Unser grimmiger Kater präsentiert wieder das „Zitat des Monats“ . Diesmal geht es um Erinnerungen an eine Kindheit in den 1890er Jahren.
Haben Sie auch Erinnerungen an Abenteuer-Spielplätze im 15. Bezirk? Teilen Sie uns Ihre Erinnerungen gerne in den Kommentaren mit.
Unser Zitat des Monats stammt diesmal von Alfons Petzold:
„Der Schmelzer Friedhof bildete mit seiner Dschungelvegetation das Dorado aller abenteuersüchtigen und vom Jagdfieber befallenen Knaben der umliegenden Vororte.“
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„Er (der Schmelzer Friedhof, Anm. BN) bildete mit seiner Dschungelvegetation das Dorado aller abenteuersüchtigen und vom Jagdfieber befallenen Knaben der umliegenden Vororte.
Da gab es Eidechsen, Blindschleichen, Ringelnattern, verwilderte Kaninchen, viele Arten von Schmetterlingen und Käfern, manchmal eine pfeifende Ratte und dann den Jaguar dieser Wildnis, eine fauchende, verwilderte Katze; zermorschte, halb umgestürzte Grabkreuze, verwitterte Monumente ragten phantastisch aus der Schlingpflanzenwirrnis.
Da und dort bildete das wuchernde Laub interessante Höhlen, die im Verein mit leeren Grüften prächtige Verstecke für verfolgte Räuber- oder Indianerhäuptlinge abgaben. Und rätselhafte, von der Zeit halb verwischte Inschriften ließen die junge Seele seltsame, fremde Schicksale ahnen.“

Der Schmelzer Friedhof
Der Schmelzer Friedhof war einer der fünf Kommunalfriedhöfe (Mehr dazu finden Sie u.a. hier), die 1784 von Josef II. vor dem Linienwall als Ersatz für die geschlossenen Vorstadt-Friedhöfe von Wien außerhalb des Linienwalls angelegt wurden. Am Schmelzer Kommunalfriedhof wurden zahlreiche berühmte Persönlichkeiten bestattet, darunter die Historiker Joseph Feil und Josef Chmel sowie die Maler Carl Russ und Franz Josef Dobiaschofsky. 1874 wurde er für weitere Bestattungen gesperrt. Seit 1892 befand er sich, da die linksufrigen Vororte der Stadt eingemeindet wurden, im Stadtgebiet Wiens.
Der Schmelzer Friedhof wurde nach dem Ersten Weltkrieg aufgelassen und in den „Märzpark“ umgewandelt. Die Benennung erfolgte 1928 in Erinnerung daran, dass auf dem Friedhof die 35 Gefallenen des 13. März 1848, die so genannten „Märzgefallenen“, bestattet gewesen waren. Sie erhielten nach ihrer Exhumierung am 6. September 1888 ein Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof. Von den Grabdenkmälern wurden einige auf den Zentralfriedhof übertragen (nächst der Luegerkirche aufgestellt), andere stehen bei der nahegelegenen Christkönigskirche. Auf einem Teil des ehemaligen Schmelzer Friedhofs steht heute die Stadthalle (mit dem Stadthallenbad).
Alfons Petzold im Bezirksmuseum
Im Museum finden Sie Infos zum Schmelzer Friedhof, ein Plakat zu Alfons Petzold sowie – die „symbolischen Alfonse“: Alfons Petzold als Kind, das vom Spielen auf der Schmelz erzählt (den Text können Sie sich auch per youtube anhören) und Alfons Petzold als Erwachsener, dessen umgehängtes Schild von der Armut der Menschen berichtet.

Alfons Maria Petzold, Pseudonym De Profundis
(* 24. September 1882 in Fünfhaus; † 25. Jänner 1923 in Kitzbühel)

Alfons Petzold – geboren in Fünfhaus
Alfons Petzold wurde am 24.9.1882 in Wien-Fünfhaus – in der Stadiongasse, jetzt Robert-Hamerling-Gasse 28 – geboren. Seine Eltern waren die Köchin Friederike Sophie Karoline Grundbach (geb. 1836 in Freiburg an der Unstrut) und der Arbeiter Friedrich Hermann Petzold (geb. 1836 in Borna im damaligen Herzogtum Sachsen-Altenburg).
Trotz gesundheitlicher Schäden musste er schon früh schwere Arbeit verrichten. Er begann eine Lehre in einer Metallschleiferei, wurde mit 15 Jahren Bauhilfsarbeiter, später Fabrikarbeiter, Laufbursche, Kellner, Fensterputzer u.a.
Wohnen im Kanal
Nachdem er wegen des Verteilens von Flugblättern für die Wahl Franz Schuhmeiers verhaftet worden war, musste Petzold sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen. Da er sich nach dem Tod seiner Mutter keine eigene Wohnung leisten konnte, schlief er in Obdachlosenasylen und fallweise sogar in Kanälen, und ernährte sich nicht selten von den Abfallhaufen der Märkte. Psychischen Halt fand Petzold in dieser schwierigen Zeit im Lesen; bald begann er auch selbst, Couplets und kleinere dramatische Arbeiten für Volkssänger und Theatervereine zu verfassen.
Erste Erfolge als Dichter
Nach der Eröffnung des Volksheimes Ottakring im Jahr 1905 fand Petzold hier eine neue Heimat. Er besuchte zahlreiche Vorlesungen, hielt selbst Vorträge und wurde mit seinen Dichterlesungen bald populär.
Tuberkulose & erste Ehe mit Johanna Kraml
Als Petzold 1908 an Tuberkulose erkrankte, ermöglichten ihm prominente Schriftstellerkollegen wie Josef Luitpold Stern, Peter Altenberg und Stefan Zweig einen Kuraufenthalt; Stern war es auch, der 1910 die Herausgabe seines ersten Gedichtbandes „Trotz alledem!“ durchsetzte, der Petzold mit einem Schlag als „Dichter des Proletariats“ etablierte.
In der Heilanstalt Alland bei Baden lernte Alfons Petzold seine erste Frau Johanna Kraml (geb. 1886) kennen, die allerdings bereits 1914, nur drei Jahre nach der Hochzeit, starb.
Petzold schrieb u.a. das folgendes Gedicht für sie.
Johanna
I.
Ich bin vom Lied das erste Wort,
wer kennt den Ton und seinen Schall?
Du singst die ganze Strophe fort
und gibst mir guten Widerhall.
II.
Du bist die Sehnsucht
und ihre Erfüllung,
Tiefe der Inbrunst
und ihre Enthüllung.
Du gabst den Wurzeln
Erde zu greifen.
Nun kann ich blühen
und herbstzu reifen.
Aus: Alfons Petzold Pfad aus der Dämmerung
Gedichte und Erinnerungen Wiener Verlag 1947 (S. 106)
Erster Roman & Literaturpreis
Nach den ersten Gedichtbänden folgte 1913 der Roman „Erde“, in dem Petzold seine Krankenhausaufenthalte verarbeitet. 1914 erhielt er den Eduard-Bauernfeld-Preis und 1917 eine Ehrenpension der Stadt Wien.
Zweite Heirat mit Hedwig Gamillscheg & Übersiedlung nach Kitzbühel
1915 heiratete er Hedwig Seraphine Gamillscheg (geb. Gamillscheg, 1890-1968), 1916 kamen Tochter Christiane (verh. Esders, gest. 1984), 1920 Tochter Verena (verh. Hopfensperger, gest. 2007) und 1922 Sohn Wolfgang (gest. 1944) zur Welt.
1917 übersiedelte die Familie nach Kitzbühel, wo er ab 1918 sozialdemokratischer Gemeinderat war und ab 1919 die Buchhandlung Moser leitete und als freier Mitarbeiter bei der Wiener Zeitung tätig war.
1920: Das rauhe Leben
Sein erfolgreichstes Buch, eine stilisierte Schilderung seiner schweren Kindheit und Jugend, erschien 1920 unter dem Titel „Das rauhe Leben“.
Hier können Sie das Buch online lesen.
Bedeutender Arbeiterdichter
Petzold galt mit seinem Werk, in dem er auf eigenwillige Art soziale Thematik und religiöse Sichtweisen bis hin zu Mystik und Pantheismus verband, zu Lebzeiten als bedeutender Arbeiterdichter.
Tod mit 41 Jahre – Opfer der Grippe
Alfons Petzold starb am 26.1.1923 in Kitzbühel/Tirol mit nur 41 Jahren an Grippe.
Erinnerungen an Alfons Petzold
Nach seinem Tod wurde der Alfons-Petzold-Hof in Simmering nach ihm benannt. Auch die Petzoldgasse in Simmering und die Alfons-Petzold-Gasse in Liesing (Wien), Perchtoldsdorf und Brunn am Gebirge sowie Gedenktafeln im 15. und 16. Wiener Gemeindebezirk erinnern an den Arbeiterdichter, wie auch eine Petzoldstraße in Innsbruck und Attnang-Puchheim, eine Alfons-Petzold-Gasse sowie dem „Alfons Petzold Heim“ – ein Vereinshaus – in Kitzbühel.
Mehr zu Leben & Werk finden Sie u.a. hier und hier.
Quellen
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Oder wie es Anton Ziegler 1828 (*) so schön ausgedrückt hat:
Jede Belehrung und Berichtigung, welche in Beziehung auf größere Vervollkommnung und Gemeinnutzmachung dieser Herausgabe beabsichtigt ist, wird mit dem ausgezeichnetsten Danke empfangen.
(*) Wiens nächste Umgebungen an den Linien, herausgegeben von Anton Ziegler und Carl Graf Vasquez, Wien 1827-1828
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7 Kommentare zu „Das Dorado des jungen Alfons Petzold“