben zweifelsfrei repressiven Maßnahmen – auch Schutz und Fürsorge für weibliche Opfer sexueller Ausbeutung eine wesentliche Rolle gespielt, so verschob sich die Tätigkeit auch der weiblichen Kriminalbeamtinnen im nationalsozialistischen Deutschland eindeutig in Richtung Repression bis hin zur Verfolgung und Internierung betroffener Mädchen und Frauen.“ (Quelle: Wikipedia)
„Himmlers Polizistin“ Friederike Wieking
Einerseits nahm die weibliche Kriminalpolizei im Dritten Reich einen unerwarteten Aufschwung, andererseits wurde sie sehr schnell zum Instrument des totalitären Staates, wie das Beispiel Friederike Wieking zeigt.
Diese, „Himmlers Polizistin“ genannt, leitete als einzige Frau zwei Konzentrationslager für „entartete Jugendliche“, obwohl sie selbst als „sittlich entartete“ Lesbierin eine Kandidatin fürs KZ gewesen wäre: Ihr wurden die 1940 bzw. 1942 geschaffenen Jugendkonzentrationslager Moringen und Uckermark fachlich unterstellt, wodurch sie direkt für Einweisungen verantwortlich wurde. KZ-Leiterinnen und an Einweisungen beteiligte Beamtinnen berichteten an sie; Lagerberichte wurden von ihr abgezeichnet.
Von Heinrich Himmler zur Regierungs- und Kriminalrätin ernannt, stand sie im Jahr 1943 auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Im Stab der Reichsfrauenführung sowie als Leiterin der Jugendkonzentrationslager Uckermark/Moringen, Führungsspitze der Weiblichen Kriminalpolizei und Chefin im Referat V A III des Reichssicherheitshauptamtes zählte sie zu den wohl mächtigsten Frauen im Dritten Reich. Sie wurde nach 1945 verhaftet und sieben Jahre lang inhaftiert.

Weibliche Kriminalpolizei in Österreich
Auch in Österreich wurde die Polizeifürsorge im Herbst 1938 in eine „weibliche Kriminalpolizei“ umgewandelt, ohne dass sich ihre Aufgaben nennenswert verändert hätten, sie wurde denn auch nach 1945 unter dem alten Namen wieder etabliert.
1950 jedoch wurden aus den Fürsorgerinnen wieder weibliche Kriminalbeamte: 28 Frauen wurden mit Erlass der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit in den Kriminaldienst übergeleitet, absolvierten den Kriminalbeamtenkurs und erhielten das gleiche Gehalt wie ihre männlichen Kollegen.
Am 1. Juli 1955 trat die erste Polizeioffizierin („leitende weibliche Kriminalbeamtin“) ihren Dienst an – Anna Vogel, die Leiterin der Jugendpolizei wurde und neben dem Beruf auch das Jus-Studium absolvierte.
Die „Holobek-Mädel“ – Hilfspolizistinnen im beschränkten Kompetenzen
Mitte der 1960er Jahre war die Wiener Polizei in eine Krise geraten. Immer weniger Männer hatten Lust, sich einen Beruf zu wählen, der ihnen physisch und psychisch das Äußerste abforderte, sie oft genug in Lebensgefahr brachte und dabei vergleichsweise bescheiden bezahlt wurde – gar nicht zu reden davon, dass Polizisten nur gelegentlich als Helden gefeiert, viel häufiger aber als „brutale Bullen“ heruntergemacht wurden.
In dieser Misere kam der in jeder Hinsicht geniale Polizeipräsident Joschi („I bin´s, dei Präsident!“) Holaubek auf eine Idee.
Waren da nicht alle die Frauen, die seit rund fünfzig Jahren darüber murrten, dass ihnen der volle Zugang zum Polizeiberuf verwehrt blieb?
Bitte sehr!
Und die Polizei öffnete ihre Ränge für die – nein, nicht vollgültige SWB, sondern die sogenannten „Holaubek-Mädels“, die nichts anderes waren als Hilfspolizistinnen mit beschränkten Kompetenzen.
Die 54 Bewerberinnen, die am 1. Oktober 1965 zum Grundausbildungslehrgang in der Marokkaner Kaserne antraten, hatten zwar die gleiche Ausbildung und das gleiche Gehalt wie die Männer, aber nicht die gleichen Aufgaben. Statt um gefallene Mädchen durften sie sich jetzt um vorschriftswidrig geparkte Autos kümmern.
„Damals hatten wir reine Mädchenklassen, und in der Kaserne, in der wir untergebracht waren, hat eine Sittenwächterin Tag und Nacht darauf geachtet, dass alles in Ordnung ist“, erzählte eine Beamtin der ersten Stunde dem ORF.
Auch der Ton in der Polizeischule sei damals noch militärischer gewesen, und am Beginn ihrer Karriere mussten die Polizistinnen gemäß der strengen Kleiderordnung Röcke tragen.
Die Politessen mit der Trillerpfeife
1971 wurden weiter 34 Frauen als „weibliche Straßenaufsichtsorgane“ (VB/S OStA), wie sie offiziell hießen, ausgebildet und in Dienst gestellt. Sie machten also die Arbeit, die heute die Parksheriffs machen. Auch das Tragen einer Waffe war vorerst den männlichen Kollegen vorbehalten, die „provisorischen Polizeiwachmänner“ (!) waren lediglich mit einer Trillerpfeife ausgestattet. Hauptaufgabe der „Politessen“: Die männlichen Beamten zu entlasten, damit diese sich umso besser dem echten Polizeidienst widmen konnten.
Ab 1990: Aufstieg in den regulären Polizeidienst
Aber so viele Hände auch hemmend in die Speichen griffen, das Rad der Zeit ließ sich nicht mehr zurückdrehen. Ab Dezember 1990 gewährte man den mittlerweile 200 Politessen die Möglichkeit, bei Interesse durch eine einjährige Ergänzungsausbildung in den regulären Polizeidienst aufzusteigen.
In einem Interview im Jahr 2011 mit den „Oberösterreichischen Nachrichten“ erinnerten sich die ehemaligen Politessen Renate Mallinger und Sabine Schäffer an die Zeit, als sie zu jenen neun Frauen gehörten, die damals in Österreich ihren Dienst mit der Waffe antraten.
Oberösterreichische Nachrichten, 1. Dezember 2011, Auszug:
Frauen im Polizeidienst: „Für ältere Polizisten waren wir furchtbar“
OÖN: Wie verlief zu Beginn die Zusammenarbeit mit den Kollegen?
Mallinger: Dadurch, dass ich schon 14 Jahre lang Politesse war, habe ich viele gekannt. Die älteren Polizisten haben schon geschaut, für die war es damals furchtbar. Aber sie haben sich an uns gewöhnt.
Schäffer: Für die Jungen heute ist es selbstverständlich, mit Frauen zusammenzuarbeiten. Bei uns hatten die Männer schon Bedenken. Wenn es um größere Einsätze wie eine Rauferei in der Altstadt ging und es hieß, sie müssten mit einer Kollegin ausfahren. Da haben sie geglaubt, sie seien allein auf weiter Flur. Das hat sich aber schnell eingespielt. Außerdem bleibt man eh nicht allein bei größeren Einsätzen.
OÖN: Waren Kriminelle verwundert, von einer Polizistin festgenommen zu werden?
Mallinger: Die Leute haben schon geschaut wie ein Autobus, wenn sie eine Polizistin gesehen haben. Wir standen im Blickfeld, die Bevölkerung musste sich erst daran gewöhnen.
Schäffer: Männer, die beanstandet wurden, waren irritiert. Aber letztlich mussten sie uns Folge leisten.
(…)
OÖN: Wie erlebten Sie die ersten Einsätze?
Mallinger: Am Anfang hatte ich ein mulmiges Gefühl. Ich erinnere mich, bei meinem zweiten Tagdienst als Polizistin musste ich zu einem Suizid. Wie ist das, wie läuft das ab, was erwartet mich am Einsatzort? Das waren meine Gedanken.
Schäffer: Wir haben zwar gewusst, was die Kollegen machen, aber selber waren wir nie dabei. Der erste Ladendieb oder Betrunkene, alles ist neu, wird aber zum täglichen Brot. Ich weiß noch, wie ich das erste Mal mit Blaulicht Einsatz gefahren bin, schlug mein Herz bis zum Hals.
Zitat Ende

Und heute – alles gut?
Heutzutage haben Männer und Frauen im Kriminaldienst die gleichen Aufgaben. Endlich geschafft also?
Nun ja, nicht ganz. Waren die Frauen auch nach Gesetz und Recht gleichgestellt, so scheiterte doch vieles am menschlichen Faktor, nämlich der schon im Interview erwähnten Unfähigkeit mancher älteren Kollegen, sich an eine weibliche Polizei zu gewöhnen. Daran änderte sich auch in den darauffolgenden Jahren nichts.
Die wenig zufriedenstellende Realität beschreiben die Fachzeitschrift „Die Kriminalisten“ sowie die Tageszeitung „Der Standard“. Die beiden umfangreichen Artikel sind hier im Original nachzulesen:
Frauen bei der Polizei – Der Standard
Zu welchen Gehässigkeiten Männer gegen ihre Kolleginnen fähig sind, findet man hier im Originalton:
Ein steiniger Weg
Es war ein steiniger Weg vom „Fräulein Polizeiassistentin“ über die „Politesse“ bis zur modernen, gleichberechtigten Sicherheitswachebeamtin.
Die Frauen haben nach langen, zähen Kämpfen geschafft, was Marianne Hainisch 1870 erträumte: „Den Frauen soll jeder Beruf offenstehen!“
Trotz alledem: Heute sind Frauen bei der Polizei keine Seltenheit. „Der Anteil der Frauen in der Exekutive nimmt seit Jahren ständig zu“, betonte die damalige Landespolizeivizepräsidentin Michaela Kardeis bei einem Treffen ehemaliger Polizistinnen, die in den Sechzigerjahren als erste Frauen ihre Ausbildung in Wien begannen.
Bereits im Jahr 2006 wurde ihr zufolge bundesweit die Zehnprozentgrenze überschritten, und alleine in Wien stellten die Beamtinnen mit 1.322 von insgesamt 7.600 Exekutivbeamten heute einen Anteil von 17 Prozent.
Aktuelle Zahlen der Polizeischule Wien zeigen ebenfalls einen steigenden Trend: Von 850 Schüler*innen sind 204 (24 Prozent) angehende Polizistinnen.
2017 schaffte es Dr. Michaela Kardeis erst zur Polizeivizepräsidentin und dann als erste Frau zur Generaldirektorin.

„Mag. Dr. Michaela Kardeis ist eine Pionierin in einem noch männerdominierten Beruf. Sie ist ein Vorbild für viele Frauen innerhalb der Polizei – nachdem sie als erste Frau in Österreich Polizeivizepräsidentin in Wien war und jetzt als erste Frau Generaldirektorin geworden ist“, sagte Innenminister Mag. Wolfgang Sobotka am 1. September 2017 anlässlich der Amtseinführung der neuen Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit Mag. Dr. Michaela Kardeis in Wien.
Mit der Bestellung von Kardeis zur neuen Generaldirektorin folgte Sobotka dem einstimmigen Vorschlag der Bestellungskommission, die am 1. August 2017 getagt hatte.
Mag. Dr. Michaela Kardeis wurde am 5. März 1972 in Salzburg geboren. Sie schloss im März 1996 ihr Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften an der Universität Salzburg ab.
Nach den beruflichen Erfahrungen beim Land Salzburg trat sie im Jahr 2000 in den Dienst des Bundesministeriums für Inneres.
Im November 2001 übernahm sie die Leitung der Bundespolizeidirektion Schwechat.
2002 wechselte Kardeis in die Bundespolizeidirektion Wien, wo sie bis Ende 2016 als Vizepräsidentin tätig war.
Seit Anfang 2017 arbeitete sie in der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, wo sie unter anderem die Initiative „GEMEINSAM.SICHER in Österreich“ betreute.
2019 wechselte sie als Verbindungsbeamtin in die USA. Österreich entsendet seit 1999 Verbindungsbeamte. Derzeit gibt es etwa 20 sogenannte BMI-Attachés im Ausland, die für rund 30 verschiedene Staaten zuständig sind.
Sie sind „die erste Ansprechstelle für Polizei-, Migrations- und Asylangelegenheiten für die Behörden im Empfangsland. In ihrer Funktion sind sie Vermittler zwischen den ausländischen Behörden und dem österreichischen Innenministerium.“ (Webseite BMI)
Frauenanteil im zeitlichen Verlauf
Die Erwerbsbeteiligung von Frauen ist in Österreich seit Mitte der 1980er Jahre deutlich gestiegen.
Diesem Trend entsprechend steigt auch beim Bundespersonal der Frauenanteil kontinuierlich.
Im Jahr 2017 lag er bei 42,1 Prozent. Bei den Vertragsbediensteten erreichte der Anteil 58,7 Prozent, bei Beamtinnen und Beamten 26,7 Prozent.
Ein Vergleich mit 1995 zeigt, dass der Anteil der Frauen in nahezu allen Untergruppen des Bundespersonals gestiegen ist.

Quelle: https://www.oeffentlicherdienst.gv.at/fakten/bundespersonal/daten/geschlechter/maenner_frauen.html
Der Frauenanteil im Stadtpolizeikommando Fünfhaus liegt laut Rückmeldung der Pressestelle der LPD (Landespolizeidirektion) Wien bei etwa 20 Prozent.
Polizeidienststellen in Rudolfsheim-Fünfhaus
Polizeikommissariat Fünfhaus f.d. Bezirke 14, 15
1150 Wien, Tannengasse 8-10
Weitere Dienststellen:
- Journaldienst Polizeijurist
- Referat 1 – Sicherheitshauptreferat
- Referat 2 – Verwaltungsstraf- und Vollzugsreferat
- Referat 3 – Verwaltungsreferat
Polizeiinspektion Wien – Storchengasse
Storchengasse 1
Polizeiinspektion Wien – Westbahnhof
Europaplatz 2

Wäre nicht so viel persönliche Frustration für die Frauen damit verbunden gewesen, man könnte lachen über die Ängstlichkeit der Zeitgenossen, denen schon das „Fräulein Polizeiassistentin“ in weißem Häubchen und Schürzenkleid als bedrohlicher Angriff auf die Männerfestung „Polizei“ erschien. Heute sind 17% der Polizeibeamten Frauen, Tendenz steigend, und die Welt ist deswegen nicht untergegangen. Die paar „Ewig-Gestrigen“? „Naja“, so der Kommentar einer Polizistin, „die sterben eh mit der Zeit aus …“
Quellen
- ANNO
- WienGeschichteWiki
- Wikipedia
- Webseite des BMI (Bundesministerium für Inneres)
- Die Kriminalisten
- Der Standard
- Wikimania.org
- Oberösterreichische Nachrichten, 1. Dezember 2011, Interview
- Video-Ausschnitt von „Ev1.tv der Talk – Biografie der Gildehauserin Friederike Wieking“
- Mirror.org
- „The Policewomans Review“
Hier finden Sie alle Artikel unserer Serie „History & Crime in Rudolfsheim“
Teil 1: Die Verhaftung des Einbrecherkönigs Johann Breitwieser (1918)
Teil 2: Die Hyäne der Armen – Der Kinder-Betrüger Georg Prödinger (1905)
Teil 3: Von einer Greisin erstochen – Das Ende des „Revolvergustl“ (1928)
Teil 4: Der Gattinnenmörder Anton Karner – Eifersucht in der Enge der Proletarierwohnung (1913)
Teil 5: Motorführer Johann Prügl als Dienstmädchenmörder (1905)
Teil 6: Der Raubmörder und der tapfere Wirt (1920)
Teil 7: „Noch 48 Stunden, dann hol ich ihn mir, den Hager“ (1911)
Teil 8: Eine Greisin im Schlaf abgeschlachtet: Der Raubmörder Anton Senekl (1902)
Teil 9: Raubmord an einem Kind – Der Fall Rudolf Kremser (1914)

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In unserer Broschüre „Blut im Beisl. Historische Kriminalfälle in Gasthäusern des 15. Bezirks um 1900“ können Sie weiterschmökern.
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Oder wie es Anton Ziegler 1828 (*) so schön ausgedrückt hat:
Jede Belehrung und Berichtigung, welche in Beziehung auf größere Vervollkommnung und Gemeinnutzmachung dieser Herausgabe beabsichtigt ist, wird mit dem ausgezeichnetsten Danke empfangen.
(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828
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